Wie nachhaltig und ökologisch agiert Österreich bei der Versorgung öffentlicher Einrichtungen mit Lebensmitteln? Gemäß dem Aktionsplan der Regierung ist der Bund bei der Beschaffung von Bio dem Lebensmittelhandel und der Gastronomie weit voraus. Tatsächlich liegen die Anteile für Gemüse, Obst, Fleisch und Milchprodukte in biologischer Qualität unter "ferner liefen".

Der Anteil des Essens außer Haus wächst. Österreichs Bauern sehen in öffentlichen Küchen große Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und der Ernährung.
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Mindestens 25 Prozent der für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Justizvollzugsanstalten, Mensen, Kantinen und Kasernen gekauften Lebensmitteln sollten heuer bio sein. Das sind Vorgaben der Regierung, zu denen sie sich im Juli 2021 verpflichtete. Bisher erreichte die öffentliche Hand aber, wie der STANDARD berichtete, Bioquoten von nur rund vier Prozent.

Fall für den Rechnungshof

Führenden Biounternehmern platzt nun der Kragen. Sie wandten sich am Donnerstag in einem Beschwerdebrief an das Finanzministerium. Das Landwirtschaftsministerium will ihres Wissens nach das Thema in den Ministerrat einbringen. Erwägt wird überdies, auch den Rechnungshof zu involvieren.

"Wir fordern, dass das, was vereinbart wurde, auch eingehalten wird", sagt Johannes Gutmann, Gründer von Sonnentor, einem der ältesten Biobetriebe Österreichs. Seine Branche habe mit Blick auf stärkere öffentliche Beschaffung investiert und Arbeitsplätze geschaffen.

Da es an Absatz im eigenen Land jedoch fehle, wichen viele in den Export aus. Auch er habe deswegen zeitweise bis zu 90 Prozent seiner Lebensmittel im Ausland verkauft.

"Mit Regionalität vertröstet"

Die Biobranche werde mit Regionalität vertröstet, ärgert sich Gutmann. Konventionelle Fleischproduktion, die auf 700 Millionen Kilo Soja basiere, das für Schweine aus Südamerika importiert werde, habe damit nichts zu tun.

Er selbst habe mit Millionen Euro einen Bioschlachthof aufgebaut, erzählt Manfred Huber, Eigentümer von Sonnberg Biofleisch – auch in Erwartung von mehr Bio in öffentlichen Küchen. In der Realität beliefen sich Bioquoten bei Ausschreibungen der Bundesbeschaffung bis auf rare Ausnahmen bei null – obwohl man damit zwei Fliegen mit einer Klappe erwische: Der nationale Aktionsplan sieht vor, auch den Anteil an Tierwohl-Produkten zu erhöhen.

Die Angst vor Engpässen hält Huber für vorgeschoben. "Wir produzieren mehr Bio, als in Österreich gebraucht wird."

Gegen Mauern sieht sich auch Christian Stadler rennen. Der Gründer des Biogemüselieferanten Morgentau versuchte vergeblich, eine Universität zu beliefern. Er vermisse in öffentlichen Küchen Transparenz und Flexibilität, sagt er. Der Absatz abseits der Eigenmarken großer Supermärkte sei für die Biobranche essenziell. Öffentliche Ausschreibungen gehörten endlich entbürokratisiert.

"Verschwendung von Steuergeld"

Fast eine halbe Milliarde Euro würden jedes Jahr für die Reparatur von Schäden durch konventionelle Landwirtschaft aufgewendet, rechnet Andreas Achleitner vom gleichnamigen Biohof vor. Diese Folgekosten ließen sich durch mehr Bio ebenso reduzieren wie Klimastrafzahlungen in Milliardenhöhe, die Österreich aufgrund hoher CO2-Emission drohen.

"Nicht auf mehr Bio umzustellen, können wir uns nicht leisten", ist Barbara Holzer-Rappoldt überzeugt, die den Verein "Enkeltaugliches Österreich" leitet. Nicht zuletzt gehe es um Verschwendung von Steuergeldern. Entsprechende Fragen gehörten daher wohl auch dem Rechnungshof gestellt.

Was fordern Bioproduzenten konkret? Öffentliche Ausschreibungen mit mehreren Jahren Laufzeit, die verpflichtende Bioanteile bei Lebensmitteln ignorierten, gehörten wiederholt. Großküchen müsse man bei der Umstellung besser beraten. Vor allem aber brauche es eigene Bio-Lose. Ohne diese kommen reine Biolieferanten nicht zum Zug.

Aufträge verteilen sich auf wenige Großhändler. Diese loben ihre Biomarken. Ihr Interesse, mehr kleine regionale Bioanbieter zu listen, ist angesichts des damit verbundenen höheren Aufwands jedoch naturgemäß überschaubar.

"Nicht zuständig"

Wie reagiert die öffentliche Hand auf Versäumnisse rund um den Aktionsplan? In der Bundesbeschaffung sehe man keine Verantwortung, diesen umzusetzen, ließ diese die Biobranche wissen. Für nicht zuständig hält sich auf Anfrage des STANDARD auch das Finanzministerium, dem die BBG untersteht.

Auf Nachfrage bei der Bundesbeschaffung lässt diese wissen, dass ihr das tatsächliche Abrufvolumen von BIO-Lebensmitteln durch die öffentliche Hand nicht vorliege, da Kunden ihren Bedarf auch abseits der Rahmenvereinbarungen deckten. Sie gehe daher davon aus, dass die Quote an beschafften Bio-Produkten höher sei als derzeit kolportiert. Wichtig sei, Kunden verschiedene Möglichkeiten zu bieten, um die Einhaltung der Kriterien des Aktionsplans zu erfüllen, etwa über ein dynamisches Beschaffungssystem, heißt es weiter. Wird es künftig mehr eigene Bio-Lose geben? "Vor jeder Ausschreibung wird neu evaluiert, ob im Hinblick auf die Marktstruktur die Segmentierung in spezifische Bio-Lose zielführend ist."

Im Klimaministerium wird betont, im eigenen Haus für die jährlich rund 2000 Veranstaltungen zu fast 100 Prozent bio einzukaufen. Der Aktionsplan gelte selbstverständlich auch für die Bundesbeschaffung. Diese berate bei der Umsetzung, überwache sie jedoch nicht. Das obliege den Ministerien. Kontrollrechte habe man auch selbst keine. Der Aktionsplan wirke in vielen Bereichen. Das Ende der Fahnenstange sei jedoch sicherlich noch nicht erreicht. (Verena Kainrath, 17.11.2023)

Der Artikel wurde um 10:14 um eine Stellungnahme der Bundesbeschaffung (BBG) ergänzt.