Es geht nicht bloß um die Bestätigung Andreas Bablers als Vorsitzenden. Auf ihrem Parteitag am Wochenende in Graz will die SPÖ auch die Linien ihrer zukünftigen Politik vorgeben. Nachzulesen ist die Ausrichtung in den zwölf vorliegenden Leitanträgen: Unzweifelhaft links der Mitte, gegen kapitalistische Auswüchse, für eine ökonomische Stärkung der unteren Einkommensbezieher zulasten der "oberen Zehntausend".

Die gegenwärtig besonders brisanten Fragen der Zuwanderung und Integration bleibt im Programm auf einer eher allgemeinen, theoretischen Ebene. Offensichtlich sollen etwaige Flügelkämpfe am Parteitag erst gar nicht aufkommen. Stattdessen dominiert die Sozial- und Verteilungspolitik. Ein Auszug.

Andreas Babler bringt zum Parteitag viele Ideen mit. Die Genossen sollen es ihm bei seiner Wiederwahl danken.
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·Schöne neue Arbeitswelt Bablers Wahlkampfschlager aus dem Duell mit Hans Peter Doskozil steht am Beginn der Liste – jedoch in entschärfter Form. Von der Einführung der 32-Stunden-Woche ist nun nicht mehr dezidiert die Rede, sondern von mit Firmen und Betriebsräten vereinbarten Pilotprojekten zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Das wird jenen Genossen die Zustimmung erleichtern, die wie Doskozil am Realismus der Babler-Pläne zweifelten.

Auf Arbeitszeitverkürzung zielen noch andere Forderungen ab: etwa eine sechste Urlaubswoche für alle oder das Nachholen von aufs Wochenende gefallenen Feiertagen am darauffolgenden Arbeitstag.

Jobgarantie

Als neu preist die SPÖ die "Jobgarantie für alle" an, die Langzeitarbeitslosigkeit überwinden soll. Dahinter verbirgt sich ein Mix erprobter Beschäftigungsmodelle wie der von der türkis-blauen Regierung abgeschafften Aktion 20.000. Anderes ist hingegen schon lange Position der Partei – so etwa der Ruf nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens.

·Pensionsreform andersrum Dass die SPÖ gegen die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters ist, versteht sich von selbst. Statt Kostensenkung propagiert sie einen Ausbau, etwa durch eine höhere Bewertung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten oder der Gewährung der Schwerarbeiterpension für Pflegekräfte. Überdies soll die abschlagsfreie Frühpension nach 45 Arbeitsjahren vulgo Hacklerregelung ein Comeback feiern – ungeachtet der Tatsache, dass selbst manche Sozialdemokraten von dieser teuren Idee nichts halten.

·Reiche und Konzerne zahlen mehr Die bereits skizzierten, mit Freibeträgen von einer Million ausgestatteten Steuern auf Vermögen und Erbschaften sind naturgemäß Fixstarter. Im Gegenzug sollen alle Einkommensbezieher so weit entlastet werden, dass 2000 Euro brutto im Monat steuerfrei werden.

Aus dem Fundus von Vorvorgänger Christian Kern übernimmt Babler die Wertschöpfungsabgabe auf Unternehmensgewinne – auf dass der Sozialstaat nicht nur aus Abgaben auf Arbeit finanziert werde.

Video: Im Oktober präsentierte SPÖ-Chef Andreas Babler im Zuge der Herbstkampagne seine Ideen für eine Millionärssteuer.
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·Kampf den Preisen Vom Ansinnen, das Staatsziel "Leistbares Leben" in der Verfassung zu verankern, hat sich die SPÖ auch durch Kritik aus den eigenen Reihen nicht abbringen lassen. Liegt die Teuerungsrate dauerhaft über zwei Prozent, habe die jeweilige Regierung unverzüglich zu reagieren.

Wie das aktuell geschehen sollte, skizziert der Leitantrag ebenfalls: Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs aussetzen, Mieten bis 2025 einfrieren, danach Begrenzung des Mietanstiegs mit zwei Prozent. Halbiert werden soll die Mehrwertsteuer auf Strom und Gas, auch einen 300-Euro-Winterzuschuss für Haushalte mit kleinen Einkommen fordert die SPÖ.

·Kinderarmut soll verschwinden Um dieses Kunststück zu schaffen, verspricht die SPÖ eine Kindergrundsicherung, ohne aber konkrete Ausgestaltung und Höhe der Leistung zu nennen. Was Babler im heimatlichen Traiskirchen anbahnt, soll zudem ganz Österreich beglücken: ein gesundes, warmes Mittagessen gratis für alle Kindergarten- und Schulkinder. Zwecks Finanzierung soll die von der ÖVP durchgesetzte Senkung der Konzernsteuern rückgängig gemacht werden.

Facharzttermin

Darüber hinaus finden sich viele rote Klassiker: vom Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr über mehr Unterstützungspersonal für Schulen bis zur Gesamtschule.

·Gesund bleiben, in Würde altern Noch eine Garantie: Niemand soll länger als 14 Tage auf einen Facharzttermin warten müssen. Außerdem will die SPÖ gewinnorientierten Unternehmen in der Pflege den Kampf ansagen. Ein Mix aus Maßnahmen soll dafür sorgen, dass aus der Betreuung älterer Menschen kein Profit mehr geschlagen werden kann, sondern sämtliche Erlöse in den Ausbau der Leistungen fließen.

Die auf rund 80 Seiten ausgebreiteten Leitanträge bieten noch viele Ankündigungen mehr, etwa zur Frauen- und Klimapolitik. Woran es hingegen mangelt, sind Hinweise, wer das alles wie bezahlen soll: Nur manche Maßnahmen sind mit einer Gegenfinanzierung unterlegt.

Das liege in der Natur der Sache, argumentiert Vizeklubchefin Julia Herr. Schließlich handle es sich um kein konkretes Wahlprogramm, sondern um Grundlagenbeschlüsse. Natürlich werde in einer Regierung nicht alles gleich umsetzbar sein. Doch die Anträge zeigten, "wofür die SPÖ im nächsten Jahrzehnt brennt und kämpft". (Gerald John, Walter Müller, 10.11.2023)