Eine brennende Kreditkarte
Viele Wirte würden Kreditkarten am liebsten grillen. Die OeNB stellt in Bezug auf verbreitete Ängste klar: "Niemand, weder Institutionen noch die Politik, plant eine Bargeldabschaffung."
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"Keine Kartenzahlung möglich": Das liest und hört man hierzulande immer noch in vielen Restaurants und Cafés. Als Grund werden häufig die Anschaffungskosten und vor allem die Gebühren für ein digitales Zahlungssystem genannt. Wenn man mit Lokalbetreibern in Wien spricht, die keine Karten akzeptieren, wird es aber schnell auch politisch. Dann ist von "Freiheit", "Privatsphäre" und "Demokratie" die Rede, die allesamt nur die Existenz von Bargeld garantieren könne. Und von einer angeblichen politischen Agenda, das Bargeld abzuschaffen.

Dabei ist der Fortbestand von Bargeld rechtlich geschützt. Im sogenannten Vertrag über die Arbeitsweise der EU, also gleichsam in der "EU-Verfassung", sind Euro-Scheine und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel verankert. Auch eine neue EU-Verordnung soll dem Schutz des Bargelds dienen und noch einmal festschreiben, dass Bargeld angenommen werden muss. "Niemand, weder Institutionen noch die Politik, plant eine Bargeldabschaffung", sagt Anton Schautzer, stellvertretender Leiter der Banknoten- und Münzenkassen in der Nationalbank (OeNB), dem STANDARD.

Botschaft in der Eiskarte

Kurt Tichy, den Chef des bekannten Eissalons Tichy in Wien-Favoriten, beruhigt das nur wenig. Er ist einer der Kartenabwehrkämpfer in der Wiener Gastronomie, die nicht anonym bleiben wollen. Der 64-Jährige verbreitet sogar in seiner Eiskarte eine ziemlich düstere Sicht der Dinge: Es seien Stimmen laut geworden, die "das Bargeld ganz abschaffen wollen". Die Leute sollen ihr Geld nicht mehr in Sicherheit bringen dürfen, "über Nacht könnten Steuern eingeführt und Banken gerettet werden", schreibt Tichy.

Auf Nachfrage des STANDARD klingt Tichy etwas milder. "Vielleicht ist es ein bisschen dick aufgetragen, aber ich bin der Meinung, es geht schon in die Richtung", sagt Tichy am Telefon. Er glaube zwar nicht, dass die Politik "sich traut, das Bargeld von heute auf morgen abzuschaffen, aber sie wird es immer mehr beschränken, bis die Leute sich sagen: 'Ob ich jetzt die paar Netsch eingesteckt habe, ist auch schon wurscht.'"

Der Politik wird misstraut

Die Reaktionen auf seinen geldpolitischen Exkurs auf der Eiskarte seien geteilt, gibt Tichy zu. "Es gibt Leute, die sagen, da steht eine Verschwörungstheorie in der Speisekarte. Ich sage denen, das ist keine Verschwörungstheorie, das ist meine Meinung." Er wisse sehr wohl, dass "es nicht so wie in einem James-Bond-Film ist, dass ein paar Leute in einer Villa sitzen und die Welt beherrschen".

Die Überlegung des Eismachers: "Die Banken haben Angst vor dem Bankansturm. Aber wenn es kein Bargeld gibt, kann es keinen Bankansturm geben." Er habe einige Bücher dazu gelesen, unter anderem "Crashkurs" des deutschen Börsenmaklers Dirk Müller.

Schnitzel mit Pommes
Hierzulande zahlt man sein Mittagessen im Gasthaus gerne noch bar – manchmal bleibt einem auch nichts anderes übrig.
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Im Beisl anschreiben lassen

Auch das Restaurant Schlupfwinkel in Wien-Wieden nimmt zum Beispiel nur Bargeld an. "Mein Grund ist, dass alles, was man mit der Karte zahlt, nachvollziehbar ist", erzählt Wirtin Christine Rupp. "Dann wäre theoretisch bei der Bank einsehbar, was man im Beisl ausgibt. Die Idee des Datenschutzes ist vielen leider nicht so bewusst." Sie befürchtet, dass der Datenschutz den meisten Menschen zunehmend "wurscht ist".

Rupp habe viele Stammgäste, wenig Laufkundschaft. Leute, die zu wenig Bares mithätten, könnten bei ihr anschreiben lassen. "Ich habe über der Bar ein Brettl, und da schreibe ich mit Kreide den Namen und den Betrag drauf."

In der OeNB hat man durchaus Verständnis, dass in der Bevölkerung Ängste ums Bargeld entstehen, weil etwa in Norwegen und Schweden der Anteil an Cash-Transaktionen auf einen einstelligen Prozentsatz geschrumpft ist oder Griechenland eine Bargeldobergrenze von 500 Euro eingezogen hat. "Bargeld hat wichtige Eigenschaften, die kein digitales Zahlungsmittel besitzt. Das ist allen politischen Entscheidungsträgern bewusst. Natürlich steht Bargeld aber im Wettbewerb mit anderen Zahlungsmitteln, hinter denen private Unternehmen stehen, die ihre Marktanteile vergrößern wollen", sagt Bargeld-Experte Schautzer.

Die Österreicher zahlen im stationären Handel gerne noch bar
Die Österreicherinnen und Österreicher halten stark an der Barzahlung fest. Im stationären Handel entfallen noch 63 Prozent aller Transaktionen auf Bargeld, berichtete die OeNB im Oktober.
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Warnungen vor dem Schein-Tod

Grob gesagt gibt es zwei Erzählstränge bei der Angst ums Bargeld. Der eine ist eine vermeintlich geplante Abschaffung. Solche Pläne verneinen Bundesregierung, EU-Vertreter und Zentralbanken entschieden. Das zweite Narrativ ist das Szenario nach einer Abschaffung von Scheinen und Münzen – die Angst vor Überwachung.

Wie sieht das die OeNB? "Bargeld wird als krisensicher wahrgenommen. Auch Banken haben während der Negativzinsphase Milliarden in bar gehortet und damit Negativzinszahlungen vermieden, dafür aber natürlich Lager- und Versicherungskosten bezahlt. Das belegt schon, dass Bargeld einen Schutz und Ausweichmöglichkeiten in gewissen Zeiten bieten kann und dass dies auch schon praktisch angewandt wurde", sagt Schautzer.

Digitaler Euro macht nervös

Was die Debatten in sozialen Medien zusätzlich befeuert, sind die EZB-Pläne zum digitalen Euro. Viele sehen das Projekt als Beleg für die vermeintliche Bargeldbekämpfung von oben. "Der digitale Euro will das Bargeld dort ergänzen, wo das Bargeld heute nicht hinreicht", erklärt Schautzer. Er solle die Rolle des Bargelds als gesetzliches Zahlungsmittel nicht schwächen, sondern stärken. Laut OeNB müsse auch "nur die Bank des Zahlers oder der Zahlerin" den Kunden oder die Kundin überprüfen. "Die EZB wird diese Daten keinesfalls bekommen", sagt Schautzer.

Eismacher Tichy schließt übrigens gar nicht aus, dass sein Salon am Reumannplatz, in dem man derzeit nur bar zahlen kann, irgendwann auch Karten akzeptieren wird. "Ich sage Ihnen ehrlich, das wird wahrscheinlich auch einmal kommen. Man wird sich das anschauen, ob man unter dem Strich Geld verliert, wenn man Karten nicht nimmt." (Lukas Kapeller, 29.11.2023)