Erjan Dam und Greta Thunberg auf der Bühne beim Klimaprotest in Amsterdam
Spontan hat Erjan Dam die Rede von Greta Thunberg unterbrochen.
REUTERS/PIROSCHKA VAN DE WOUW

Jener Niederländer, der Greta Thunberg auf einer Kundgebung in Amsterdam nach deren erneut klarer Parteinahme für Palästina im Gaza-Krieg Kontra gegeben hat, warnt vor einer Spaltung der Klimaschutzbewegung. "Wenn Greta Thunberg oder andere führende Aktivisten ständig über die Palästina-Frage sprechen, sorgt das für Uneinigkeit", sagte Erjan Dam dem "Spiegel" am Telefon.

"Menschen, die anderer Meinung sind, werden von solchen Reden abgestoßen. Das schadet der Sache", sagte Dam und forderte: "Die Klimaschutzbewegung sollte sich auf ihr Kernthema konzentrieren: den Klimaschutz." Er jedenfalls sei enttäuscht: "Ich fühlte mich missbraucht – und viele andere Teilnehmer auch."

Spontan auf die Bühne gesprungen

Dam, ein pensionierter Physiotherapeut, der sich laut "Spiegel" seit Jahren für den Natur- und Gewässerschutz einsetzt, war am Sonntag vor laufenden Kameras auf die Bühne gesprungen und hatte ins Mikrofon gerufen: "Ich bin für eine Klimademonstration hierhergekommen, nicht um politische Ansichten zu hören." Thunberg rief die Teilnehmer daraufhin dazu auf, Ruhe zu bewahren, und skandierte dann mehrfach: "Auf besetztem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit." Sie spielte damit offenkundig auf die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete an.

Mann entreißt Greta Thunberg Mikrofon auf Klimademo
AFP

Nach einer ähnlichen Aktion im vergangenen Monat war Thunberg bereits dafür kritisiert worden, dass sie die israelischen Opfer des Massakers der Hamas vom 7. Oktober mit rund 1.200 Toten nicht gesondert erwähnt hatte. An der Klimademonstration beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter rund 85.000 Menschen – sie war damit die bisher größte derartige Demo in den Niederlanden. Auch Frans Timmermans, der bis August Vizepräsident der EU-Kommission war und nun bei der niederländischen Parlamentswahl am 22. November das Amt des Regierungschefs anpeilt, nahm daran teil.

Mit dem Zug zur Demo

Dam hat zuletzt für die Ökobewegung Water Natuurlijk bei der Wahl zur Verwaltung der niederländischen Wasserwirtschaft kandidiert. Er selbst würde sich nicht als Klimaaktivisten bezeichnen, "aber ich nehme öfter mal an Demonstrationen teil". Er lebt in Geldermalsen und hatte am Sonntag mit etwa 15 Bekannten und Gleichgesinnten aus der Region die knapp eineinhalb Stunden Zugfahrt nach Amsterdam auf sich genommen.

Im "Spiegel"-Interview sagt Dam, er habe Thunberg immer bewundert. "Aber wenn sie jetzt ständig über Palästina statt Klimaschutz spricht, tut das der Klimaschutzbewegung nicht gut." Wie viele andere sei er "extra für diese Demonstration nach Amsterdam gereist". Aber bei dem Protest sei es kaum um den Klimaschutz oder die Umwelt gegangen, "sondern hauptsächlich um das Palästina-Problem".

Enttäuschung bei vielen

Ständig hätten Redner auf dem Podium über den Nahen Osten gesprochen – manche hätten die Stimmung gegen Israel angeheizt. "Dabei waren wir doch gekommen, um für den Klimaschutz zu protestieren." Viele Zuhörer seien so enttäuscht gewesen, dass sie weggegangen seien. Irgendwann sei er auf das Podium gestiegen, um zu sagen, "dass es hier um Klimaschutz geht und nicht um Nahost".

Danach hat sich Dam gleich auf den Weg zum Bahnhof gemacht. Ob er es wieder tun würde, fragt der "Spiegel": "Schwierige Frage. Auf dem Rückweg zum Bahnhof haben mir Menschen gesagt, sie hätten es gut gefunden, dass ich mich getraut und etwas gesagt hätte. Das hat mich gefreut. Aber wird es etwas zum Positiven verändern? Ich weiß es nicht." (APA, red, 14.11.2023)