Thanksgiving ist ein wunderbares Fest. Familien versammeln sich am vierten Donnerstag im November um eine festlich gedeckte Tafel. Es wird gegessen, getrunken, geredet und gelacht. Egal welche Religion, Parteizugehörigkeit oder Herkunft, Thanksgiving ist für alle da. Es ist ein urtypischer amerikanischer Feiertag, der nicht nur mit einem Truthahngelage, sondern auch mit Football-Spielen und Paraden gefeiert wird. In New York findet die riesige Macy's Parade am Donnerstag in der Früh statt, vor den Familiengelagen. Snoopy im Nasa-Anzug, "Paw Patrol" oder ein Schlumpf fliegen durch die New Yorker Straßen. Im Laufe des Nachmittags werden dann Football-Spiele im Fernsehen übertragen. Für NFL-Fans ein Saisonhöhepunkt.

Paw Patrol im Flug
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Vor allem die Kinder jubeln, wenn die Ballons während der Thanksgiving-Parade in New York City vorbeisegeln.
Stella Schuhmacher

Geschichte

Die Tradition von Thanksgiving reicht bis zum November 1621 zurück. Die Pilger, die auf der Mayflower Ende 1620 eingetroffen waren, feierten in Plymouth ihre erste gute Ernte, die mit Unterstützung des Stammes der Wampanoag angebaut worden war. Bei Thanksgiving-Umzügen in Schulen in den Vereinigten Staaten tragen Kinder meist selbstgebastelte Kopfbedeckungen, die einen mit Federn geschmückte Kopfbänder, die anderen schwarze Papierhüte. Es ist eine Tradition, die sich auf eine Geschichte stützt, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde: Einheimische Ureinwohner Amerikas hießen die mutigen, bahnbrechenden Pilger zu einem feierlichen Festmahl willkommen. Der Hintergrund ist um einiges komplizierter.

Bedeutender und weniger bekannt war der Friedensvertrag, den die englischen Siedler und die Wampanoag sieben Monate zuvor geschlossen hatten und der 50 Jahre anhielt. Es war der erste offizielle Vertrag zwischen englischen Siedlern und amerikanischen Ureinwohnern und ein seltenes Beispiel für die Zusammenarbeit. Die Wampanoag waren zu dem Zeitpunkt durch vermutlich von Europäern eingeschleppte Krankheiten stark dezimiert und geschwächt. Sie brachten den nur schlecht auf die klimatischen Bedingungen vorbereiteten Engländern bei, wie man Getreide anpflanzt, wo man fischt und jagt. Diese Fähigkeiten erwiesen sich als entscheidend für das Überleben der neuen Kolonie. Im Gegenzug erwarteten die Wampanoag von den Pilgern Hilfe im Kampf gegen ihre Feinde, die Narragansett.

George Washington und Abraham Lincoln

Sowohl während des Unabhängigkeitskrieges als auch im amerikanischen Bürgerkrieg besannen sich die jeweiligen Präsidenten auf die Wichtigkeit eines Erntedankfestes. Im Dezember 1777 feierten 13 Kolonien ein solches Fest, um den Sieg der amerikanischen Kontinentalstreitkräfte über die Briten in der Schlacht von Saratoga zu feiern. George Washington war zu dem Zeitpunkt Oberbefehlshaber. Es war das erste Mal, dass alle 13 Kolonien gemeinsam einen Tag der Danksagung begingen. 1789 rief George Washington als Präsident der Vereinigten Staaten erneut zum Thanksgiving-Tag auf. Der Kongress hatte ihm empfohlen, einen nationalen Tag der Danksagung und des Gebets auszurufen, um das Ende des Unabhängigkeitskrieges zu zelebrieren. George Washington beging den Feiertag, indem er in die Kirche ging und dann Geld und Essen an Gefangene und Schuldner in New Yorker Gefängnissen spendete.

1863 erklärte schließlich Präsident Abraham Lincoln in einem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land den letzten Donnerstag im November zum Thanksgiving-Tag: "Ich lade daher meine Mitbürger in allen Teilen der Vereinigten Staaten ein (...), den letzten Donnerstag des nächsten Novembers als einen Tag der Danksagung und des Lobes für unseren gütigen Vater, der in den Himmeln wohnt, zu begehen", hieß es in der Proklamation. Und weiter: "Und inbrünstig um das Eingreifen der allmächtigen Hand zu bitten, die Wunden der Nation zu heilen und sie wiederherzustellen, sobald dies mit den göttlichen Absichten vereinbar ist, um in den vollen Genuss von Frieden, Harmonie, Ruhe und Einheit zu kommen."

Football und Paraden

Auch das Abhalten von Thanksgiving-Football-Spielen hat eine lange Tradition. 1876 wurde das erste College-Match zwischen Princeton und Yale ausgetragen. American Football steckte noch in den Kinderschuhen, aber der Sport und die Thanksgiving-Tradition setzten sich schnell durch. Thanksgiving ist vielleicht der wichtigste Feiertag im NFL-Kalender. Die Detroit Lions und die Dallas Cowboys, beide seit 1978 feste Bestandteile des Thanksgiving-Spielplans, werden in diesem Jahr in zwei Divisions-Rivalitätsspielen im Einsatz sein: Green Bay Packers gegen Detroit Lions und Washington Commanders gegen Dallas Cowboys. Sängerin Dolly Parton wird die Halbzeitperformerin der Cowboys am heurigen Thanksgiving Day sein. Das letzte Spiel des Tages bestreiten dann die San Francisco 49ers gegen die Seattle Seahawks.

Snoopy, Schlümpfe und Minions

Die Thanksgiving-Parade in New York gibt es seit fast 100 Jahren. Anlässlich des Thanksgiving Day 1924 veranstaltete das Kaufhaus Macy's die erste Parade. Auf der sechs Meilen langen Strecke waren damals lebende Elefanten und Kamele aus dem Central Park Zoo zu sehen. Die Tiere wurden 1927 durch überdimensionale Gummiballons ersetzt. Heuer fliegen insgesamt 25 Riesenballons Central Park West und 6th Avenue hinunter, darunter einige neue Ballons wie Beagle Scout Snoopy, Blue Cat & Chugs oder die Figur Po aus "Kung Fu Panda". Sie treten neben den altbewährten Klassikern wie "Paw Patrol", dem Minion Stuart oder Pikachu auf. Neben den Ballons werden 31 Umzugswagen und elf Marschbands im Einsatz sein. Die Parade startet beim American Museum of Natural History auf der Upper West Side, zieht entlang des Central Parks bis zum Columbus Circle und endet auf dem Herald Square, wo sich das Kaufhaus Macy's befindet. Bei zu starkem Wind können die Ballons nicht fliegen oder ihre Flughöhe muss reduziert werden, um Unfälle zu vermeiden. Das war zum Beispiel 2019 der Fall. Wegen der Pandemie fand die Parade 2020 in stark reduzierter Form und ohne Zuseher statt. Lediglich im Fernsehen konnte man sie mitverfolgen.

Ronald McDonald Ballon im Tiefflug 2019
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Bei zu starkem Wind fliegen die Ballons tiefer oder müssen überhaupt am Boden bleiben.
Stella Schuhmacher

Am Mittwoch vor dem Thanksgiving Day befindet sich die Upper West Side rund um das Naturhistorische Museum anlässlich des "Inflation Day" bereits im festlichen Ausnahmezustand. Das Aufblasen der riesigen Ballons nimmt nämlich einige Zeit in Anspruch. Straßen sind abgesperrt, und Fernsehteams bauen ihre Technik auf. Eltern und ihre begeisterten und ungeduldigen Kinder warten in langen Schlangen auf Einlass, um die mit Netzen und Sandsäcken am Boden festgehaltenen Ballons zu bestaunen. Anwohner in den Gebäuden rund um das Museum of Natural History veranstalten "balloon viewing parties". Wenn man jemanden kennt, der in diesen Gebäuden wohnt, kann man sich das lange Anstehen sparen. Auch eine Mitgliedschaft in der New York Historical Society, die ebenfalls direkt daneben liegt, ermöglicht den Mitgliedern eine weniger anstrengende Besichtigung der Ballons. Manche Familien erneuern nur aus diesem Grund ihre Museumsmitgliedschaft jährlich.

Aufgeblasene Ballons am Boden
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Am Mittwoch vor Thanksgiving warten die Ballons am Boden auf ihren Einsatz. Mit Netzen und Sandsäcken werden sie am Boden fixiert.
Stella Schuhmacher

Begnadigung des Truthahns

Auch die Begnadigung eines Truthahns ist mittlerweile zur allseits liebgewonnenen Tradition geworden. 1963 begnadigte Präsident John F. Kennedy den ersten Truthahn, der satte 55 Pfund (fast 25 Kilogramm) schwer war. "Er möge weiterwachsen", scherzte JFK. "Es ist unser Thanksgiving-Geschenk an ihn." Die improvisierte Truthahn-begnadigung fand nur wenige Tage vor Kennedys schicksalhafter Reise nach Dallas statt. Unter Präsident Reagan wurde die Tradition ritualisiert. Seit 1989 und der Präsidentschaft von George W. Bush findet die rituelle Begnadigung eines Thanksgiving-Truthahns jedes Jahr statt, zur Freude von Tierschützern und auch Journalisten, die gerne darüber berichten und Scherze machen. Präsident Biden begnadigte 2021 sogar zwei Truthähne, die Peanut Butter und Jelly hießen. Dabei meinte er scherzhaft, dass ein Peanut-Butter-und-Jelly-Sandwich sein Lieblingsmittagessen sei. Am Beginn dieser Woche begnadete Präsident Biden anlässlich seines 81. Geburtstages ebenfalls zwei Truthähne, Liberty und Bell.

Der krönende Abschluss in Backform

Der Höhepunkt des Thanksgiving Days ist natürlich das gemeinsame Essen. Einige traditionelle Elemente des Festmahls sehen folgendermaßen aus, wobei Variationen natürlich möglich sind: Truthahn mit Brotfüllung und dazu passender Bratensoße, grüne Bohnen mit Pilz-Rahm-Soße und Zwiebelringen, Kohlsprossen, Mais oder Maisbrot, Süßkartoffelpüree und Cranberry-Sauce. Zum krönenden Abschluss werden dann natürlich Pies aufgetischt. Sie gibt es in allen möglichen Variationen: Pumpkin Pie, Pecan Pie oder Apple Pie zählen zu den Klassikern, aber der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wer nicht alles selbst herstellen will, kann sich in den Geschäften mit fertigen Gerichten eindecken. Für diejenigen, die selber kochen, gibt es detaillierte, fast an Schlachtpläne erinnernde Zeitpläne, an welchem Tag man am besten welches Gericht vorbereitet. Die "New York Times" beispielsweise testet jedes Jahr die besten Rezepte und liefert den Lesern und Leserinnen neben appetitanregenden Fotos Kochanleitungen aller Schwierigkeitsstufen.

Die klassische Truthahnfüllung schmeckt so ähnlich wie Semmelknödel, sie wird allerdings in einer Backform zubereitet. Zutaten variieren, aber einige sind immer dabei: getrocknete Brotstücke, viel Butter und Zwiebeln. Man kann gemahlene Nüsse dazumischen und Kräuter wie Estragon oder Salbei. Salz und Pfeffer dürfen natürlich nicht fehlen. Ansonsten ist das Rezept variierbar, manche mischen Äpfel, Würste oder Kohlsprossen darunter. Ein einfaches Auflaufrezept mit grünen Bohnen ist seit langem beliebt. Es ist sehr gut und einfach in der Zubereitung. Grüne Bohnen, Pilzcremesuppe aus der Dose und gebraten Zwiebelringe, die man ebenfalls kaufen kann, werden im Rohr gebacken. Fertig.

Für Pumpkin Pie kann man den Kuchenboden kaufen oder aus Graham Crackers ganz einfach selbst herstellen. Man mischt Kürbispüree aus der Dose, gesüßte Kondensmilch, zwei Eier und einen Teelöffel Pumpkin Pie Spice, bestehend aus Zimt, Ingwer, Muskat und Gewürznelken, zusammen, leert alles in die Teigschüssel und ab ins Rohr. Guten Appetit! (Stella Schuhmacher, 23.11.2023)