Haus der Geschichte
Das Haus der Geschichte Österreich wird von der Neuen Burg am Heldenplatz in das wenige Hundert Meter entfernte Museumsquartier wechseln.
MQW

Jahrzehntelang waren Vorhaben gewälzt und wieder fallengelassen worden – die Historie des Hauses der Geschichte Österreich (HdGÖ) ist ähnlich wechselhaft wie die der Nation selbst. Fast auf den Tag genau fünf Jahre nach der Eröffnung des aktuellen Standorts in der Neuen Burg am Heldenplatz am 10. November 2018 – die Entscheidungsträger wurden vom 100-Jahr-Jubiläum der Republiksgründung unter Zeitdruck gesetzt, und sei es nur, einen temporären Startschuss zu schaffen – verkündeten Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) am Montag eine nun endlich dauerhafte Lösung.

Neuer Standort wird der gesamte an die Mariahilfer Straße angrenzende denkmalgeschützte Bauteil 13 des Musemsquartiers (MQ), in dem bisher Büros und die Probebühne des Kindertheaters Dschungel untergebracht sind. Neben der Nutzung aller Geschoße ist laut Ergebnis der Machbarkeitsstudie auch eine Bespielung des vom Bundesdenkmalamt als "historisch bedeutend" bewerteten Dachgeschoßes möglich – dessen gesamte Holzstruktur soll in dem 60 Meter langen Raum sichtbar erhalten werden. Man arbeite eng mit dem Bundesdenkmalamt zusammen, sagte Mayer. Fast 3.100 Quadratmeter Ausstellungsfläche sollen dem HdGÖ somit nach dem Umzug ab 2028 zur Verfügung stehen. Dafür muss im inneren Klosterhof allerdings über die gesamte Höhe ein Erschließungsbau entstehen, der das Foyer, die Kassa, einen Shop, Garderoben, WC, Lift, Stiegenhaus und Ausstellungsflächen beherbergen soll. Verwaltungsbüros, Werkstätten sowie Depots seien am Standort indes nicht möglich, so die Studie.

Video: Haus der Geschichte Österreich zieht ins Museumsquartier.
APA

Bereits "beliebter Treffpunkt"

Man habe sich die Standortsuche nicht leicht gemacht, sagte Mayer, die auf drei Anforderungen verwies. Neben einer Mindestfläche von 3.000 Quadratmetern müsse der Standort gut erreichbarer sowie zentral sein. Und: Angesichts der grassierenden Bodenversiegelung sollte ein Bestandsgebäude dafür genutzt werden. Das Museumsquartier habe sich in Gesprächen bald als Möglichkeit herauskristallisiert – im Frühjahr wurden derartige Überlegungen bereits medial kolportiert, aber ohne, dass Mayer sich dazu konkreter äußern wollte. Das Museumsquartier sei mit zahlreichen dort ansässigen Institutionen wie Leopold-Museum, Mumok, Tanzquartier, Zoom-Kindermuseum, und Dschungel bereits jetzt eines der dynamischsten Zentren der Stadt und "beliebter Treffpunkt für Menschen aller Generationen. Es gibt also kaum einen besseren Standort". Ein Mayer symbolisch nicht unrechter Zufall: Der Bauteil grenzt auch an den Platz der Menschenrechte.

HdGÖ-Direktorin Monika Sommer war bei der Präsentation krankheitsbedingt verhindert. Mayer glaubt jene mit der Lösung aber "sehr glücklich". Denn nach Schrumpfung in der Planungsphase gilt das derzeitige Haus mit rund 700 Quadratmetern für die Dauer- und 300 für Wechselausstellungen seit Anbeginn als zu klein, um die Geschichte der Republik seit Ende der Monarchie 1918 abzubilden und zu vermitteln.

Kosten von 39,3 Millionen Euro

Als "nicht ganz so befriedigend" sowie "eines Geschichtsmuseums der Republik eigentlich nicht würdig" bezeichnete denn auch Brunner das derzeitige "Provisorium". Laut Machbarkeitsstudie ist, Stand heute, mit Kosten in Höhe von 39,3 Millionen Euro für den Bau und die Einrichtung des neuen HdGÖ sowie die Absiedelung der Dschungel-Probebühne (sie bleibt aber im MQ) zu rechnen. 27,7 Millionen Euro davon sind seit dem Mitte Oktober vorgestellten Bundesbudget bereits über die kommenden Jahre verteilt bis 2027 dafür budgetiert.

Organisatorisch ändert sich für das HdGÖ vorerst nichts, eine Angliederung an das Parlament ist kein Thema, es hängt weiter wie gehabt an der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB). Das habe sich bewährt. 1,7 Millionen Euro erhält das Haus derzeit aus der Basisabgeltung der ÖNB für den laufenden Betrieb, dass dieser Betrag mit mehr Fläche steigen wird müssen, ist Mayer klar. Und mit den Aufgaben: Es soll sich nämlich die Präsentation auf mehr Raum auch inhaltlich verbreitern und die Geschichte Österreichs im 19. Jahrhundert mit abbilden. Bisher schon hätten Sommer und ihr Team "trotz nicht bester Voraussetzungen großartige Arbeit geleistet".

70.000 Besuche zählte das Haus im vergangenen Jahr, ein Großteil waren Schulklassen (ein Drittel) und Touristen (zusammen mit in Österreich lebenden Nichtstaatsbürgern machen sie die Hälfte des Publikums aus). Noch mehr soll das Haus ab 2028 aber zum "Ort für Debatten, Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit und Gegenwart, ein Reflexionsort zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen" (Mayer) werden. Mayer beteuerte die Notwendigkeit eines solchen Hauses, "um Österreich heute zu erklären, zu verstehen, zu hinterfragen, neu zu durchdenken" mit Blick "auf geopolitische Krisen und deren Auswirkungen auf Österreich und gesellschaftspolitische Verhärtungen".

Symbolik geht verloren

Die Räumlichkeiten in der Neuen Burg sollen mit Auslaufen des Mietvertrags für die dortigen Flächen an das Kunsthistorische Museum zurückgehen. Es betreibt in dem Bau die Rüstkammer, das Ephesos-Museum, das Weltmuseum und die Sammlung Alter Musikinstrumente und war beim Einzug des HdGÖ schon über dessen Flächenforderung verstimmt.

Nächster Schritt im Realisierungsprozess wird nun Anfang 2024 die Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs sein. Damit soll eine, laut Mayer, "ein bissl eine unendliche Geschichte" ein gütliches Ende finden. Von einer "pragmatischen Lösung" sprach sie folglich auch. Was damit nämlich passé ist, ist der für die Republik im Guten wie Schrecklichen zentrale Ort Heldenplatz als Standort, wo Adolf Hitler 1938 den "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland verkündete (der "Hitler-Balkon" genannte Altan hätte ursprünglich Teil des HdGÖ werden sollen, die Bespielung wurde vom Bundesdenkmalamt aber nicht goutiert), wo heute die Leistungsschau des Bundesheeres am Nationalfeiertag stattfindet und wo andererseits die Zweite Republik immer wieder zivilgesellschaftliche und demokratische Statements setzt. Etwa 1993 mit dem von SOS-Mitmensch organisierten "Lichtermeer", das seither zum Vorbild für viele weitere geworden ist, jüngst etwa – nach dem Angriff der Hamas auf Israel – gegen den Antisemitismus. Diese Symbolik fehlt im Museumsquartier. (Michael Wurmitzer, 13.11.2023)