Shoppe jetzt! Gratisversand und 90 Prozent Rabatt. Registriere dich in der App und sichere dir einen 100-Dollar-Coupon! Auf der chinesischen Onlineplattform Temu ploppen marktschreierisch dutzende knallbunte Angebote auf, die auch in Österreich immer mehr Menschen zum Kaufen bewegen.

Besonders an Aktionstagen wie Black Friday und Cyber Monday, die Ende des Monats wieder anstehen, wird viel Geld im Internet ausgegeben. Diese Tage sind eigentlich das Weihnachten der Onlinehändler. Heuer steht die Cyberbescherung allerdings unter schlechten Vorzeichen. Die Kauflust der Konsumenten ist auch beim Online-Einkauf gebremst.

Pakete mit Geschenken in einem Einkaufswagen auf einem Laptop vor einer Online-Shop Website.
Billig per Knopfdruck eingekauft? Black Friday, Cyber Monday, Single Day – an Aktionstagen wie diesen buhlt der Handel auch im Internet mit Superrabatten um die Kaufwilligen.
IMAGO/Michael Bihlmayer

Während in der Pandemie die Geschäfte in den Innenstädten eher gemieden wurden, shoppten viele Österreicher im Internet: Essen, Klamotten, Technik, Möbel. Schlichtweg alles, was ein Mensch zum Leben braucht, ist online zu finden. Doch als im vergangenen Jahr die Inflationsrate stieg und stieg, wendete sich das Blatt. Der Boom war vorbei. 2022 schrumpften die Online-Ausgaben um drei Prozent auf 8,6 Milliarden Euro.

Wie sieht es nun bei den heimischen Unternehmen aus? Mit der Black Week – also den Aktionstagen in der Vorweihnachtszeit – steht immerhin die wichtigste Geschäftswoche der Online-Händler bevor. "Die Erwartungen sind gedämpft", sagt Roland Fink. Er ist Geschäftsführer von Niceshops, einem der größten österreichischen Onlinehändler mit Sitz in der Steiermark. Die Stimmung im Allgemeinen sei mäßig, und man rechne auch nicht mit Steigerungen, erzählt er. Daher sei wirtschaftliche Vorsicht geboten, denn auch hohe Kollektivvertragsabschlüsse seien zu erwarten.

Fette Jahre auf Pause

"Die fetten Jahre sind jetzt auf Pause gestellt", konstatiert auch Christoph Teller, viel schlechter könne es nicht werden. "Das E-Commerce-Modell steht auf dünnen Beinen", erklärt der Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) an der Johannes-Kepler-Uni in Linz. Die Stimmung der Kundschaft und in den Unternehmen könne sich allerdings auch wieder drehen. Denn die Black Week sei nach wie vor ein hoffnungsvoller Impulsgeber für die Onlinehändler. "Der Abgesang ist verfrüht", stellt er fest.

Eine Untersuchung der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) stützt diese Einschätzung und geht von enormem Wachstum und blühenden Zeiten für die kommenden Jahre aus. Bis 2027 soll demnach der E-Commerce-Anteil am weltweiten Einzelhandelsumsatz 41 Prozent betragen. 2017 lag der Wert bei 18 Prozent. In weniger als zehn Jahren soll sich der Anteil also mehr als verdoppeln. Doch wie realistisch ist diese Prognose, und was bedeutet sie für Österreich?

Österreich kauft gerne stationär

In Europa sind die einzelnen Länder in Sachen E-Commerce sehr unterschiedlich unterwegs. Eine globale Prognose hat also begrenzte Aussagekraft. Die Briten sind Vorreiter des Online-Shoppings, dort beträgt der Marktanteil fast 30 Prozent. In Italien dümpelt der Wert im einstelligen Prozentbereich. Auch die österreichischen Onlinehändler kommen gerade einmal auf einen Marktanteil von rund zehn bis 15 Prozent. Dazu kommt: Prognosen gehen oft von unveränderlichen Bedingungen aus. Krisen und Umweltfaktoren, die den Markt und die Geschäftsmodelle beeinflussen, seien nicht mit eingerechnet, erklärt IHaM-Vorstand Teller.

Daher ist die Aussicht für den österreichischen Markt ungewiss. Die Teuerung hält weiter an, und ausländische Big Player wie Amazon aus den USA oder Shein aus China geben den Ton an. Neun von zehn Online-Shoppern haben laut IHaM dieses Jahr via Amazon bestellt. Der amerikanische Konzern ist unbestrittener Marktführer, aber nicht unangefochten. Denn Temu, die chinesische Plattform mit der knalligen Website, sei ernstzunehmende Konkurrenz für Amazon. "Brains and Brawn", also Hirn und Muskeln, seien immer eine explosive Mischung auf Handelsmärkten, sagt Teller.

Billig is the new sexy

Drei Viertel aller österreichischen Internetkäufer kennen Temu. Doch die Geschäftspraktiken sind fragwürdig, Sicherheitsstandards nicht überprüfbar. Temu habe aber eine steile Lernkurve, erklärt Teller. "Auch bei Marktplätzen und Plattformen gilt vor allem jetzt: Billig is the new sexy", so Teller pointiert. Für die lokalen Händler ist das keine gute Nachricht.

Der Handelsexperte gibt zu bedenken: Neben der Inflation werden klimapolitische Maßnahmen wie ein höherer CO2-Preis und steigende Kosten für Logistikinfrastruktur den Versand teurer machen. Das wirkt sich auf die Nachfrage aus.

Das Logo der chinesischen E-Commerceplattform Temu. 
Billig, billiger, am billigsten – aufstrebende Billigshops wie Temu probieren viele zumindest aus.
REUTERS/FLORENCE LO

"Es wird alle Unternehmen herausfordern, die sich nicht darauf vorbereiten", sagt Niceshops-Gründer Fink. Der Strukturwandel von stationär zu online sei noch lange nicht abgeschlossen, fügt er hinzu. Das sei aber nicht nur ein Thema für Österreich, sondern für Europa. "Wir haben es versäumt, junge Unternehmen zu fördern, die mit den außereuropäischen Mitstreitern mithalten können", sagt Fink. About You und Zalando seien Ausnahmen.

Aufstrebende Billigshops wie Temu würden zwar viele ausprobieren. Aber aufgrund der langen Wartezeiten und mangelnden Produktqualität zweifelt Fink an der Durchsetzungsfähigkeit: "Ich fühle mich von Temu überhaupt nicht bedroht", erklärt er unbeeindruckt. (Noah May, 13.11.2023)