Ein neues Prachtwirtshaus in der Brigittenau, aber mit ganz herrlichem Essen auf Pariser Bistrotischen.
Ein neues Prachtwirtshaus in der Brigittenau, aber mit ganz herrlichem Essen auf Pariser Bistrotischen.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Wer die Küche von Ola Szwarc zu kennen glaubt, weil sie oder er schon im Brösl (Stuwerviertel) nicht genug davon bekommen konnte, darf sich aus etwas gefasst machen. Im Centrala, dem nunmehr eigenen Wirtshaus, das sie gerade mit Lebensgefährten und Co-Koch Nadim Adim eröffnet hat, schmeckt es noch viel besser. Es gibt aber ein Problem: Die Karte ist nicht klein, sie wechselt ständig – ergo will man sich jedes Mal möglichst alles einverleiben, bevor man wieder von dannen wankt. Deswegen nerven die wirklich tollen Hütten: Man ist ihnen nicht gewachsen.

Die Grafikdesigner der Agentur Rosebud haben es besser. Sie sind vor einiger Zeit in ihr neues Büro Ecke Rauscherstraße und Bäuerlegasse gezogen, ein riesiges altes Wirtshaus. Der Festsaal reichte ihnen als Kubatur, so wurde für Schankraum und Küche ein Betreiber gesucht. Über Bekannte fand zueinander, was zusammengehört und so dürfen wir alle uns über Rosebar Centrala freuen. So heißt das neue Lokal von Ola und Nadim. Centrala, weil deren erstes gemeinsames Pop-up in London so geheißen hat und der Name nicht zufällig die Liebe des aus Warschau und Graz gebürtigen Paars zu Mitteleuropa anklingen lässt. Und weil die Rosebuds der Idee von einem mit der Agentur assoziierten (und, ultimative Coolness, tatsächlich mit privatem Eingang ausgestatteten) Wirtshaus doch erheblichen, auch namentlich zu deponierenden Charme abzugewinnen wussten.

Das einst im Hardcore-Rustikal-Look verhunzte Eckwirtshaus wurde komplett entschlackt, mit neuem, gegossenen Boden versehen, mit Bistrotischen aus Paris und alten Bakelit-Lampen über der Budel. Die Schank ist überhaupt ein Prachtstück, von Nadims Stiefvater, einem Schlosser in Wolfsberg, nach bester Pariser Zinc-Manier mit Zinn verkleidet. Hat den Effekt, dass man immer noch einen Aperitif ordert, um länger an diesem Prachtstück lehnen zu können.

Aber dann: das Essen. Lauter Herrlichkeiten, die einen nachhaltig jubeln lassen (also auch dann noch, wenn man schließlich unbeschwert im Bettchen liegt). Unprätenziöses Essen, wie man es, im besten aller Fälle, bei Freunden kredenzt bekommt – aber fast nie im Restaurant.

Saftige Scheiben vom Kochschinken mit gebratenen Pastinaken und englischer Petersilsauce.
Saftige Scheiben vom Kochschinken mit gebratenen Pastinaken und englischer Petersilsauce.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Selbst eingelegte Salz- und Essiggurken, die beim ersten Knack klar machen, wie lange die gemeinsam zentrale Geschichte nun schon vergangenen ist. Dann erdschwere rote Rüben aus dem Rohr, mit Aioli unten und Kren oben exakt in jenes Spannungsfeld zwischen Ost und Süd eingepasst, dass unsere Stadt so existenziell antreibt. Riesenbohnen (wo noch?) mit Dilldressing, so ziemlich das Aufregendste an vegetabiler Konsistenz und Köstlichkeit, das man sich nur vorstellen kann. Briochebrötchen, mit würzigem Schwein einerseits und Maroni und Kraut anderseits gefüllt, explodierende Endorphine am Gaumen.

Teller mit Speisen im Lokal Rosebar Centrala
Foto: Gerhard Wasserbauer

Kohlrabi und Krabben

Grandioser Kochschinken in saftigen Scheiben, mit in Hühnerschmalz gebratenen Pastinaken und seidig englischer Petersilsauce – kann man sich als eine Art besserer Semmelkren vorstellen, ohne Kren, dafür mit Raffinement. Kohlrabi mit Nordseekrabben und Kerbel, eine ätherische Neuinterpretation von Papayasalat mit nordeuropäischen Mitteln, ebenso irre wie gut. In Butter gebratene Pilze mit Majoran und einem Dotter, den man sich zwecks Schmier selbst untermischen darf. Kalbshirn Warszawa, mit Essig, Perlzwiebeln, Maroni zum richtig argen Spiel der Konsistenzen arrangiert. Pie vom Rindswadel samt seinem Markknochen, eine unter krümelig butteriger Verheißung versteckte Herrlichkeit – und, wie alle Hauptspeisen, in riesenhafter Portion serviert. Ein Schüppel knackige, mit Schalotten angemachte Fisolen gibt’s natürlich dazu, wäre ja nicht bekömmlich sonst. So geht es dahin, eines besser als das andere, bis zum Sticky Toffee Pie zum Schluss. Der darf, aber echt jetzt, bitte nie mehr von der Karte. Zumindest bis wieder Sommer ist! (RONDO, Severin Corti, 24.11.2023)

Teller mit Speisen im Lokal Rosebar Centrala
In Butter gebratene Pilze mit Majoran und einem Dotter.
Foto: Gerhard Wasserbauer