Wien/Salzburg/Graz – Lichter als Motto ziehen sich durch die Veranstaltungen anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome in Wien. Der einst von den Nationalsozialisten zerstörte Leopoldstädter Tempel ist seit Dienstagabend beleuchtet, die Fassade des Parlaments wird im Licht der Menschenrechte erstrahlen, und beim Gedenkmarsch Light of Hope soll das gemeinsame Gehen mit Kerzen die dunkelsten Momente der Geschichte erhellen.

Anlässlich der Novemberpogrome ist am Dienstag, 7. November 2023 eine Feuerwehrmannsfigur vor der Grazer Synagoge als Mahnmal enthüllt worden. Sie soll an die Nacht auf den 10. November 1938 erinnern, als es zu den ersten systematisierten Übergriffen der Nationalsozialisten im gesamten Deutschen Reich auf die jüdische Bevölkerung kam. - FOTO: APA/UNIVERSALMUSEUM JOANNEUM/J.J.KUCEK 
Anlässlich der Novemberpogrome ist am Dienstag, 7. November 2023, eine Feuerwehrmannsfigur vor der Grazer Synagoge als Mahnmal enthüllt worden. Sie soll an die Nacht auf den 10. November 1938 erinnern, als Feuerwehrmänner zusahen wie die Synagoge niederbrannte und nur ein Übergreifen der Flammen auf die benachbarten Gebäude verhinderten.
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Das gezielte und gewalttätige Vorgehen gegen Jüdinnen und Juden in der Nacht vom 9. auf den 10. November gilt als der Vorabend der Shoah. Mit der vom NS-Regime im gesamten damaligen Reich organisierten Zerstörung jüdischer Synagogen und Häuser sowie der Misshandlung unzähliger jüdischer Mitmenschen beginnen jene Gräueltaten, die im weiteren Verlauf zum systematisch organisierten Massenmord an den Juden in Europa geführt haben.

Höhepunkt Gedenkmarsch

Der World Jewish Congress lässt anlässlich des 85. Jahrestages der Kristallnacht einige zerstörte Synagogen für einen Tag als digitale Rekonstruktionen wieder neu erstrahlen. Zusätzlich werden VR-Brillen eingesetzt, um dem Betrachter einen virtuellen Eindruck vom damaligen Synagogeninnenraum zu vermitteln. In Wien wird die Lichtinstallation, sie ist Teil der #WeRemember-Kampagne, bis inklusive 9. November in der Tempelgasse 5 zu sehen sein. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, erinnerte bei der Eröffnung der Installation an die seit dem Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel stark angestiegenen Übergriffe auf Jüdinnen und Juden auch in Österreich sowie den Anstieg antisemitischer Parolen. Noch handle es sich um Einzelfälle, die Frage sei jedoch, wie lange noch.

Den Höhepunkt der Gedenkzeremonien in der Bundeshauptstadt am 9. November bildet der "Light of Hope". Treffpunkt ist um 19 Uhr auf dem Heldenplatz, danach wird gemeinsam zum Ballhausplatz maschiert, wo auch eine Kundgebung stattfindet. Die jüdische Jugend Wiens lädt alle Menschen ein, "ein starkes und sichtbares Zeichen für Zusammenhalt und gegen jeden Antisemitismus zu setzen".

Gedenken in Wels, Salzburg, Graz

In Wels fand das Pogromnacht-Gedenken bereits am Abend des 6. November im Pollheimerpark statt. Mehr als 500 Menschen trafen sich vor dem jüdischen Mahnmal zur Gedenkfeier der Initiative gegen Faschismus. Unter ihnen auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer. "Unsere Antwort auf Antisemitismus jeglichen Ursprungs muss hart und klar und unmissverständlich sein. Wer in Österreich lebt, wer in Österreich leben will, für den und die gelten nicht nur Menschenrechte, sondern auch Menschenpflichten", betonte der Bundespräsident in seiner Rede. "Es gibt Regeln, und an diese muss man sich halten. Und wer glaubt, die herrschende Toleranz für Intoleranz nutzen zu können, muss Konsequenzen tragen."

Die Kundgebung der Welser Antifa, die seit 25 Jahren stattfindet, wurde auch heuer von den Kirchen, den Gewerkschaften und mehr als 40 Organisationen der Zivilgesellschaft mitgetragen. Sie gedenkt nicht nur der Opfer des Holocaust, sondern ruft auch zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus in der Gegenwart auf, erklärte Antifa-Vorsitzender Werner Retzl. "Leider ein hochaktuelles Thema", sagte Retzl, angesichts der knapp 2.400 Strafverfahren wegen NS-Wiederbetätigung und Holocaust-Leugnung, die es im Vorjahr laut Justizministerium gab.

Auch in Salzburg wurden vor 85 Jahren die Synagoge und mehrere Geschäfte verwüstet und Menschen in Konzentrationslager verschleppt. Der KZ-Verband Salzburg ruft deshalb am 9. November wieder zum Gedenken an die Reichspogromnacht auf. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wird die Gedenkfeier, die traditionell beim Stolperstein für Walter Schwarz am Alten Markt stattfindet, in die Kollegienkirche verlegt. Schwarz war bis zum Jahr 1938 Geschäftsführer des Kaufhauses S. L. Schwarz, das unter dem NS-Regime enteignet wurde. Bereits am Mittwochabend fand in Graz die Mahnwache auf dem Freiheitsplatz statt, und in Klagenfurt lud die Sozialistische Junge Generation zum Stadtspaziergang. (Stefanie Ruep, 9.11.2023)