New York – Zwar gestand Sam Bankman-Fried vor Gericht Fehler ein, alles in allem sei er aber unschuldig. Viel mehr schien nie hinter der Verteidigungsstrategie des einstigen Starunternehmers der Kryptobranche zu stecken. Und dann ging es recht schnell. Knapp fünf Stunden hatten die zwölf Geschworenen gebraucht, um den FTX-Gründer in allen sieben Anklagepunkten schuldig zu sprechen. Damit wird der einstige Star der Krypto-Szene künftig wohl in einem Atemzug mit anderen verurteilten Betrügern wie Bernie Madoff oder Jordan Belfort genannt. Letzterer diente als Vorbild für den Film "Wolf of Wall Street".

Die Liste mit Vorwürfen liest sich spektakulär. Die Staatsanwaltschaft lastete SBF, unter diesem Kürzel trat er stets auf, unter anderem Betrug, Veruntreuung, Geldwäsche sowie illegale Wahlkampffinanzierung an.

Vor gut einem Jahr hatte es die FTX zerrissen, innerhalb weniger Tage brach das Unternehmen nach einem Bankrun zusammen, und es stellte sich heraus: Mehrere Milliarden Dollar fehlten, der 31-Jährige soll sie abgezweigt haben, um seinen Hedgefonds Alameda Research (siehe Infobox) und seinen extravaganten Lebensstil zu finanzieren. Den Fonds hatte er 2017 gegründet, um aus Spekulationen auf Kursunterschiede Profit zu schlagen, er machte damit ein Vermögen und legte so die Basis für FTX.

SBF steht aufrecht und hört sich den Schuldspruch an. Das Bild ist eine Zeichnung aus dem Gerichtssaal.
FTX-Gründer Sam Bankman-Fried drohen im schlimmsten Fall bis zu 115 Jahre Gefängnis. Das gilt in der Praxis als unwahrscheinlich, Rechtsexperten rechnen mit 20 bis 30 Jahren.
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Zur Zeit der Insolvenz fehlten knapp zehn Milliarden Dollar, wie man heute weiß, wurden insgesamt fast 14 Milliarden Dollar an Kundengeldern entwendet. Neben Zahlungen an Alameda sollen Gelder als Kredite an FTX-Manager gegangen sein, der Rest für politische Spenden und Risiko-Kapitalinvestments.

Kurzer Prozess

Die Verhandlung war eigentlich für sechs Wochen anberaumt, doch nun gibt es bereits nach vier Wochen einen Schuldspruch. Bis zu 115 Jahre Haft drohen Bankman-Fried insgesamt, dass es zu so einer Strafe kommt, gilt aber als unwahrscheinlich. Juristen gehen von einem Strafmaß zwischen 20 und 30 Jahren aus. Das Urteil will der Richter am 28. März 2024 verkünden. Der rasche Schuldspruch und die kurze Prozessdauer deuten darauf hin, dass die Beweise der Staatsanwaltschaft erdrückend waren. Die Anklage hatte unter anderem Millionen Seiten digitaler Beweismittel gesammelt, darunter Text- und E-Mail-Protokolle sowie Code-Ausschnitte, die zeigen, wie FTX Kundengelder an Alameda überwiesen hat. Zudem gab es schwer belastende Audiodateien von Gesprächen mit einst eng Vertrauten.

Seine Eltern, Jus-Professoren an der renommierten Uni Stanford, Joseph Bankman und Barbara Fried, saßen in der zweiten Reihe des Gerichtssaals und hielten sich an den Händen. Beide versenkten ihren Kopf in den Händen, als sie das Geschworenen-Urteil hörten. Die Anwälte des FTX-Gründers werden voraussichtlich Berufung einlegen. Man zeigte sich enttäuscht und sei nach wie vor von der Unschuld von SBF überzeugt.

Eine Zeichung und eine Frau und ein Mann legen die Hände in den Kopf.
Barbara Fried und Joseph Bankman, SBFs Eltern, sind niedergeschmettert ob des harten Schuldspruchs.
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Der Zusammenbruch

Bankman-Fried hatte nach dem Uni-Abschluss am MIT als Kryptowährungshändler beim Brokerhaus Jane Street angeheuert und mit Wetten auf Bitcoin-Preisunterschiede an Börsen in den USA und Asien ein Vermögen gemacht. Im Jahr 2019 gründete er die Kryptobörse FTX, deren Aufstieg phänomenal verlief. In weniger als drei Jahren erreichte das Unternehmen eine Bewertung von 32 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) und verwahrte Milliardenwerte im Auftrag seiner Kundinnen und Kunden.

Von der Kleinanlegerin bis zum Profiinvestor mussten dann im November 2022 sehr viele Menschen schmerzlich erfahren, dass FTX ein sehr instabiles Kartenhaus war. Zwischenzeitlich war es die zweitgrößte Kryptobörse der Welt, doch innerhalb weniger Tage zerbrach das Konstrukt. Der Kollaps erschütterte die Kryptobranche schwer und riss die Kurse in den Keller. Relativ zeitgleich soll Bankman-Fried den ehemaligen Anwalt von FTX, Can Sun, gebeten haben, "rechtliche Begründungen" zu finden, warum ein paar Tage vor der Insolvenz sieben Milliarden Dollar an Kundengeldern fehlten.

Video: Ex-Krypto-Star Bankman-Fried schuldig gesprochen.
AFP

Schwer belastende Kronzeugen 

Neben den erdrückenden Beweisen der Anklage waren es wohl auch die Aussagen der Kronzeugen, die die Jury zu dem schnellen Schuldspruch veranlasst haben. So sagte etwa sein Freund aus Studienzeiten und FTX-Technikchef Gary Wang aus, er habe unter anderem Software manipulieren müssen, um Alameda Research unüblich hohe Kreditlinien zu ermöglichen. Ähnlich klang die Aussage vom früheren Chefingenieur Nishad Singh. Er sprach von einem "riesigen Loch" in den Finanzen und von Ausgaben von mehreren Hundert Millionen Dollar für Partnerschaften mit Prominenten.

Und dann war da noch SBFs Ex-Lebensgefährtin Caroline Ellison. Die frühere Chefin von Alameda Research hatte ihm in dem Verfahren unter anderem vorgeworfen, er habe sie dazu gedrängt, Kreditgebern eine irreführende Alameda-Bilanz vorzulegen. Sie habe in ständiger Angst gelebt, dass die Wahrheit eines Tages herauskommen werde, gestand sie unter Tränen. Durch die FTX-Pleite sei ihr ein Stein vom Herzen gefallen. "Ich fühlte eine Erleichterung, dass ich nicht mehr lügen musste", sagte sie. Trotz des Deals mit der Staatsanwaltschaft könnte auch ihr eine Gefängnisstrafe drohen.

"Fehler ja, Betrug nein"

Sam Bankman-Fried hat nie bestritten, Fehler gemacht zu haben, die Betrugsvorwürfe hat er jedoch stets zurückgewiesen. "Wir dachten, wir könnten vielleicht das beste Produkt auf dem Markt bauen", sagte Bankman-Fried. "Im Grunde genommen kam das Gegenteil davon heraus. Viele Menschen haben gelitten – Kunden, Angestellte –, und das Unternehmen ging schließlich bankrott." Bankman-Fried nannte als einen Fehler, kein spezielles Team zum Risikomanagement zusammengestellt zu haben.

SBF hätte nicht in den Zeugenstand treten müssen, andernfalls hätte er jedoch keine Chance bekommen, seine Sicht der Dinge darzustellen. Ein Jury-Urteil muss einstimmig fallen, hätte er also einen oder eine Geschworene von seiner Version überzeugt, hätte es noch keinen Schuldspruch gegeben. Doch ebenso wie mit FTX scheiterte er auch an diesem Versuch. (Andreas Danzer, 3.11.2023)