Große Aromenorgel, fordernde Reservierungsprozedur: die neue Fine-Dining-Adresse von Nora Pein und Stefan Doubek.
Große Aromenorgel, fordernde Reservierungsprozedur: die neue Fine-Dining-Adresse von Nora Pein und Stefan Doubek.
Gerhard Wasserbauer

Es wird einem nicht ganz leicht gemacht, im neuen Restaurant von Stefan Doubek und Nora Pein zu reservieren. Allein der Vertrag, den man mit der Buchung eingeht, lässt sich nur recht langwierig und seitenlang bis zum Ende runterscrollen. Das ist gut: So hat man Gelegenheit, es sich noch einmal zu überlegen. Schließlich sind pro Person 100 Euro Vorabgebühr fällig. Das Menü kostet 235 Euro, da ist Wasser (elf Euro) noch nicht dabei. Stornos sind bis 48 Stunden vor Buchungsbeginn möglich, refundiert wird aber auch da nur, wenn der Tisch hernach noch vergeben werden kann. Selbst dann sind zehn Euro Bearbeitungsgebühr futsch – pro Gast, nicht pro Tisch.

Man ist also aufs Äußerste gespannt, wenn man endlich vorm Lokal steht. Es ist von außen so dunkel, dass man meint, sich an der Ecke geirrt zu haben. Hat aber Methode, auch drinnen ist alles schwarz in schwarz, bis auf die blendend weißen Sneaker des Personals. Vorab wird man ein paar Stufen hinaufgebeten, um Aperitif zu ordern, dann geht es, Fawlty-Towers-Style, wieder hinunter.

Und zwar ziemlich steil und tief, in eine Art Krypta, mit dem Pass als Altar und der Dreifaltigkeit aus holzbefeuertem Brotbackofen, Glutgrube und Kochstelle als Allerheiligstem. Die Gläubigen sitzen in dämmerigem Halbdunkel, eine prachtvolle Challans-Ente ist, fertig gebraten, als Opferlamm aufgebahrt. Von ihr wird es später eine dünne, bis zur Cremigkeit weiche Scheibe der Brust zum Hauptgang geben.

Die Karte ist, wie heute zusehends üblich, ein recht zufällig wirkendes Durcheinander aus Zutaten, Zubereitungsarten und, hie und da, auch als Gericht identifizierbaren Gängen. Manches kennt man aus China und Japan, anderes aus der klassisch französischen Küche. Cannelés de Bordeaux zum Beispiel, puddingteigige, in speziellen Formen karamellisierte Küchlein, die gemeinhin als Petits Fours gereicht werden und als einer von sechs (!) Dessertgängen vermerkt sind. Kalmar wird hier mit seinem italienischen Namen benannt, der Schlagobers mit seinem französischen ("Crème Chantilly") und die Ribisel mit ihrem bundesdeutschen. Wem das ein bisserl gespreizt vorkommen mag: Ja eh.

Bauchlappen des Thuns wird hier in ein Teigbällchen eingearbeitet, gebacken und mit Yuzu und Ingwer kombiniert
Gerhard Wasserbauer

Aber all das ist fast vergessen, wenn das Essen kommt. Eine Abfolge an kleinen und kleinsten Gängen, von denen viele gerade einen Bissen groß sind, schnell genossen, sobald der Service die Erklärungen und Ausführungen beigesteuert hat. Was auffällt, sind die mächtigen, oft überwältigenden Aromen, mit denen die edlen Proteine bedacht werden. Wildgarnele, mit Senfgurke roh zu einer Paste gehackt, wird in Knusperröllchen gespritzt und mit – nicht unflachsigem – Rinderrohschinken kombiniert. Otoro, der roh so zarte Bauchlappen des Thuns, wird hier in ein Teigbällchen ("takoyaki", siehe Bild) eingearbeitet, gebacken und mit Yuzu und Ingwer kombiniert – virtuos nah an der Derbheit. Auster, in der Glut gegart, bekommt allerhand Sellerie und Zitrus aufgetürmt – ganz köstlich, speziell für Austern-Phobiker. Taschenkrebsfleisch wird mit Kren und Fenchelgrün über ein mit Blunzen-Creme gefülltes Tartelette gehäuft: tolle Deko!

Oh, ein Geleebonbon

Manches, wie der mit Hendlfaschiertem und Chili-Crunch nach Sichuan-Art sehr würzig arrangierte Eistich, ist köstlich scharf und unprätentiös, so etwas kennt man nur aus lässigen Neo-Bistros in London und Paris – und aus dem Naschmarktstandl von Umar, wo Doubek vergangenes Jahr um wenig Geld begeisternd gut aufkochte. Anderes, wie der Räucheraal mit Foie Gras, spielt zwar auf der großen Luxus-Orgel, irgendwie fehlt der suppigen Verbindung aus Rauchfisch und Fettleber aber der Biss – und der Kontrapunkt aus Frische, Konsistenz, Frucht. Unvergesslich gut: Die Pâte de fruits, ein Brombeer-geleebonbon mit Anis- und Zitrusstaub, das einen ganz zum Schluss, zum Digestif, noch in den Himmel hebt! (RONDO, Severin Corti, 17.11.2023)