Das Glücksrad hat sich für Binance-Gründer Changpeng Zhao ausgedreht. Er soll jahrelang kriminelle Kunden vor Behörden beschützt haben.
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Die Kryptobörse Binance soll unter ihrem ehemaligen Chef und Gründer Changpeng Zhao nicht nur Geldwäsche betrieben und Sanktionen umgangen haben. Wie die "New York Times" berichtet, wurden kriminelle Aktivitäten und solche mit terroristischem Hintergrund jahrelang geduldet. Mehr noch: Binance soll aktiv versucht haben, diese Kundschaft vor den Ermittlungsbehörden zu schützen.

Zhao, der mittlerweile mit einem dreijährigen Berufsverbot belegte Gründer der Börse, muss 50 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen zahlen. Er bekannte sich schuldig, gegen Geldwäschegesetze verstoßen zu haben. Binance akzeptierte eine Rekordstrafe in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar, dazu kommen 2,5 Milliarden Dollar als Teil eines Deals mit dem Justizministerium.

Aus den Gerichtsakten geht hervor, wie die Kryptobörse gegen kriminelle Aktivitäten vorging – nämlich gar nicht. Mehr noch: In vielen Fällen arbeiteten Zhao und sein Management hart daran, das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), also Ermittler des US-Finanzministeriums, auf Distanz zu halten. Damit sollte die kriminelle Kundschaft geschützt werden, so der Vorwurf. Ermittler sprechen sogar davon, dass Kriminelle und Terroristen für Binance "Premium-Kunden" waren.

Im April 2019 warnte ein Technologieunternehmen die Kryptobörse, dass der militärische Flügel der Hamas, die Qassam-Brigaden, Geld sammelten, indem sie um Bitcoin-Spenden baten. Daraufhin soll der leitende Angestellte der Kryptobörse versucht haben, die Rolle von Binance bei den Transaktionen herunterzuspielen.

Finanzierung der Hamas

Schon im Juli 2020 wies ein Partnerunternehmen Binance darauf hin, dass manche Nutzer eindeutig mit der Hamas und dem "Islamischen Staat" in Verbindung stehen. Ein ranghoher Binance-Mitarbeiter räumte ein, dass diese Kunden "extrem gefährlich für unser Unternehmen" seien, wies aber seine Untergebenen an, zu prüfen, ob einer von ihnen als VIP gilt – ein Nutzer, der genug Geschäfte auf der Börse macht, um eine Sonderbehandlung zu rechtfertigen –, bevor er sein Konto schließt. "Lasst ihn sein Geld nehmen und verschwinden", wies der Manager seine Untergebenen an.

Zhao selbst soll aktiv daran gearbeitet haben, Kunden vor dem Zugriff der Ermittelnden zu schützen. Laut dem Bericht wies er seine Mitarbeiter an, herauszufinden, wie man Nutzer in den Vereinigten Staaten als irgendwo anders auf der Welt ansässig klassifizieren könnte, damit sie nicht ins Visier der amerikanischen Behörden geraten. Den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zufolge wies Zhao Binance-Mitarbeiter unter anderem an, mit US-Kunden per Telefon zu kommunizieren, um keine Spuren zu hinterlassen.

Fairerweise muss aber auch dazugesagt werden, dass aus den Gerichtsakten auch hervorgeht, dass Binance sehr wohl auch Schritte unternahm, um den Zugang aus Ländern auf der US-Sanktionsliste zu sperren. Zhao und Binance selbst haben sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Warnung an andere

Dass die US Behörden scharf gegen Binance vorgingen und derart hohe Strafen verhängten, ist laut Carl Tobias, Professor an der University of Richmond School of Law, kein Wunder. Die US-Regierung versuche gerade ein Exempel zu statuieren. Man wolle eine Botschaft an den Rest der Kryptobranche schicken, welche Folgen die Missachtung von geltenden Gesetzen haben kann. Auch wenn das ein kluger Schritt sei, das Problem der Terrorfinanzierung werde man so nicht vollständig lösen, so der Rechtsprofessor.

Kundschaft zieht Geld ab

Laut Daten des Blockchain-Analyseunternehmens Nansen beliefen sich die Abflüsse bei Binance in den ersten 24 Stunden nach der Bekanntgabe der Strafe auf mehr als eine Milliarde US-Dollar. Allzu viele Kopfschmerzen sollten diese Abhebungen bei Binance aber nicht auslösen. Laut dem Analyseunternehmen verbleiben immer noch Vermögenswerte in Höhe von mehr als 65 Milliarden Dollar auf der Plattform.

Finanziell dürfte Binance das neuerliche Kryptobeben überstehen. Die Frage ist allerdings, ob das Unternehmen das verlorengegangene Vertrauen zurückgewinnen kann, gibt Tobias zu bedenken.

Kein Wunder, meint der auf Finanzrecht spezialisierte Anwalt Ron S. Geffner gegenüber der "New York Times". Die gesamte Kryptobranche sei zu schnell gewachsen und die Akteure überfordert gewesen, was letztendlich auch zu illegalen Aktivitäten führte. Binance sei in einer Zeit entstanden, als Regulierungen und staatliche Aufsicht über die Kryptobranche noch kein so großes Thema waren. 2017 hätte sich auch niemand Gedanken darüber gemacht, wie man nötige Sicherheitsvorkehrung trifft. "Es war die perfekte Umgebung für Kriminelle, um zu gedeihen", so Geffner.

CZ brachte vor einem Jahr FTX ins Wanken

Zhao jedenfalls darf sich drei Jahre lang nicht mehr bei Binance engagieren. Er sehe sich ohnehin nicht mehr als Chef eines "Start-ups", teilte der Gründer der Plattform mit. Den Chefposten bei Binance übernimmt Richard Teng, der bisher für lokale Märkte zuständig war. Er galt seit längerem als aussichtsreicher Kandidat.

Zhao oder CZ, wie er in der Branche genannt wird, galt viele Jahre als der erfolgreichste Kryptomanager. Er war es auch, der letztlich für den Sturz der Kryptobörse FTX mitverantwortlich war, weil er einen Bank-Run mit ins Rollen brachte. Kurz darauf brach der große Binance-Konkurrent FTX zusammen. Dessen Gründer, Sam Bankman-Fried, wurde wegen Betrugs schuldig gesprochen. (pez, 24.11.2023)

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