Kernkraft gehört nicht in Österreich und Deutschland zur Stromversorgung, wohl aber in anderen Ländern. Im Bild ein AKW mit Umspannwerk in Deutschland.
Strom ist die Energie der Zukunft, nicht Gas. Die deutsche Industrie bekommt nun doch Milliardenhilfen seitens des Staates.
Imago Images

So schlimm wie im Sommer befürchtet kommt es nicht. Aber Berlin bringt Österreichs Industrie unter Druck. Denn das Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nach monatelangem Ringen auf einen verbilligten Industriestrompreis verständigt. Die Preisdämpfung soll für fünf Jahre gelten und auch dem Mittelstand zugutekommen, teilte die Regierung am Donnerstag mit.

Pro Jahr koste diese Entlastung bis zu zwölf Milliarden Euro. Das Paket bringt zwar keinen auf die energieintensive Industrie beschränkten Industriestrom, aber eine Absenkung der Stromsteuer auf den EU-Mindestsatz für Elektrizität. Darüber hinaus sollen 350 besonders energieintensive Betriebe zusätzlich entlastet werden. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte dies mit Blick auf die Staatsverschuldung lang abgelehnt, erklärte jetzt aber, dass alle Maßnahmen im Rahmen der Schuldenbremse finanziert seien. Aus der Wirtschaft kam Lob.

Steilvorlage aus Berlin

Kanzler Scholz sprach von einer sehr guten Nachricht für den Wirtschaftsstandort: "Wir senken die Stromsteuer radikal, stabilisieren die Netzentgelte und setzen die Strompreiskompensation fort, damit die Unternehmen mit den aktuellen Strompreisen besser zurechtkommen können."

So exzessiv wie von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Landeschefs wie Stephan Weil (Niedersachsen) gefordert kommt die Stromstütze jetzt nicht: Sie wollten den Strompreis für die Chemie- und Stahlindustrie bis 2030 auf sechs Cent pro Kilowattstunde drücken, was allerdings Milliarden gekostet hätte, ungerecht gewesen wäre und deshalb von der EU-Kommission abgelehnt wurde.

Preise und Steuern

Nun werden nicht die Strompreise subventioniert, sondern es wird an den Stromsteuern gedreht. Sie werden auf das EU-Mindestmaß gesenkt, 0,05 Prozent von aktuell zwei Prozent. Das würde pro Jahr schätzungsweise 2,75 Milliarden Euro kosten. Zudem werden die Netzentgelte für die Stromautobahnen mit staatlicher Hilfe gesenkt. Hinzu kommt, dass die Strompreiskompensation für etwa 350 Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, dauerhaft verlängert und ausgeweitet wird. Damit soll die Abwanderung von energieintensiver Industrie samt Treibhausgasemissionen hintangehalten werden. Und: Die frühere Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien entfällt.

Das Paket hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Das schafft neue Ungleichheiten, denn die bisherigen Strompreisbremsen für Verbraucher und Industrie gelten nur noch bis April. Eine erste Einschätzung der Maßnahmen von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr lässt sich, salopp formuliert, so zusammenfassen: besser als der ursprüngliche Industriestrom, aber noch immer ungerecht, weil auf das verarbeitende Gewerbe beschränkt. Sektoren wie Handel oder Dienstleistungen hingegen würden ebenso wenig begünstigt wie Privathaushalte. "Das verzerrt den Strukturwandel", sagt der Wifo-Chef zum STANDARD. Besser wäre es, möglichst rasch an einem echten CO2-Grenzausgleich zu arbeiten, der österreichische Unternehmen auf Exportmärkten nicht in Wettbewerbsnachteile zwinge, sagt Felbermayr.

Zukunft Grünstrom

Sicher ist: Österreich wird das deutsche Experiment jedenfalls teuer kommen. Denn der Energiekostenzuschuss für Unternehmen läuft mit Jahresende aus, und die österreichische Zulieferindustrie wird bei Finanz- und Wirtschaftsminister auf Ausgleich pochen, weil sie gegenüber dem wichtigen Handelspartner Deutschland Wettbewerbsnachteile erwarten muss. Im Vergleich zu den Energiekosten in den USA und Asien haben heimische Betriebe sowieso das Nachsehen.

Langfristig sei Strom die grüne Zukunftsenergie, deshalb sei in Österreich zu überlegen, die Stromsteuer nicht wieder auf das Vorkrisenniveau anzuheben, regt der Wifo-Chef an. (ung, dpa)