Als Georg Willi 2018 zum ersten grünen Bürgermeister von Innsbruck gewählt wird, liegt politischer Aufbruch in der Luft. Schließlich wurde die Tiroler Landeshauptstadt zuvor ausschließlich von bürgerlichen Oberhäuptern regiert. Von dieser anfänglichen Euphorie ist heute nur wenig übrig: Kaum vollendete Projekte, zahlreiche Konflikte im Gemeinderat und ein Verfahren bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft später möchte der amtierende Bürgermeister seinen Sitz im Rathaus bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl am 14. April dennoch verteidigen.

Wegen des Verdachts der Untreue und des Amtsmissbrauchs rund um einen Sondervertrag für die Ex-Personalamtsleiterin der Stadt war Anfang des Jahres gegen Willi ermittelt worden. Im September wurde das Verfahren eingestellt – es konnten keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden.

Lore Hayek, Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, weist auf die schwierige Gesamtsituation in der Innsbrucker Kommunalpolitik hin: "An gewissen Stellen hat seitens Willi sicherlich das politische Feingefühl und die Erfahrung in der Kommunalpolitik gefehlt" – etwa bei der erfolglosen Umgestaltung des Bozner Platzes, die de facto in einen gemeindepolitischen Kleinkrieg ausartete. Allerdings dürfe man nicht außer Acht lassen, dass die konservativen Parteien nach dem Machtverlust darauf bedacht gewesen seien, bei jeder Gelegenheit gegen Willi und seine Partei zu schießen.

An gewissen Stellen habe dem Innsbrucker Stadtchef Georg Willi (Grüne) in seiner bisherigen Amtszeit das "politische Feingefühl" gefehlt, sagt Politologin Lore Hayek.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Nach der Wahl 2018 schlossen die Grünen mit der ÖVP, der bürgerlichen Liste Für Innsbruck und der SPÖ eine Viererkoalition. Diese Allianz zerbrach bereits 2021 aufgrund zahlreicher Meinungsverschiedenheiten. Willi verkündete daraufhin das freie Spiel der Kräfte, was in den folgenden Jahren zu wechselnden Mehrheiten und gegenseitigen Blockaden führte. Für die Bürgermeisterwahl im Frühling haben die Grünen den 64-Jährigen allen Schwierigkeiten zum Trotz erneut zum Spitzenkandidaten ernannt.

Geeint – und doch entzweit

Auf bürgerlicher Seite mischen in Innsbruck gleich mehrere Parteien mit. Seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es neben der ÖVP die Liste Für Innsbruck. Mit dem Gründer und späteren Landeshauptmann Herwig van Staa, Hilde Zach und Christine Oppitz-Plörer hat die Splitterpartei dreimal hintereinander das Bürgermeisteramt bekleidet.

Im September dann die Überraschung: Nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung wollen sich Für Innsbruck, die ÖVP und der Tiroler Seniorenbund als ÖVP-Teilorganisation bei der anstehenden Wahl erstmals geschlossen zeigen. Sie verkünden, dass sie geeint mit der neu gegründeten Liste Das Neue Innsbruck antreten wollen. Als gemeinsamer Kandidat wird Florian Tursky auserkoren, aktuell in Wien Staatssekretär für Digitalisierung.

Der türkise Noch-Staatssekretär Florian Tursky bei der Präsentation des Listennamens "Das Neue Innsbruck". Er ist Spitzenkandidat des Bündnisses aus Für Innsbruck, ÖVP und ÖVP-Seniorenbund.
APA/WOLFGANG EDER

Doch schon kurze Zeit später ist die historische Einigkeit wieder Geschichte. ÖVP-Politiker Johannes Anzengruber, aktuell einer der beiden Vizebürgermeister, kündigt überraschend an, ebenfalls kandidieren zu wollen – denn dem Bündnis aus ÖVP, Für Innsbruck und Seniorenbund gehe es nur "um Machterhalt, nicht um Inhalte". Daraufhin wird Anzengruber aus dem Gemeinderatsklub der ÖVP ausgeschlossen. Nun möchte er mit einer – derzeit noch namenlosen – eigenen Liste in den Wahlkampf starten.

Kommunalpolitik-Expertin Hayek ist sicher: "Anzengrubers Antreten hat der ÖVP insgesamt sicherlich geschadet." Immerhin sei nun das Narrativ der geeinten Kraft und Versöhnung auserzählt. Die Politologin hält es für unwahrscheinlich, dass Anzengrubers Liste ein fulminantes Ergebnis erzielt: "Es gab zwar schon in der Vergangenheit erfolgreiche Splitterparteien in Innsbruck, aber Kandidaten wie Herwig van Staa waren, trotz stadtpolitischen Engagements mit einer eigenen Liste, immer noch ÖVP-Mitglied." Ganz nach dem Motto "Nicht alles auf eine Karte setzen" seien sie so von der Mutterpartei toleriert worden.

Konkurrenz aus dem eigenen Stall: Der mit der ÖVP im Unfrieden lebende schwarze Vizebürgermeister Johannes Anzengruber erklärte Mitte Oktober, bei der Wahl als Bürgermeisterkandidat mit einer eigenen Liste anzutreten.
APA/MATTHIAS BLIEM-SAUERMANN

Der jetzige ÖVP-Machtkampf könnte aus Hayeks Sicht dem FPÖ-Kandidaten Markus Lassenberger in die Karten spielen. Der weitgehend unbekannte Kandidat ist bisher lediglich in die Schlagzeilen geraten, als sich seine Lebensgefährtin, die ÖVP-Gemeinderätin Mariella Lutz, öffentlich für Anzengruber aussprach. Auch sie wurde daraufhin vom ÖVP-Gemeinderatsklub ausgeschlossen.

Urbane Themen für die Kleinstadt

Für Willi könnten die innerparteilichen Konflikte der ÖVP eine Chance sein. Zusätzlich bringt ihm die Zusammensetzung der Wählerschaft Vorteile. Schließlich sind bei Gemeinderatswahlen im Unterschied zu Landtagswahlen auch EU-Bürgerinnen und -Bürger wahlberechtigt. Dabei handelt es sich um fast 20.000 zusätzliche Personen, vorwiegend Studierende – also ein "urbanes, junges und hochgebildetes Publikum mit weltmännischen Ansprüchen an die Kleinstadt", sagt Hayek. Vor allem die Vereinbarkeit von Urbanität und Kleinstadtcharakter rücke daher künftig in den Vordergrund. Willi kann hier in Sachen Mobilität, Gastronomie und Kultur punkten.

Eine Prognose für die Wahl möchte Hayek dennoch nicht abgeben: "Die vergangenen Wochen zeigen, dass sich in Innsbruck alles in kurzer Zeit ändern kann." Mit einer Bürgermeister-Stichwahl rechnet sie allerdings fix.

Wer hat im neuen Rathaus in der Maria-Theresien-Straße künftig einen Platz? Und wer schafft es an die Spitze der Landeshauptstadt? Das wird am 14. April entschieden.
ROBERT PARIGGER / APA / pictured

Für die SPÖ möchte Stadträtin Elisabeth Mayr ins Rennen gehen. Die Nationalratsabgeordnete Julia Seidl tritt als Spitzenkandidatin der Neos an. Neben den Bundesparteien kämpfen Gerald Depaoli und Mesut Onay – Kandidaten der regionalen Parteien Gerechtes Innsbruck und Alternative Liste Innsbruck – um den Bürgermeistersessel. Für die KPÖ kandidiert Pia Tomedi.

Der Einzug in den Gemeinderat könnte für die Kleinparteien diesmal zur Herausforderung werden: Im Oktober hat der Tiroler Landtag auf Initiative einer Mehrheit im Innsbrucker Gemeinderat für dort eine Vierprozenthürde beschlossen. Damit ist Innsbruck neben Wien die einzige österreichische Stadt, die eine solche Sperrklausel auf Gemeindeebene hat.

Mehr als nur Verwaltung

Welchen Stellenwert haben Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen in Österreich aber überhaupt? Neben dem Bundespräsidenten werden in Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich und dem Burgenland auch Bürgermeisterinnen und Bürgermeister direkt gewählt. Bei der letzten Bürgermeister-Stichwahl lag die Wahlbeteiligung in Innsbruck dennoch nur bei 44 Prozent.

Diese Entwicklung ist in ganz Europa zu beobachten: "Der Bevölkerung erscheinen nationale Wahlen wichtiger, weshalb kommunale Entscheidungen in puncto Wahlbeteiligung gerne auf der Strecke bleiben", erklärt Hayek. Schuld sei neben der geringeren medialen Berichterstattung vor allem das Image der Kommunalpolitik: "Für Bürgerinnen und Bürger ist das eine reine Verwaltungssache. Nur wenige nehmen diese Ebene auch als eine politische Mitgestaltungsmöglichkeit wahr." (Anna Tratter, 27.11.2023)