Weiterhin wächst die weltweite Nachfrage nach Energie – bisher stieg sie schneller, als erneuerbare Energien erschlossen wurden. Damit kletterte auch die Nutzung fossiler Brennstoffe weiter in die Höhe. Ab kommendem Jahr könnte dieser Trend Geschichte sein.

Eine neue Studie des Thinktanks Climate Analytics zeigt, dass der Ausbau der Wind- und Solarkraft bereits 2023 zum Höhepunkt der Kohlenutzung führen soll. Erdgas werde 2024 seinen Peak erreichen. Setzt sich der aktuelle Trend in der E-Mobilität fort, werde Erdöl 2025 dann dasselbe Schicksal erleben, so die Autorinnen und Autoren. Sie berechnen eine 70-prozentige Chance, dass die Emissionen damit schon im kommenden Jahr zu sinken beginnen.

Bisher konnten die Erneuerbaren den steigenden Energiehunger nicht stillen. Das könnte sich bald ändern.
AFP/GIANLUIGI GUERCIA

Der Bericht baut auf Vorhersagen der Internationalen Energieagentur (IEA), einer Organisation der OECD-Staaten, zur weiteren Entwicklung der CO2-Emissionen auf. Auch sie prognostizierte kürzlich, dass Kohle, Erdöl und Erdgas noch diese Dekade ihren Höhepunkt erreichen werden – sogar wenn die Politik auf ihrem heutigen Kurs bleibe.

Es gibt allerdings auch andere Prognosen, allen voran jene der Organisation erdölexportierender Länder (Opec). Sie will nichts von einem baldigen Rückgang wissen: Erdöl werde seinen Peak nicht vor 2045 erreichen, lässt die Opec wissen. In einer Stellungnahme kritisiert sie, dass gleichzeitig mit Prognosen zum Rückgang der Ölnachfrage häufig auch der Stopp von Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte gefordert werde.

Auch die neue Studie von Climate Analytics warnt vor Investitionen. "Wir können die Klimaziele nur einhalten, wenn Regierungen mit dem Markt arbeiten, um den Erneuerbaren-Ausbau zu unterstützen, und aufhören, die Fossilen zu finanzieren", sagt Claire Fyson, Leiterin der Politikabteilung bei Climate Analytics. Damit die Erderhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf 1,5 Grad begrenzt werden kann, wie die Staaten 2015 vereinbart haben, müsse der Emissionspeak bis 2025 erreicht werden.

Kipppunkt in Sicht?

Allerdings müssten die Emissionen für das 1,5-Grad-Klimaziel nicht nur ihren Höhepunkt erreichen, sie müssten bis 2030 auch um 42 Prozent sinken. Die Rechnung stammt aus dem jährlichen Emissions Gap Report des UN-Umweltprogramms, der am Montag veröffentlicht wurde.

Damit das gelingen kann, muss der Einsatz fossiler Brennstoffe drastisch gesenkt werden. Sie verursachen etwa 90 Prozent der CO2-Emissionen und rund 75 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen. "Wir stehen kurz vor einem Kipppunkt", meint Neil Grant von Climate Analytics. Bald würden die Erneuerbaren anfangen, Kohle, Erdöl und Erdgas zu ersetzen. "Das könnte das Ende der fossilen Wirtschaft einläuten."

Chinas Emissionen könnten schon bald sinken

Besonders betonen die Autorinnen und Autoren, wie schnell die Energiewende in China vorangehe. Bis 2025 werde das Land eine Erneuerbaren-Kapazität von 1500 Gigawatt erreichen – und damit sein Ziel für deren Ausbau bis 2030 bereits fünf Jahre früher erreichen und sogar leicht übertreffen. Das würde die Emissionen des chinesischen Energiesektors auf lange Sicht senken, so Climate Analytics. Geplante Kohleprojekte würden damit Gefahr laufen, wertlos zu werden.

Zwar seien die Marktsignale klar, warnt der Bericht, doch Regierungen könnten die Energiewende deutlich verzögern oder beschleunigen, jeweils abhängig von ihren Entscheidungen. Dazu empfiehlt er: Bis 2030 müsse die globale Erneuerbaren-Kapazität verdreifacht und die Energieeffizienz verdoppelt werden. Die Nutzung fossiler Brennstoffe müsse bis dahin um 40 Prozent fallen. Auf der Klimakonferenz COP 28, die in knapp zwei Wochen beginnt, müssten Regierungen klar zeigen, dass sie es ernst meinen, so Fyson. (Alicia Prager, 22.11.2023)