Vergangenen Mittwoch wurde in Apia, der Hauptstadt des südpazifischen Inselstaats Samoa, das neue Partnerschaftsabkommen der EU mit den sogenannten AKP-Staaten unterzeichnet. Es umfasst insgesamt 106 Vertragsstaaten (27 EU-Mitglieder sowie 79 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks) und vereint damit mehr als 1,5 Milliarden Menschen auf vier Kontinenten. Es soll die in Jahre gekommen entwicklungspolitische Kooperation der Lomé- und Cotonou-Abkommen in eine zeitgemäße Form überführen. Wobei der breiten Öffentlichkeit wohl nicht bewusst ist, dass es sich bei dieser EU-AKP-Kooperation der letzten 50 Jahre um die weltweit größte vertraglich verbindliche Nord-Süd-Kooperation handelt.

Apia Samoa
War Verhandlungsort für ein neues Abkommen mit der EU: Apia, die Hauptstadt von Samoa.
AP/New Zealand Herald/Dean Purcell

Seit den 1970er-Jahren versucht die EU mit einem ganzen Bündel an entwicklungspolitischen Maßnahmen – und unter Einsatz vieler Milliarden an Steuermitteln – die ehemaligen Kolonien der EU-Mitglieder (mit der Besonderheit, dass trotz Brexits die Nachfolgestaaten der britischen Kolonien in dieser EU-Kooperation verblieben) in die Weltwirtschaft zu integrieren und nachhaltige Entwicklung zu garantieren.

Einzigartiger Versuch der EU

Was 1975 in Lomé begann und 2000 in Cotonou den weltwirtschaftlichen Bedingungen angepasst wurde, kommt jetzt in Samoa jedenfalls einmal zu einem Ende: der einzigartige Versuch der EU, mit all diesen Staaten eine privilegierte Partnerschaft auf Augenhöhe zu leben. Der Europäische Entwicklungsfonds (EEF) – immerhin das größte geografische Einzelinstrument der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit (der aktuell elfte und letzte EEF ist mit über 30 Milliarden Euro dotiert) – ist Geschichte. Künftig erfolgt die Finanzierung über das allgemeine Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI).

Auch inhaltlich verschiebt sich die Schwerpunktsetzung. Waren in den Lomé-Abkommen noch klassische Entwicklungspolitik und unter Cotonou ab 2000 die Integration in die Weltwirtschaft zentrale Ziele, so spricht man nun von konkreten und rechtsverbindlichen Bestimmungen zu Migration, legalen Migrationswegen und Rückübernahme. Zu große Erwartungen sollte man daran aber nicht haben, war doch etwa der Abschluss von Rückübernahmeabkommen auch schon im alten Abkommen vorgesehen.

War bisher die Geschlossenheit der AKP-Gruppierung (79 Staaten als gemeinsamer Verhandlungsblock) eine besondere Stärke, so wird diese künftig geografisch aufgespalten: Es gibt nur noch einen gemeinsamen Grundlagenteil, in drei Regionalprotokollen soll den Besonderheiten Subsahara-Afrikas, der Karibik und des Pazifiks Rechnung getragen werden. Kritiker sehen darin eine Schwächung der bisherigen gemeinsamen Strukturen, wenn in Zukunft etwa nur noch die pazifischen Staaten alleine der EU am Verhandlungstisch gegenübersitzen und nicht mehr gemeinsam mit ihren Partnern aus Afrika und der Karibik.

Ungarn wollte freipressen

Über Text und Inhalt des künftigen Samoa-Abkommens hat man übrigens bereits am 3. Dezember 2020 eine politische Einigung erzielt. Die Paraphierung des Abkommens erfolgte am 15. April 2021 in Brüssel. Seither wurde das Abkommen zuerst durch Ungarn und später noch durch Polen blockiert. Ungarn wollte damit EU-Struktur- und Hilfsgelder freipressen und Polen dann auch noch seinen Landwirtschaftssektor vor Agrarprodukten aus der Ukraine schützen. Dieses Verhalten zeigt auch die veränderte Interessenlage der EU nach erfolgter Osterweiterung: Viele der mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten haben kaum oder offen gesagt kein Interesse an globaler Entwicklungspolitik.

Um in Kraft zu treten, muss das Samoa-Abkommen auch noch von einer Mindestauswahl und -zahl der 106 Vertragsparteien geschlossen oder ratifiziert werden. Da dies erfahrungsgemäß alles seine Zeit braucht, wird es – wie vorgesehen – zu einer vorläufigen Anwendung des Abkommens ab 1. Jänner 2024 kommen. Österreich hat diesbezüglich eine Erklärung abgegeben, dass dies erst nach Abschluss des erforderlichen innerstaatlichen Verfahrens, also der Ratifizierung durch das österreichische Parlament, möglich sein wird. Angesichts der Bedeutung, die Österreich etwa dem Migrationsteil des neuen Abkommens zumisst, wäre es also im Eigeninteresse Österreichs, dies möglichst schnell anzugehen. (Stefan Brocza, 20.11.2023)