Video: Ein Hotel, ein Oligarch und Millionen für die FPÖ.
DER STANDARD

Diese Geschichte spielt in Wien und in Kiew, am Semmering und im Osten der Ukraine. Sie erschließt sich aus Ermittlungsakten, Zeugenaussagen und bislang geheimen Unterlagen zyprischer Briefkastenfirmen.

Es geht um Millionenbeträge aus Osteuropa, die an die FPÖ gegangen sein sollen, und um einen ukrainischen Oligarchen, der als Förderer von Präsident Wolodymyr Selenskyj gilt und derzeit in Untersuchungshaft sitzt.

Alles beginnt mit einem geschichtsträchtigen Prachtbau, der schon Kaiser Franz Joseph und Literaten wie Arthur Schnitzler und Stefan Zweig, als Gauhotel Semmering aber auch hochrangige Nazis beherbergt haben soll: dem Grandhotel Panhans.

Heinz-Christian Strache (vorn) bestreitet, je Geld von Ihor Palyzja (hinten) bekommen zu haben.
derStandard/Friesenbichler Foto: APA (4), Imago (2), Getty Images

An den Glanz der Kaiserzeit konnte das Panhans später nie mehr anschließen, sein Lack bröckelte ab, bis es 2012 in eine Millionenpleite schlitterte.

Als Retter des Panhans tauchte Thomas Schellenbacher auf; ein damals unbekannter Unternehmer aus Niederösterreich, der später für viele Schlagzeilen sorgen sollte und sein Glück mit Geschäften auch in Osteuropa gesucht hat. Seine "IBS Umwelt- und Verkehrstechnik GmbH" werde das Traditionshotel übernehmen und als österreichischer Mehrheitseigentümer fortführen, kündigte Schellenbachers Anwalt am 25. Oktober 2012 an. Unterstützung gebe es aus der Ukraine, der Oligarch und Abgeordnete Ihor Palyzja sei ja zu 25 Prozent an der IBS beteiligt, außerdem war die Rede von einem "internationalen Konsortium".

Späterer Abgeordneter offenbar nur Strohmann

Bislang geheime Unterlagen, die im Rahmen des Rechercheprojekts "Cyprus Confidential" von STANDARD, Spiegel, ORF-Eco und Ö1 ausgewertet wurden, erzählen eine andere Geschichte: Sie legen nahe, dass Schellenbacher keinen einzigen Cent in das Grandhotel Panhans gesteckt hat – sondern lediglich als Strohmann für ukrainische Oligarchen agierte.

So hat die IBS schon am 17. September 2012 ein Darlehen in Höhe von 5,654 Millionen Euro erhalten. Das Geld kommt von der zyprischen "Vensimars Ltd", die nach einer Umstrukturierung zyprischer Firmen im Herbst 2020 der Ehefrau von Ihor Palyzja zugerechnet werden kann. Das Darlehen diene dazu, dass die IBS als Treuhänder für Vensimars 90,74 Prozent der Anteile an der Panhans Hotel GmbH übernehme, heißt es in dem Vertrag.

Von diesem Darlehen gehen laut einem "Agreement" vom 24. Oktober 2012 rund 4,8 Millionen Euro an die Panhans Hotel GmbH. Einen Tag nach der Unterzeichnung dieses Vertrags tritt Schellenbacher erstmals öffentlich als Panhans-Käufer auf. Von der millionenschweren Unterstützung aus der Ukraine erfährt die Öffentlichkeit vorerst nichts.

Kolomoisky 
Ihor Kolomojskyj sitzt derzeit in Kiew in Untersuchungshaft. Er gilt als einer der mächtigsten Oligarchen der Ukraine.
REUTERS/STRINGER

Eigentlich wollte ein mittlerweile verstorbener Wiener Baudienstleister das traditionsreiche Hotel übernehmen. Allerdings konnte er laut Medienberichten nicht mit dem Gebot Schellenbachers mithalten und kaufte so nur die restlichen 9,26 Prozent.

Doch der Käufer war Schellenbacher offenbar nur auf dem Papier – und auch diese Rolle behielt er nur wenige Monate lang. Schon am 26. Februar 2013 verkauft die IBS für einen, wohl symbolischen, Euro ihren Anteil an der Panhans Hotel GmbH an eine wenige Tage zuvor gegründete Panhans Holding Group GmbH. Auch das Darlehen, das die zyprische Briefkastenfirma seiner IBS gewährt hat, geht an die Panhans Holding über, die zunächst einem Mitarbeiter Palyzjas, dann einer Schweizer "Renco Invest AG" gehört.

Somit hat de facto die Familie Palyzja die volle Kontrolle über den Panhans-Komplex. Denn ihr gehört die zyprische Vensimars ebenso wie der größte Teil der Renco Invest. Öffentlich wird vorerst aber der österreichische Strohmann Schellenbacher vorgeschickt.

"Unerwünschte Aufmerksamkeit der Steuerbehörden"

Als die Ukrainer das Panhans auch auf dem Papier unter ihre Kontrolle gebracht haben, beginnen sie, noch mehr Geld in Richtung Semmering zu schicken. Stück für Stück bauen sich die ukrainischen Oligarchen ein kleines Imperium in den Wiener Alpen auf: Mittlerweile gehören weitere Hotels, Restaurants und sogar Anteile an einer Bergbahn zur Panhans-Gruppe. Das weckt auch das Interesse der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die nach Anzeigen jahrelang den Verdacht auf Geldwäsche prüfte, Rechtshilfeersuchen an die Ukraine schickt, die Ermittlungen dann aber einstellt. "Zum einen ist das Hotel eine Immobilie, Wertanlage, ist somit etwas, wo man sehr viel Geld durchfließen lassen kann. Zum anderen habe ich bei wenn das Unternehmen einen bestimmten Umsatz macht, etwas, was ich legal erwirtschaftet habe", sagt die Anti-Geldwäsche-Expertin Elena Scherschneva zum ORF. Denkbar seien prinzipiell etwa fiktive Nächtigungen.

Der langjährige Geschäftsführer der Panhans Gruppe, ein Vertrauter von Palyzja, bestätigte der Recherchegruppe aus STANDARD, Spiegel, Paper Trail Media und ORF, dass dreißig bis vierzig Millionen Euro in den Komplex geflossen sind. Lange Zeit erklärt die zyprische Vensimars aber nicht, wer tatsächlich der Eigentümer der Firma ist – das beklagen Wirtschaftsprüfer auch in einem Audit, also einer interner Prüfung der Firma, für das Jahr 2017. Als die Firmenstruktur im Jahr 2020 geändert werden soll, sorgt sich eine Vertreterin von Palyzja laut geleakter E-Mails, dass der Umbau "riskant ist und möglicherweise unnötige und unerwünschte Aufmerksamkeit der Steuerbehörden auf unsere Firmen lenkt". Auf eine Anfrage reagierte die Frau ebenso wenig wie Palyzja. Mittlerweile ist der Hotelbetrieb geschlossen, es finden nur mehr Kulturevents im Panhans statt. Der Geschäftsführer des Hotels, Viktor Babushchak, sagt zum ORF: ""Selbstverständlich halten wir uns an alle notwendigen Richtlinien, sei es Compliance, Richtlinien usw. Also es ist auf jeden Fall alles geprüft."

Das Grandhotel Panhans am Semmering.
imago images/Volker Preußer

Doch in der Ukraine wurde damals nicht nur das Interesse am österreichischen Tourismus geweckt. Palyzja und andere Oligarchen wie der Milliardär Ihor Kolomojskyj wollten angeblich auch Einfluss auf die österreichische Politik nehmen – und griffen erneut auf Schellenbacher zurück. Der Schweizer Nachrichtendienst attestierte Kolomojskyj, in dessen Medienimperium der heutige Präsident Wolodymyr Selenskyj Karriere gemacht hat, "starke Verbindungen zur russisch-ukrainischen organisierten Kriminalität"; im US-Bundesstaat Delaware läuft ein Gerichtsverfahren, und die US-Behörden haben dem Oligarchen, der auch die zyprische und die israelische Staatsbürgerschaft besitzt, mittlerweile die Einreise verboten.

Treffen in der Ukraine

Trotzdem habe Heinz-Christian Strache Kolomojskyj unbedingt kennenlernen wollen, wie der ehemalige FPÖ-Chef in einer Stellungnahme an die Staatsanwaltschaft angibt. Strache reiste auch mit einigen Begleitern einmal in die Ukraine. Vor den Ermittlern gab Strache an, man habe Kontakte zur Europäisch-Jüdischen Union knüpfen wollen, der Kolomojskyj damals vorstand. Man habe aber nur "dessen rechte Hand Palyzja" getroffen, den Geschäftspartner von Schellenbacher.

Seit Jahren gibt es heftige Gerüchte, dass aus der Ukraine viel Geld an blaue Spitzenpolitiker geflossen sei. Deren Ziel sei es angeblich gewesen, ihrem Verbündeten Schellenbacher ein Nationalratsmandat zu verschaffen. Ein Unternehmer aus Schellenbachers Dunstkreis klagt die Beteiligten sogar auf Provision, weil er den Deal zwischen den Ukrainern und der FPÖ vermittelt habe. Vor den Ermittlern behauptet der Mann, die Partei habe eine "strategische Partnerschaft mit Kolomojskyj" vereinbart. Doch er verliert die Klage – und nach wie vor dementieren alle direkt Beteiligten, dass Geld geflossen sei.

Oliver Ribarich, ehemaliger Bodyguard von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, bei einem früheren Interview mit dem STANDARD.
Lukas Friesenbichler

Zeugen erzählten anderes: So gab der damalige Schwager von Schellenbacher gegenüber der Steuerfahndung an, dieser habe ihm von zehn Millionen Euro "in zwei schwarzen Taschen" erzählt, davon habe er jedoch "nur zwei Millionen an die FPÖ und deren Funktionäre" weitergeleitet.

Laut Aussage eines weiteren Zeugen vor der Staatsanwaltschaft sollten "die Ukrainer als Investoren" für ein Rotlichtetablissement gewonnen werden. Im Zuge dessen soll Schellenbachers Schwager damals auch erzählt haben, dass der Unternehmer in die Politik gehen möchte. "Er hat dabei noch gesagt: 'Was soll DER in der Politik?! Der kann ja nicht einmal reden!'"

"Du musst ihm morgen ein Mitgliedsformular bringen!"

Schellenbacher, der seine ukrainischen Bekannten offenbar auch bei sich wohnen und arbeiten lässt und ihnen so die Rot-Weiß-Rot-Card, also eine Aufenthaltsberechtigung, verschaffte, landete tatsächlich im Nationalrat, wo er von 2013 bis 2017 tätig war – dort fiel Schellenbacher nicht auf. Mehrere FPÖ-Politiker verzichteten unter bis heute ungeklärten Umständen auf ihr Mandat, damit Schellenbacher ins Parlament einziehen konnte. Es sei der Wunsch von Parteichef Strache gewesen, heißt es.

Dessen damaliger Bodyguard Oliver Ribarich erinnert sich, wie er Ende Mai 2013 den eiligen Auftrag von Strache bekam, Schellenbacher zu treffen. "Du musst ihm morgen ein Mitgliedsformular persönlich bringen!", schrieb Strache per SMS. Wenig später stellte die FPÖ den "erfolgreichen Unternehmer" als Kandidaten vor.

Ribarich erinnert sich jedoch auch an blaue Kontakte in die Ukraine. Er erzählt von einem ominösen Treffen mit Vertretern der Panhans-Investoren im Vorfeld der Europawahl 2014. Der FPÖ-Chef habe damals in das schmucke Anwesen eingeladen, das er im Umland von Wien zur Miete bewohnt. Auch der heutige EU-Abgeordnete Harald Vilimsky, der auf eine Anfrage nicht reagierte, und Schellenbacher seien erschienen. Worüber gesprochen wurde, habe Ribarich nicht bekommen – er habe draußen warten müssen.

In dieser Zeit – konkret im Sommer 2013 – habe Ribarich auch eine prall mit Bargeld gefüllte Sporttasche entdeckt, im Kofferraum von Straches Dienstwagen. Diese Fotos werden ab 2019 einmal mehr zu Ermittlungen führen und die Frage aufwerfen, ob Strache und andere der FPÖ Geld aus der Ukraine vorenthalten haben.

Ermittlungen in der Ukraine

Strache sagte dazu, dass kein Geld geflossen sei, Schellenbacher habe nur potenzielle Spender in Aussicht gestellt. Schellenbachers Anwalt verwies lediglich auf die eingestellten Ermittlungsverfahren, statt konkrete Fragen zu beantworten.

In einer weiteren Antwort sprach Strache davon, dass er "nicht auf jeden verleumderischen Schwachsinn, den Oliver Ribarich Ihnen erzählt, reagieren" werde. Als Reaktion auf die Ermittlungen hat die Regierung aus ÖVP und Grünen allerdings angekündigt, der Kauf von Mandaten bei Parteien werde bald illegal sein. Ein konkretes Gesetzesvorhaben wurde eingebracht, ist aber noch nicht endgültig beschlossen.

In Österreich wurden alle Ermittlungen in der Sache eingestellt. Schellenbacher wurde später wegen Betrugs in einer anderen Causa verurteilt, außerdem geriet er in die Schlagzeilen, weil er dem Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek bei dessen Flucht nach Belarus geholfen haben soll. In der Ukraine wird es indes für den Oligarchen Kolomojskyj, dessen Anwalt auf eine Anfrage nicht reagierte, eng: Er sitzt in Kiew wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft, es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Behörden werfen ihm vor, gemeinsam mit Verbündeten Milliarden aus der ukrainischen Privatbank geschleust zu haben, die er einst mitgegründet hat – und zwar vor allem in jener Zeit, in der sein damaliger Vertrauter Palyzja rund um den Semmering investierte und der angebliche Mandatskauf stattgefunden haben soll. Die Frage, ob es auch Spuren nach Österreich gibt, ließen ukrainische Behörden auf Anfrage unbeantwortet. Ein Konto bei der Privatbank Ukraine hatte übrigens auch: die zyprische Vensimars, die den Panhans-Kauf finanzierte. (Fabian Schmid, Renate Graber, Oliver Das Gupta, Michael Nikbakhsh, Timo Schober, 16.11.2023)