Viele Bücher nebeneinander
Literatur ist wie im Nebel zueinanderzufinden.
APA/HELMUT FOHRINGER

Die Buch Wien ist soeben zu Ende gegangen. Das unterscheidet sie von Literatur, Letztere geht nie zu Ende. Sie ist ein bisschen wie Liebe. Das Erkennen, das Annehmen, das Ineinanderaufgehen, das Begreifen einer Welt, die die Welt eines anderen ist. Fehlt sie, ist es ein bisschen wie Hass. Hass beginnt oft mit der Abwesenheit des nötigen Worts. Literatur ist wie im Nebel zueinanderzufinden. Sie kann auch wie ein havariertes Schiff sein, das auf offenem Meer auf Rettung wartet: Wer die Koordinaten nicht absetzt, rückt sich in die Nähe des Bermudadreiecks.

Das bedeutet nicht, dass diese Art Literatur versagt hat. Es bedeutet nur, dass sie verloren geht und man mit ihr verloren gehen kann. Lies mich, und du wirst gelesen werden. Zu bedenken ist: Wenn ein Esel in ein Buch hineinsieht, wird kein Weiser herausblicken (das ist keine Publikumsbeschimpfung). Literatur kann erdrückend weitläufig und knackig kurz sein. Der kürzeste Monolog der Welt ist übrigens: Ich Tarzan – Du Jane.

Manchmal ist Literatur auch beinahe eine Geheimsprache. Auch eine Geheimsprache bietet Verständlichkeit, allerdings nur für einen elitär abgegrenzten Kreis. Eine Geheimsprache ist der kleinste gemeinsame Nenner. Ein Verkehrsschild ist der größte gemeinsame Nenner. Dazwischen spielt sich Literatur, also das Leben, ab. Und nächstes Jahr auch wieder die Buch Wien. (Julya Rabinowich, 12.11.2023)