Man soll in der Krise ja immer auch etwas Positives sehen. Daher lässt sich aus den Geschehnissen der vergangenen Stunden in Berlin Folgendes berichten: Zunächst hat in der sonst so streitlustigen Ampelkoalition niemand empört aufgeschrien, als Christian Lindner (FDP) seine Haushaltssperre verhängte.

Die schlechten Nachrichten sind natürlich: Der Finanzminister trat auf die Bremse, weil die Lage dramatisch ist. Und viele schauen schweigend zu, weil sie gerade auch nicht weiterwissen.

Ampelkoalition
Im Finanzchaos gefangen: der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Finanzminister Christian Lindner (FDP, re.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, li.).
AP/Markus Schreiber

Es fehlen 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen für Klimaschutzmaßnahmen, weil das Verfassungsgericht der Ampel ihre Haushaltstricks nicht durchgehen ließ. Diese schob die ursprünglichen Corona-Mittel am regulären Budget vorbei in einen Sondertopf.

Das Loch jetzt ist schlimm genug, aber es könnte noch hässlicher werden. Denn auch der mit 200 Milliarden Euro gespeiste Wirtschaftsstabilisierungsfonds wackelt und könnte einer Überprüfung der Höchstrichter nicht standhalten. Und aus diesem sind 30 Milliarden Euro schon abgeflossen, unter anderem für die Gas- und Strompreisbremse.

Robert Habeck, grüner Wirtschafts- und Klimaschutzminister, der oft so schöne Reden hält, warnt schon einmal, dass demnächst höhere Preise für Gas, Strom und Fernwärme die Bürgerinnen und Bürger treffen könnten. Und das könnte die Ampel dann schwerlich Wladimir Putin in die Schuhe schieben.

Instrumentenkasten des Schreckens

Die Notlage in Berlin, die Lindner nun zur Haushaltssperre hat greifen lassen, ist hausgemacht, weil die Ampel nicht gesetzes- und verfassungskonform gearbeitet hat. Und die Ampel, die erst vor zwei Jahren als selbsternannte "Fortschrittskoalition" startete, befindet sich nach der Hälfte der Legislaturperiode am Abgrund.

Zunächst muss sie in Ruhe klären, was jetzt zu tun ist. Natürlich: die Ausfälle kompensieren und schon finanzielle Vorsorge treffen für den Fall, dass sie noch eine schallende Ohrfeige vom Verfassungsgericht bekommt.

Aber woher das Geld nehmen, wenn nicht stehlen? Die Schuldenbremse aussetzen? Sie reformieren? Radikal sparen, also dabei im Sozial- und Klimaschutzbereich kürzen? Oder doch bei der Bundeswehr wieder ein wenig abspecken? Infrage käme natürlich auch eine Steuererhöhung, aber das wäre nicht nur ein finanzpolitischer Offenbarungseid, den die FDP ohnehin nicht mittragen würde.

Es ist ein Instrumentenkasten des Schreckens, der vor der Ampel liegt. Dennoch ist Eile geboten. Erstens befindet sich die Ampel mitten in den Beratungen für den Haushalt 2024, der muss wasserdicht aufgestellt sein. Zweitens müssen Bürgerinnen und Bürger so schnell wie möglich Klarheit darüber bekommen, was ihnen bevorsteht.

Zusätzlich wären vielleicht einige Meditationsstunden nicht schlecht. Habeck in seinem Frust meint nämlich, die Deutschen könnten sich bei der Union "bedanken", die habe ja Klage beim Verfassungsgericht erhoben.

Bei allem Verständnis für blanke Nerven und die Notlage: Diese Verdrehung der Tatsachen ist atemberaubend. Schließlich hat das Gericht die Trickserei der Ampel gestoppt. Solche Bemerkungen von Habeck braucht es nicht. Auf eine andere hingegen wartet man gespannt: die von Kanzler Olaf Scholz, wie das alles passieren konnte. (Birgit Baumann, 21.11.2023)