Buddhastatue
Gautama Buddha im gigantischen Format: Als spiritueller Sendbote entstammt er einem Kontinent, der über viele Jahrhunderte hindurch aus europäischer Perspektive unglaublich weit entfernt schien.
EPA/NYEIN CHAN NAING

Im 19. Jahrhundert stand die gottlose Religion des Buddhismus gleich bei zwei Spitzenvertretern der deutschen Philosophie in hohem Ansehen. Sowohl Arthur Schopenhauer als auch Friedrich Nietzsche fanden lobende Worte für ihn und verglichen ihn vorteilhaft mit den monotheistischen Religionen. Bei Schopenhauer ging die Wertschätzung so weit, dass er eine Buddhafigur auf einer "Konsole in einer schönen Ecke" seiner Wohnung zur Schau stellte und damit gewährleistete, "dass Jeder bei seinem Eintritt schon sieht, wer in diesen ,heiligen Hallen‘ herrscht". Ein Herrgottswinkel der etwas anderen Art.

Rare Informationsflüsse

Während Christen, Juden und Muslime ("Mohammedaner") in der europäischen Geschichte häufig – und nicht immer unter den besten Umständen – aufeinandertrafen, dürfte etwa im 16. oder 17. Jahrhundert die Begegnung mit einem bekennenden und praktizierenden Buddhisten auf zentraleuropäischem Boden eine außerordentlich rare Begebenheit gewesen sein. Die einzige buddhistische Ethnie in Europa waren die am Kaspischen Meer beheimateten Kalmücken, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts zum tibetischen Buddhismus konvertiert waren, aber in deren Gebiet zog es kaum einmal österreichische Reisende hin.

Auch an sonstigen Informationsflüssen darüber, wie der Buddhismus nach Europa kam, haperte es. Abermals Arthur Schopenhauer: "Bis 1818, da mein Werk ("Die Welt als Wille und Vorstellung", Anm.) erschien, waren über den Buddhaismus nur sehr wenige, höchst unvollkommene und dürftige Berichte in Europa zu finden ... Erst seitdem ist nach und nach eine vollständigere Kunde von dieser Religion zu uns gelangt."

Zäsur und Neubeginn

Was nun aber die Kunde vom "Buddhaismus" und dessen historische Wege nach Österreich betrifft, so hat der Historiker Hubert Weitensfelder eine gewichtige Monografie vorgelegt. Sie erscheint im selben Jahr, da die buddhistische Religionsgemeinschaft in Österreich ihre 40-jährige staatliche Anerkennung feiert. Weitensfelder hat am Technischen Museum Wien gearbeitet und ist mit Arbeiten zur Industrialisierungsgeschichte hervorgetreten. Seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Archivar der Buddhistischen Religionsgesellschaft hat ihm Zugang zu einer Fülle von Quellen eröffnet, die in dieses Werk Eingang gefunden haben.

Weitensfelder setzt den Beobachtungszeitraum seiner Arbeit vom 16. Jahrhundert bis "um 1960" an, wo er eine Zäsur und einen Neubeginn in der Geschichte des Buddhismus und seiner Rezeption im Westen ortet. 1959 hatten die chinesischen Besatzer einen Aufstand der tibetischen Bevölkerung binnen etlicher Wochen brutal niedergeschlagen und den 14. Dalai-Lama ins Exil in Indien vertrieben. Die politischen Ereignisse fachten die Neugier und Reiselust vieler junger Menschen aus den USA und Europa an, die sich in Nepal und Indien unter die religiöse Diaspora mengten und aus den asiatischen Weisheitslehren Gegenmodelle zu einer als oberflächlich und leer empfundenen westlichen Konsumgesellschaft extrahieren wollten. Auch der Zenbuddhismus japanischer Provenienz wurde in diesen Jahren zur verbreiteten Mode.

Scharfer Kontrast

Die Buddhismusbegeisterung zur Mitte des 20. Jahrhunderts, mit der Weitensfelders Darstellung endet, steht in durchaus scharfem Kontrast zu manchen zeitlich vorhergehenden Beobachtungen und Einschätzungen. So erschienen etwa dem aus Linz stammenden Jesuiten Johann Grueber (1623–1680 oder 1684) die buddhistischen Priester in China als "abergläubische, götzendienerische Leute von einfältiger Leichtgläubigkeit", die anfänglich mit ihrer Seelenwanderungslehre große Verehrung genossen, diese aber bald wieder verspielten.

Zur besseren Kontextualisierung und Verortung des ostwestlichen Nachrichtenflusses schildert Weitensfelder eingangs die geografischen Verbreitungsgebiete des Buddhismus in Asien und deren Geschichte in historischen Abrissen. Dem folgt eine Fülle biografischer Angaben zu frühen Asien-Reisenden, die als wichtige und oft auch einzige Informationsträger der Gegebenheiten auf einem Kontinent fungierten, der aus zentraleuropäischer Perspektive "sowohl geografisch als auch religiös-mental unglaublich weit entfernt" schien.

Sechs Gruppen von Reisenden ortet der Autor: Publizisten und Schriftsteller; bürgerliche Reisende und Privatiers; Militärangehörige; Kaiserhaus und Adel; Handelsbeauftragte und Konsuln sowie Forscher. Obwohl das Gros der Reisenden männlichen Geschlechts war, finden sich unter ihnen auch vereinzelt Frauen wie etwa die Autorin Ida Pfeiffer, die 1850 ein Buch über eine Chinareise veröffentlichte, das dem Gegenstand der Beschreibung allerdings nur mangelhaft gerecht wurde. Die Journalistin Alice Schalek, Kriegsberichterstatterin der "Neuen Freien Presse" (und in dieser Eigenschaft eine der Lieblingsfeindinnen von Karl Kraus), bereiste 1911 und 1913 Burma, Java, Siam und das vietnamesische Tonking (Weitensfelder hat die Namen von Ländern und Orten durchgängig in ihrer historischen Schreibweise beibehalten). Frucht dieser Reise war das Buch "In Buddhas Land", in dem sie mit schwärmerischen Beschreibungen einen "neuen expressiven Ton in die österreichische Reiseliteratur und damit auch in die Beurteilung des Buddhismus" einbrachte.

Vage Kenntnis

Aus den Schilderungen der Reisenden ließen sich mühelos etliche Abenteuerromane verfertigen. Weitensfelder beschreibt nicht nur, wie religiöse Sitten und Gebräuche wahrgenommen wurden, sondern auch soziale Strukturen, Rechtsprechung, Architektur, Esskultur, Gerüche im öffentlichen Raum (ein Dauerthema) und so fort. Die unterschiedlichen Tonfälle, in denen berichtet wird, reichen vom Schwärmerischen über neutrale Zurückhaltung bis hin zum Abschätzigen und Herablassenden. Erzherzog Franz Ferdinand, der China kannte, schrieb anlässlich eines Aufenthalts in Batavia (Jakarta) der chinesischen Bevölkerung einen "misstrauischen, hinterlistigen Charakter" und ein sich "in crassem Egoismus verzerrendes (sic!) Wesen" zu.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts – vgl. Schopenhauers eingangs zitiertes Statement – war die Kenntnis der fernöstlichen Religionen ausgesprochen vage und porös, dann allerdings nahm die ernsthafte Beschäftigung mit diesem Thema Fahrt auf. In Österreich schrieb etwa 1842 der später in Graz lehrende Moraltheologe Johann Nepomuk Ehrlich (1810–1864) eine Monografie mit dem Titel "Religionen des Morgenlandes", in der er freilich mit dem Buddhismus sehr ungnädig ins Gericht ging ("Wahrhaft eine Erlösungstheorie der schauderhaftesten Verzweiflung!").

Den Boden für eine Auseinandersetzung mit fernöstlichen Weisheitslehren bereiteten einerseits neue Wissenschaften wie Sinologie, Japanologie, Indologie oder Ethnologie, aber auch eine Vielzahl von teils extravaganten, teils dubiosen geistigen Strömungen: Spiritismus, Okkultismus, Theosophie und so fort. Angebliches Arkanwissen und selbstersonnene Kosmologien wurden frohgemut mit buddhistischen Lehren amalgamiert, so etwa bei der Spiritistin Adelma von Fay (1840– 1925), die Maria, Buddha und den christlichen Märtyrer Laurentius zu ihren Schutzgeistern erkor.

Große Sympathie

Aus der engeren religiösen Sphäre diffundierten buddhistische Ideen und Überzeugungen vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in enormem Ausmaß in andere Bereiche, etwa in die Philosophie, wo Ernst Mach große Sympathien für den Buddhismus hegte, oder in die Literatur, die Kritik und die bildende Kunst. Hermann Bahr schrieb 1891 einen Essay über den Buddhismus, Fritz Mauthner setzte sich mehrfach kritisch mit ihm auseinander und verfasste eine Erzählung mit dem Titel "Der letzte Tod des Gautama Buddha" (1913). In weniger ausgeprägter Form ist auch bei Arthur Schnitzler und Robert Musil vom Buddhismus die Rede, desgleichen in der fantastischen Literatur von Gustav Meyrink und Karl Hans Strobl. Auch auf dem Gebiet der Volksbildung bemühte man sich, den Buddhismus verständlich zu machen. In der Wiener Urania wurden ihm zwischen 1892 und 1961 nicht weniger als 319 Veranstaltungen gewidmet.

Weitensfelder gebührt das Verdienst, ein Forschungsgebiet erhellt zu haben, das bis jetzt nur wenig ausgeleuchtet war. In ihrem imposanten Materialreichtum ist seine Monografie eine faszinierende Fundgrube, die nicht nur die unmittelbar am Thema Interessierten in ihren Bann ziehen wird. (Christoph Winder, 27.11.2023)