Die Enthüllungen der internationalen Investigativrecherche "Cyprus Confidential" gewähren einen tiefen Einblick in fragwürdige Geschäfte, die über undurchsichtige Kanäle über Finanzdienstleister in Zypern abgewickelt wurden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem bisher renommierten deutschen Putin-Biografen Hubert Seipel, der nachweislich mit Geldern aus dem Kreml-Umfeld unterstützt wurde.

Cyprus Confidential
Putin und die Macht des Geldes: Einblicke durch die Investigativrecherche "Cyprus Confidential".
Collage: derStandard/Friesenbichler Foto: APA, AP

Der Fall Seipel veranschaulicht auf beunruhigende Weise die Raffinesse von Wladimir Putins Propagandaapparat. Dieser findet willfährige Handlanger, die dazu beitragen, dass sich illiberale Tendenzen über die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ausbreiten können. Über viele Jahre hinweg begleitete Seipel den russischen Präsidenten, stellte sich als "Journalist" dar, wurde als solcher oft zitiert und tingelte durch Talkshows. Allem Anschein nach erhielt er hunderttausende Euro vom Kreml-nahen Oligarchen Alexander Mordaschow, der mittlerweile in der EU sanktioniert ist. Bis zu dieser Enthüllung hatte Seipel in Interviews stets beteuert, kein Sprachrohr Putins zu sein, sondern lediglich die Interessen des anderen verstehen zu wollen.

Ein Leitspruch des Aufdeckungsjournalismus lautet: "Journalismus bedeutet, etwas zu bringen, von dem andere wollen, dass es nicht veröffentlicht wird. Alles andere ist Public Relations." Seipel betrieb demnach PR. Sehr gut bezahlte PR, im Sinne seines Sponsors, im Interesse Putins.

Anbiedern an Moskau

Die Verbundenheit zwischen Seipel und dem russischen Machthaber erinnert an die Beziehung zwischen der FPÖ und Russland. Die österreichischen Freiheitlichen haben als einzige Partei einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland abgeschlossen. Das Anbiedern an Moskau begann bereits unter dem Ibiza-Duo Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, erreichte mit dem skurrilen Hochzeitstanz von Ex-Außenministerin Karin Kneissl mit Putin einen Höhepunkt und wird nun vom jetzigen Parteichef Herbert Kickl fortgesetzt. Letzterer lehnt gemeinsam mit Gleichgesinnten wie dem ungarischen Premier Viktor Orbán und der AfD-Chefin Alice Weidel die gegen Russland verhängten Sanktionen ab.

Erfolgreich sind illiberale Bewegungen dort, wo die Pressefreiheit eingeschränkt wird und unabhängige Medien ausgeschaltet werden. Um solche Angriffe auf demokratische Grundpfeiler abzuwehren, braucht es einen Journalismus, der diesen Namen auch verdient. Ohne ein zuverlässiges Gegengewicht gewinnt die Propaganda zunehmend an Terrain.

Es gilt nicht nur, bezahlte Pseudojournalisten zu entlarven, sondern jenen selbsternannten Medien die Stirn zu bieten, die im Einklang mit populistischen Parteien Krawall machen. Stärke und Wirkung des unabhängigen Journalismus manifestieren sich besonders dann, wenn er sich vernetzt, wie es bei der Kooperation für "Cyprus Confidential" zwischen Paper Trail Media, dem Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ), dem Spiegel, der Washington Post, Tamedia, ZDF, ORF, DER STANDARD und vielen mehr der Fall war.

Starke seriöse Medien sind entscheidend dafür, dass sich mündige Bürger als Grundlage für ihre Wahlentscheidung eine faktenbasierte Meinung bilden können. Nur so kann Putins verborgener Arm, der schon viel zu weit reicht, sichtbar gemacht und bekämpft werden. (Rainer Schüller, 14.11.2023)