Im italienischen Nobelort Sirmione am Ufer des Gardasees gibt es viele Villen, aber die Villa Ansaldi ist eine der prächtigsten. Der gründerzeitliche Prunkbau mit Türmen und Erkern liegt inmitten einer barocken Parklandschaft. Vorn, Richtung See, findet sich ein großer Swimmingpool gleich am Seeufer. Ein Hafen für die 20-Meter-Motoryacht darf auch nicht fehlen; ebenso wenig wie ein Hubschrauberlandeplatz.

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Die "Villa Ansaldi" am Gardasee ist die mutmaßliche private Wohnstätte René Benkos in Sirmione am Gardasee – und zugleich führt sie die Signa Holding als "Repräsentation Italien".
Screenshot Google Maps

Es sei die Villa des österreichischen Immobilien- und Handelsmagnaten René Benko, ist man sich in Sirmione sicher. Es handle sich um seine "private Residenz", schreibt einitalienischer Blogger; in deren Carport fänden sich "mehrere italienische Sportwagen, unter anderem ein Ferrari F40". Lokalmedien aus Italien berichten ebenfalls, dass die Villa Benko privat gehöre. "Das weiß in Sirmione jeder", behauptet ein Einheimischer.

Signa oder Benko?

Doch wer auf der Website des Signa-Konzerns nachsieht, beginnt sich zu wundern. Dort – auf der Liste der Unternehmensstandorte – wird die angeblich privat genutzte Villa als Signas "Repräsentation Italien" angeführt (siehe Faksimile unten).

Wie jetzt? Benko privat? Oder der Signa-Konzern, der zwar von Benko gegründet wurde, an dem aber auch zahlreiche weitere Investoren beteiligt sind, etwa der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner?

Derartige Fragen bei der Villa Ansaldi fügen sich in ein Muster. Wo genau die Grenze zwischen Benko und dem Signa-Konzern verläuft, weiß man in dem hochgradig intransparenten Konstrukt mit rund tausend einzelnen Unternehmen häufig nicht.

Problematische Verquickung

DER STANDARD berichtete in den vergangenen Wochen über die problematische Verquickung betrieblicher und privater Angelegenheiten. So gibt es im Signa-Imperium Teilunternehmen, bei denen ein hochrangiger Signa-Manager und enger Benko-Vertraute namens Marcus Mühlberger persönlich als unbeschränkt haftender Gesellschafter fungiert – gewissermaßen privat. Außerdem wurde ein Signa-Luxusresort (es liegt ebenso wie die Villa Ansaldi am Gardasee) nur wenige Wochen vor den aktuellen Turbulenzen abgetreten. Es ging von der Signa Holding an eine Stiftung im Einflussbereich Benkos. Die Signa meinte zu letzterem Fall nur, es habe sich um "eine ganz normale Transaktion zu einem marktüblichen Preis" gehandelt.

Auf der Signa-Website wird die Villa als
Auf der Signa-Website wird die Villa als "Repräsentation Italien" geführt.
Screenshot Signa-Website

Die Frage, was wirklich Signa ist und was Benko, dürfte auch Arndt Geiwitz interessieren. Der deutsche Sanierungsexperte und Steuerberater steht seit Anfang November an der Spitze des taumelnden Konzerns, der in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckt. Geiwitz folgt auf Benko, der auf Druck seiner Mitinvestoren rund um Haselsteiner abtreten musste. Geiwitz arbeitet derzeit die intransparente Struktur der Signa auf, um herauszufinden, wie viel Geld der Konzern benötigt, um nicht pleitezugehen – was laut Insidern bald bevorstehen könnte. Bei dieser Untersuchung ist es unumgänglich, in Erfahrung zu bringen, was überhaupt zum Konzern gehört.

Firma in Luxemburg

Was also hat es mit der Villa Ansaldi auf sich? Gehört sie wirklich Benko privat? Und wenn ja, was sucht die Signa dort? Laut italienischem Grundbuch steht die Luxusimmobilie im Eigentum der Firma Landgraf S. A. mit Sitz in Luxemburg. Deren Geschäftsführer: ein luxemburgischer Steuerberater. Wer dahinter die Eigentümer der Landgraf S. A. sind, das lässt sich nicht feststellen, weil das luxemburgische Handelsregister es nicht ausweist.

Ein Signa-Kenner behauptet, dass hinter der luxemburgischen Landgraf eine Stiftung in Liechtenstein stehe, hinter der wiederum Benko stecke. Beweisen jedoch lässt sich das nicht. Bei der liechtensteinischen Stiftung soll es sich um eine sogenannte hinterlegte Stiftung handeln, die diskreteste Art der Stiftung überhaupt. Festzustellen, wer als wirtschaftlich Berechtigter hinter einem solchen Konstrukt steckt, ist schlicht unmöglich.

Villenmieterin Signa

Fest hingegen steht, dass die ominöse Firma Landgraf, Eigentümer der Villa Ansaldi, ihr Objekt samt Einrichtung im November 2021 vermietet hat – an die Signa Holding. Das zeigt der Mietvertrag, der dem STANDARD vorliegt.

Von außen sieht man nicht viel von der Villa.
Von außen sieht man nicht viel von der Villa.
Screenshot Google Street View

Demnach läuft das Mietverhältnis bis 31. Oktober 2035. Die Miete beträgt 20.000 Euro monatlich, wobei diese Summe jedes Jahr um die Inflationsrate erhöht wird. Am Anfang war eine Kaution von 240.000 Euro zu hinterlegen. Darüber hinaus trägt die Mieterin, also die Signa, sämtliche Kosten, etwa für "Strom, Wasser usw.", oder für "die Instandhaltung des Parks um die Villa", so der Mietvertrag.

"Guter Familienvater"

Die Mieterin Signa Holding habe die Immobilie "mit der Sorgfalt eines guten Familienvaters" zu nutzen, liest man in diesem Vertrag. Und, ein eher ungewöhnlicher Passus: Angesichts "des Wertes des Mietgegenstandes" sei die Vermieterin Landgraf S. A. "berechtigt, den Mietgegenstand alle drei Monate" zu besichtigen "mit einer Vorankündigung von mindestens fünf Tagen".

Fazit: Die mutmaßliche Benko-Firma Landgraf S. A. vermietet die Luxusvilla am Gardasee also an die Signa Holding, an ebenjenen Konzern, den Benko selbst gegründet hat. Die Signa zahlt dafür nicht nur Miete, sie trägt auch – was mutmaßlich noch teurer kommt – die hohen Kosten für Instandhaltung der Anlage.

"Repräsentation" der Signa

Offen bleibt bei all dem die Frage, was die Signa mit ihrem gemieteten Objekt eigentlich anfängt. Fotos und Satellitenaufnahmen der Anlage zeigen den Swimmingpool, den Yachthafen, einen Kinderspielplatz in einer Ecke des Parks – nichts von all dem deutet auf eine betriebliche Nutzung der Anlage hin. Auch in öffentlich einsehbaren Signa-Unterlagen und allerlei Konzernpräsentationen taucht die Villa Ansaldi nirgendwo auf. Einzige Ausnahme: dass das Objekt auf der Signa-Website als "Repräsentation" geführt wird.

Ein deutsches Spezialunternehmen für aufwendige Terrassengestaltungen, das den Balkon der Villa saniert hat, bezeichnet die Villa in ihrem Kundenmagazin als "Wohnanlage". In dem STANDARD vorliegenden Mietvertrag ist von einer "Liegenschaft für Wohnzwecke und Repräsentanz" die Rede.

DER STANDARD hat der Signa Holding einen Fragenkatalog übermittelt. Gibt es eine – wie auch immer geartete – betriebliche Nutzung bei dieser Anlage? Wird die Villa Ansaldi von René Benko als privates Wohnobjekt benutzt? Und was ist überhaupt das Ziel dieser Anmietung durch die Signa Holding? Antworten aus dem Unternehmen sind allerdings ausgeblieben. (Joseph Gepp, 25.11.2023)