Die Europäische Äsche (Thymallus thymallus) ist eine zentrale und namensgebende Leitfischart der Mittelläufe österreichischer Fließgewässer. Diese Gewässerabschnitte im Übergang von einem kalten, rasch fließenden Gebirgs- zu einem wärmeren, gemächlich strömenden Tieflandfluss werden auch als "Äschenregion" bezeichnet. Die Äsche bevorzugt damit klare, kühle Fließgewässer mit sauberem Wasser. Sie ernährt sich hauptsächlich von Insekten. Besondere Merkmale sind die spitz zulaufenden, mandelförmigen Pupillen und die große Rückenflosse, auch Fahne genannt. Die Fortpflanzung erfolgt im Frühjahr auf flachen Kiesbänken. Übrigens: Der wissenschaftliche Name "Thymallus" leitet sich von der bekannten Gewürzpflanze ab, wonach das frische Fleisch dieses Fisches riechen soll.

Fisch im Wasser
Äschenmännchen im Prachtkleid.
Clemens Ratschan

Natürlicherweise hat sich der Lebensraum der Äsche im niederösterreichischem Kamp-Fluss vom Oberlauf bei Rapottenstein bis in den Mittellauf flussab der heutigen Kampstauseen (Ottenstein, Dobra und Thurnberg) erstreckt. Die Kamp-Wasserkraftsperren haben aber die natürliche Ausprägung des Kamp-Flusses und damit die Fischfauna massiv verändert: Die verringerte Fließgeschwindigkeit in großen Stauhaltungen führt zu einer erhöhten Ablagerung von Feinsedimenten am Gewässergrund.

Dies hat zur Folge, dass der Lebensraum strömungsliebender Flussfischarten wie der Äsche sprichwörtlich im Stau versinkt und somit verloren ist. Die Wasserkraftnutzung führt durch das Abarbeiten vom kalten Tiefenwasser flussab der Kraftwerke zu einer deutlichen Temperaturverschiebung. Der ehemals winterkalte, sommerwarme Kamp hat sich über weite Strecken zu einem winterwarmen, sommerkalten Gewässer gewandelt. In diesem nun sommerkalten Bereich von Wegscheid bis Rosenburg ähnelt das Temperaturegime nunmehr dem Kampoberlauf. So ist durch die Kraftwerksnutzung potenzieller Äschenlebensraum neu entstanden.

Karte
Fischregionen des niederösterreichischen Kamp.
Datenquelle für die Fischregionen: Bundesamt für Wasserwirtschaft (BAW)

Leider ist der Bestand der "Thymianduftenden" in den letzten Jahrzehnten österreichweit aufgrund vielseitiger Veränderungen, etwa durch den Bau von Wasserkraftwerken, stark zurückgegangen. Auch die zunehmende Gewässererwärmung macht ihr zu schaffen. Der Kamp-Mittellauf von Wegscheid bis Rosenburg bietet durch die kraftwerksbedingte Abkühlung aber nunmehr gute Lebensbedingungen für diese Fischart. Allerdings ist eine natürliche Einwanderung aufgrund der Staukette im Oberwasser und des (natürlichen) Fehlens dieser Fischart im Unterlauf nicht möglich. Deshalb wurde ein Projekt zur Ansiedlung der Äsche im Kamp gestartet.

Karte
Aktuelle Verbreitung der Äsche im Einzugsgebietes des niederösterreichischen Kamp und Projektgebiet.
Fischdatenbank Austria (Befischungen 2000 bis 2019) und diverse unveröffentlichte Befischungen

Wie aber soll die Wiederansiedlung der Äsche im Kamp nun gelingen? Ein Umsetzen von andernorts gefangenen Tieren oder gar der Zukauf aus Fischzuchten scheidet aus mehreren Gründen aus. Zum einen zeigen viele Untersuchungen angelfischereilich motivierter Besatzmaßnahmen, dass Besatz mit größeren (fangreifen) Tieren zumeist nicht nur keinen nachhaltigen Erfolgt hat (die Tiere verschwinden wieder sehr rasch), sondern auch Gefahren mit sich bringt (zum Beispiel Verschleppung von Krankheiten). Darüber hinaus sind durch die Vermischung von Fischen unterschiedlicher Flusseinzugsgebiete lokale genetische Anpassungen gefährdet.

Vorgaben für ein ökologisch und artenschutzmotiviertes Projekt zur Wiederansiedelung der Äsche im Mittleren Kamp waren demnach:

Ziele des Projekts bis 2028 sind dabei:

Nach Projektabschluss im Jahr 2028 wird der mobile Brutcontainer wieder abgebaut und an die Große Mühl im Mühlviertel transferiert. In Voruntersuchungen wurde abgeklärt, dass der künftige Äschenlebensraum im Kamp flussab von Wegscheid bis Rosenburg trotz der vorhandenen kraftwerksbedingten Defizite grundsätzlich geeignete Lebensraumbedingungen für die Äsche bietet.

Vor allem bei höheren Abflüssen kommen am Gewässergrund auch gröbere Gesteinsbrocken und Kies in Bewegung und werden flussabwärts transportiert, Geschiebetransport genannt. Die Kampsperren wirken aber als Geschiebesperren, wodurch ein Mangel an locker gelagerten Kiesbänken entsteht, die von Äschen zum Laichen aufgesucht werden. Darüber hinaus werden höhere Abflüsse zum Befüllen der Stauräume genutzt und nicht mehr in den Fluss weitergegeben. Durch das Fehlen von Abflussspitzen kleinerer Hochwässer flussab der Stauseen kommt das Geschiebe am Gewässergrund weniger oft in Bewegung und der Lückenraum der Gewässersohle verstopft mit Sand und Schlamm. Auch dieser Effekt beeinträchtigt die Laichgründe von Äschen. Diese Defizite sollen in der wissenschaftlichen Begleitung untersucht und geeignete Sanierungsmaßnahmen vorgeschlagen werden.

Des Weiteren wurde im Vorfeld sichergestellt, dass Äschen im Oberlauf des Kamp eine vitale, genetisch kampstämmige Population darstellen und als Mutterfische geeignet sind. Zur Schonung der Spenderpopulation werden die Muttertiere wieder in ihr angestammtes Revier flussauf von Zwettl zurückgesetzt und zur Erhaltung einer möglichst großen genetischen Variabilität lediglich einmal zur Vermehrung herangezogen.

Im April 2023 wurde vor Ort in Steinegg am Kamp ein eigens konstruierter Brutcontainer errichtet (dieser Brutcontainer hat den Störcontainer auf der Donauinsel in Wien zum Vorbild). Ebenfalls noch im April wurden im Kamp flussauf von Zwettl laichreife Äschen gefangen. Die Erbrütung der Eier und die Aufzucht der Jungfische erfolgt mit Flusswasser, das vor Ort in den Brutcontainer gepumpt wird. Diese Methode ermöglicht es, ideale und vor allem naturnahe Bedingungen für das Wachstum der Äschen sicherzustellen und wertvolle Erkenntnisse über ihre Entwicklung zu gewinnen.

Fotocollage der Prozesse
Mutterfischfang im Kamp bei Rappottenstein; Außenbecken und mobiler Brutcontainer in Steinegg am Kamp; ein Blick in den Brutcontainer: Die ersten Äscheneier werden erbrütet.
Gerhard Käfel,

Am 10. Oktober dieses Jahres konnten im Rahmen einer feierlichen Eröffnung des Brutcontainers rund 1.200 Jungäschen in den Kamp gesetzt werden. Künftig ist geplant, jährlich circa 50.000 Eier in künstliche Nester, aber auch mehrere tausend Jungfische im Mittleren Kamp zu entlassen. (Gerhard Käfel, Thomas Friedrich, Günther Unfer, Stephanie Popp, 28.11.2023)

Flyer
"Forschungsprojekt Wiederansiedlung der Äsche am Mittleren Kamp", Oktober 2023.
Gerhard Käfel