Ein Arbeiter der Voestalpine vor einem Hochofen
Auch in der siebenten Runden der Verhandlungen haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Metalltechnischen Industrie nicht zusammengefunden. Nun folgen Streiks. In der Voest beginnt der Streik am Dienstag um 14 Uhr.
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Wien – Der mächtige Arbeiterbetriebsratschef der Voestalpine, Karl Schaller, ist empört. Die Gewerkschaft habe ihre Forderung nach einer Lohnerhöhung von 11,6 Prozent auf 10,6 Prozent heruntergesetzt, aber den Arbeitgebern des Fachverbands Metalltechnische Industrie sei das noch immer zu wenig an Zugeständnis. Die Überstundenzuschläge von hundert Prozent sollten halbiert werden, und den Mehrarbeitszuschlag der Teilzeitbeschäftigten wollte man abschaffen. "Das würde vor allem Frauen betreffen, das ist unfassbar", echauffierte sich der Betriebsratschef von Österreichs größtem Stahl- und Verarbeitungskonzern. Das sei unannehmbar. Jetzt beginne der Arbeitskampf schrittweise in allen Teilbereichen der Voestalpine, sagte Schaller – hörbar wütend.

Video: Metaller-KV - Verhandlungen abgebrochen, Streiks werden "vertieft"
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Schrittweiser Ausbau

Produktionsgewerkschaftschef Reinhard Binder kündigte am Montagabend weitere Arbeitsniederlegungen bis zu einem weiteren Verhandlungstermin an. Man werde noch mehr Betriebe und noch mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der insgesamt rund 200.000 Beschäftigten in der gesamten Metallindustrie begeistern für Kampfmaßnahmen. Einige Betriebe würden bereits am Dienstag den Arbeitskampf fortsetzen. Details wollte er nach Abbruch der Verhandlungsrunde gegen 20.30 Uhr noch nicht nennen. Über konkrete Maßnahmen wurde mit dem versammelten großen Verhandlungsteam aus Betriebsratsmitgliedern und Funktionären beraten.

Beobachter gingen von 24-Stunden-Streiks aus, die ab Dienstag pro Betrieb abgehalten werden. Es könnten aber auch längere Ausstände werden, hieß es. Entschieden werde in den Betrieben. "Es geht um die große Verteilungspolitik, da werden wir nicht lockerlassen", sagte Metallgewerkschaftschef Binder.

Weit auseinander

Alles in allem, also inklusive Einmalzahlungen, würden die Arbeitgeber im Schnitt weiterhin 8,2 Prozent an Lohn- und Gehaltserhöhungen anbieten, rechnete deren Sprecher und Fachverbandsobmann Christian Knill vor. Details zum Angebot nannte auch er nicht. Man wäre zu nachhaltigen Erhöhungen, also einer Erhöhung des Prozentsatzes grundsätzlich bereit gewesen, allerdings nur, wenn man im Gegenzug im sogenannten Rahmenrecht eine Verbesserung erzielt hätte, etwa bei Überstunden- oder Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeitkräfte. "Wenn ich mehr Geld haben will, muss ich im Rahmenrecht runter", stellte Knill klar. Sonst würden die Kosten dauerhaft weiter steigen.

Mehr könne sich die Maschinen- und Metallwarenindustrie angesichts der Rezession nicht leisten. Die von der Gewerkschaft verlangte Abgeltung der zurückliegenden Inflation von 9,7 Prozent habe man sowieso immer als unannehmbar abgelehnt. Mit ihrer kompromisslosen Vorgangsweise hätten sich die Gewerkschaftsvertreter in eine Sackgasse manövriert. "Wir lassen uns von weiteren Streiks und Machtdemonstrationen nicht beeindrucken", so der Arbeitgebersprecher. "Unser Angebot steht, wir sind weiterhin verhandlungsbereit und haben weitere Termine vorgeschlagen."

Termine ohne Willen?

Termine ohne Verhandlungswillen sind sinnlos, konterten die Gewerkschafter. "Das ist letztklassig", sagte der Bundesgeschäftsführe der Gewerkschaft GPA, Karl Dürtscher. "Leistung muss sich lohnen, sagt die Wirtschaftskammer. Genau das Gegenteil ist hier der Fall." Es sei nicht akzeptabel, dass jetzt in die Taschen der Beschäftigten gegriffen werde, sie würden sich die Lohnerhöhung dann ja selber zahlen.

Man sei noch immer 3,6 Prozent unter der für die Lohnrunde maßgeblichen Teuerung. Das sei respektlos. "Jetzt wird ein Zahn zugelegt. Jetzt wird länger als für acht Stunden gestreikt", kündigte Binder an. "Es werden sowohl die Streikzeiten als auch die Streiktage ausgeweitet, davon können Sie ausgehen."

Die Beschäftigten in der Metallindustrie sollten jetzt nicht jene sein, die die Zeche zahlen, stellte Dürtscher klar. Selbst die Pensionisten hätten mehr bekommen.

Mehr für untere Lohngruppen

Ein zentraler Bestandteil des Forderungspakets der Gewerkschaften, eine stärkere Erhöhung der Einkommen in den unteren Lohngruppen, blieb laut STANDARD-Recherchen erhalten. Gegenüber dem Angebot aus der Vorwoche stieg der Fixbetrag sogar von 130 auf 150 Euro, allerdings wurden seitens der Arbeitgeber statt 2,7 Prozent Erhöhung nur mehr 2,2 Prozent geboten. Das erhöht die Spreizung noch einmal, Löhne und Gehälter der oberen Besoldungsgruppen würden verhältnismäßig weniger steigen, Niedrigverdiener bekämen mehr als zehn Prozent. Allerdings fand sich die Einmalzahlung von 1200 Euro nicht mehr im Arbeitgeberangebot, dafür aber eine zusätzliche Erhöhung von 1,9 Prozent für alle, was wiederum die oberen Einkommensgruppen bevorzugen würde.

Unannehmbar habe dieses Angebot allerdings eine Giftpille gemacht, schilderten Verhandlungsteilnehmer: Überstunden sollten nach dem Wunsch der Unternehmer unbefristet und in unlimitierter Höhe in spätere Abrechnungsperioden übertragbar gemacht werden. Die Auszahlung von Mehrarbeit wäre damit hinausgeschoben, die Leute würden ihr Geld nicht bekommen. (Luise Ungerboeck, 20.11.2023)