Peter Thiel ist ein Freund der Kryonik. Er will sich nach seinem Tod einfrieren lassen
Milliardär Peter Thiel denkt, die Sache mit der Kryonik sei einen Versuch wert. Lieber würde er freilich gar nicht erst sterben.
APA/AFP/CHANDAN KHANNA

Peter Thiel spricht nicht gerne mit Medien. Dafür, dass er kaum Interviews gibt, weiß man über seine Meinung zum Tod ziemlich viel. Auf die Frage, ob ein Mensch den Tod überwinden könne oder überhaupt solle, sagte er in diesem Jahr: "Wir haben es noch gar nicht versucht. Wir sollten den Tod entweder überwinden oder zumindest herausfinden, warum es nicht geht."

Thiel ist ein Freund der Idee der sogenannten Kryonik. Das bedeutet, dass ein Mensch möglichst schnell nach seinem Tod stark gekühlt konserviert wird – in der Hoffnung, in der Zukunft dank besserer Medizin aufgetaut und wiederbelebt werden zu können.

Der US-Milliardär plant laut einem Bericht des Magazins The Atlantic, irgendwann unter kontrollierten Bedingungen zu sterben, sein Gehirn dann kurz noch mit Sauerstoff versorgen zu lassen, möglichst schnell in ein Eiswasserbad zu gelangen, eine konservierende Flüssigkeit und ein Frostschutzmittel in seine Gefäße zu bekommen und bei minus 196 Grad Celsius in einen Metalltank mit flüssigem Stickstoff bugsiert zu werden. Dort bliebe Thiel so lange, bis die Menschheit ihn auftauen und heilen kann.

Traum der Tech-Milliardäre

Thiel ist einer der Gründer des Bezahldiensts Paypal, Tech-Investor und ein Libertärer. Er verachtet Parteien und staatliche Eingriffe ins Geschäft. Er unterstützte den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. In Österreich kennt man Thiel vor allem, weil Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei ihm als "globaler Stratege" angeheuert hat. Den Wunsch, den Tod zu besiegen, teilt Thiel mit anderen Köpfen des Silicon Valley. Der letzte unerfüllte Traum von Superreichen: Unsterblichkeit.

Kryo kommt aus dem Griechischen und heißt Kälte. Das älteste Unternehmen, das Kryonik anbietet, ist Alcor im US-Bundesstaat Arizona. Dort ist auch Thiel Kunde. Alcor hält in seiner Zentrale in einem Vorort von Phoenix derzeit 224 Patienten tiefgefroren – 86 ganze Körper und 138 Gehirne, teilt man dem STANDARD mit. Seit der Gründung 1972 sammelte man 1.420 Mitglieder. Sie lassen sich die Hoffnung auf ein neues Leben in der Zukunft mindestens 200.000 Dollar (184.000 Euro) kosten und sind bereit, sich dafür konservieren, einkühlen und auftauen zu lassen. Das Hirn allein gibt's um etwa die Hälfte.

Ein zweiter großer Anbieter ist das Cryonics Institute in Michigan, wo man für den ganzen Körper nur 28.000 Dollar (26.000 Euro) berappt. Alcor und das Cryonics Institute geben beide an, gemeinnützig zu sein.

Kryonik ist vor allem in den USA eine Praxis, die vielen Hoffnung macht
"Ich glaube nicht, dass man einen ganzen Körper derzeit so effizient einfrieren kann, dass beim Einfrieren oder Auftauen keine Eiskristalle entstehen. Wenn man zu langsam auftaut oder zu langsam friert, werden sich Kristalle bilden, die wie spitze Nadeln die Zellen zerstören", sagt die Pathologin Renate Kain.
Getty Images/iStockphoto

"Fortgeschrittene Rettungsmethode"

Warum lassen Menschen sich auf das Experiment ein? DER STANDARD sprach mit Klaus Sames, einem der bekanntesten Kryoniker in Deutschland. "Ich schätze das Leben sehr. Dass man für alle Zeiten weg ist, ist keine begrüßenswerte Option. Die Kryonik ist für mich so, wie wenn Sie einen Menschen mit Herzstillstand wiederbeleben. Sie ist eine fortgeschrittene Rettungsmethode, den Tod noch nicht zuzulassen", sagt er. So argumentiert auch Alcor: Man kühle keine Toten ein, sondern pausiere vielmehr den Prozess des Sterbens.

Sames, Mediziner und Altersforscher im Ruhestand, ist mittlerweile 84 Jahre alt. Wäre er dann beim Auftauen in der Zukunft, mit Verlaub, nicht immer noch alt und hätte nur mehr ein kurzes Leben? "Wir müssen uns darauf verlassen, dass die Menschheit lernen wird. Jemanden einfach nur aufzuerwecken, der uralt ist, wäre Blödsinn. Ich hoffe auf die zukünftig sehr fortgeschrittenen Methoden, Altersgebrechen heilen zu können und auch eine Verjüngung zu schaffen", sagt Sames. Für seinen Tod sei mit einem Arzt, einem Balsamierer und einem Bestatter alles besprochen, um ihn kühl zu präparieren für den Flug nach Michigan, wo er beim Cryonics Institute einen Tank gebucht hat.

Die Zentrale von Alcor in Scottsdale, Arizona.
Die Zentrale von Alcor in Scottsdale, Arizona.
Photo courtesy of Alcor Life Extension Foundation

Schäden wohl unvermeidlich

Was sagt die Forschung dazu? Es gebe große Herausforderungen für die Medizin beim Einfrieren, beim Auftauen und auch bei der kurzen Zeitspanne zwischen Tod und Konservierung, sagt Renate Kain, leitende Pathologin der Med-Uni Wien, zum STANDARD. Denn wenn jemand stirbt, zirkuliert das Blut nicht mehr. "Erstens kommt es zu einem Sauerstoffmangel im Gewebe. Man muss daher schauen, dass man schnell kühlt. Beim Gehirn hat man im Schnitt drei Minuten, bis Schäden entstehen. Zweitens stockt nach dem Tod das Blut. Bevor man auf tiefe Temperaturen kühlt, muss man das Blut durch eine Flüssigkeit ersetzen, die Gewebe optimal erhält und eine Art Frostschutz enthält", sagt sie.

Kain hegt auch Zweifel, ob "man einen ganzen Körper so effizient einfrieren kann, dass beim Einfrieren oder Auftauen keine Eiskristalle entstehen". Sie wolle aber nicht ausschließen, dass Kryonik irgendwann einmal funktioniert. "Das sehe ich aber nicht so bald. Man wird es erst wirklich wissen, wenn der Erste aufgetaut wird und gesund durch die Gegend läuft."

Das Prinzip Hoffnung

Viele Mitglieder der globalen Kryonikgemeinde stört die geringe Erfolgsaussicht ohnehin nicht. "Kryoniker leben nach dem Motto: Es gibt eine kleine Hoffnung, dass es weitergeht – und daran klammern sie sich", erzählte der deutsche Arzt Gunter Boden kürzlich dem Focus. Er selbst könne den Tod nicht akzeptieren und sei Kunde des Cryonics Institute. Die Soziologin Valerie Hofmann schreibt in ihrer Masterarbeit an der Uni Wien über Zukunftsvorstellungen von Kryonikern, dass sie ein sehr positives Bild von der Wissenschaft hätten und ihr zutrauten, praktisch alle Probleme zu lösen. Hofmann zog aus zahlreichen Interviews mit Kryonikern den Schluss: "Beruhigend, tröstlich – diese Worte fielen öfter im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Besser als nichts; tröstlicher oder beruhigender als gar nichts. Klingt ähnlich wie die Aussichten von diversen Religionen."

Milliardär Thiel sagte selbst, er erwarte "nicht unbedingt", dass die Sache mit der Kryonik funktioniert, aber sie sei einen Versuch wert. Lieber würde er freilich gar nicht erst sterben. Laut The Atlantic versucht er viel, um sein Leben zu verlängern. Thiel macht eine Paleo-Diät und hat einen Fitnesstrainer. Er denkt darüber nach, ein Nikotinpflaster in seine Tagesroutine aufzunehmen, auch weil Nikotin den Intelligenzquotienten um zehn Punkte steigern könne. Laut dem US-Magazin experimentiert er auch mit Medikamenten wie Semaglutid und Mounjaro, mit denen eigentlich Diabetes behandelt wird.

Kein Vermögen der Welt konnte dem Altern und damit dem Tod aber bisher Einhalt gebieten. Es scheint, als werde Thiel es am Ende doch mit dem eisigen Metalltank in der Wüste von Arizona versuchen müssen. (Lukas Kapeller, 18.11.2023)