Der deutsche Kanzler Olaf Schol (re.) spricht im Bundestag. Finanzminister Christian Lindner (FDP) - links - und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hören nicht gerade begeistert zu.
Der deutsche Kanzler Olaf Schol (re.) spricht im Bundestag. Finanzminister Christian Lindner (FDP, links) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hören nicht gerade begeistert zu.
AFP/TOBIAS SCHWARZ

"Entgegen der ursprünglichen Planung findet in dieser Woche keine Haushaltsberatung statt", sagt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), als sie am Dienstag die Sitzung im Deutschen Bundestag eröffnet, und sogleich schallt Gelächter aus den Reihen der Opposition durch das Plenum.

Die Beratungen für den Etat 2024 haben sich nach dem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts erübrigt. Sie können schlicht noch nicht stattfinden, weil die Ampel aus SPD, Grünen und FPD erst einmal ihr Finanzchaos 2023 sortieren muss. Und wie sie das zu tun gedenkt, skizziert Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung.

"Mit dem Wissen des Urteils hätten wir 2021 andere Entscheidungen getroffen", sagt Scholz und erntet dafür Hohngelächter. Er räumt ein, Deutschland stehe vor "Herausforderungen, wie unsere Republik sie in dieser Konzentration und Härte wohl noch nicht erlebt hat". Karlsruhe habe eine neue Realität geschaffen – "eine Realität, die es allerdings schwieriger macht, wichtige und weithin geteilte Ziele für unser Land zu erreichen".

Demokratische Tradition

Er betont dann jedoch, dass die Diskussion politisch beendet sei. Denn: "Das Gericht hat das letzte Wort. So ist es gute demokratische Tradition."

Dieses "letzte Wort" hat in der Ampelregierung für ein gewaltiges Beben gesorgt. Denn das Gericht stellte fest, dass der Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig ist. Bei dessen Erstellung hatte die Ampel 60 Milliarden Euro an nicht verbrauchten Kreditermächtigungen aus einem "alten" Corona-Sondertopf in einen Klimatopf geschoben, um die Schuldenbremse einzuhalten. Das geht aber nicht. Denn die Kredite müssen in dem Jahr verbraucht werden, in dem sie aufgenommen werden.

Daraufhin legte Finanzminister Christian Lindner (FDP) zunächst den Klimafonds auf Eis, danach auch den ähnlich konstruierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds und sprach eine Haushaltssperre aus. Seither dürfen die Ministerien keine Zahlungen mehr für die kommenden Jahre zusagen. Jene für 2023 sind davon nicht betroffen.

Schuldenbremse ausgesetzt

Und Lindner setzte nachträglich die Schuldenbremse auch für 2023 aus, "um reinen Tisch zu machen", wie er es nannte. Die Schuldenbremse besagt, dass der Staat sich nur dann höher verschulden darf als um 0,35 Prozent des BIP, wenn eine nicht selbst verschuldete Notlage vorliegt. Und diese muss er begründen.

Das tut Scholz am Mittwoch in seiner Rede. Er begründet die Notlage ausführlich mit dem Ukrainekrieg. Deutschland helfe der Ukraine finanziell, es nehme viele Geflüchtete auf und verfüge nun über kein billiges russisches Gas mehr. Scholz: "Das geht nicht spurlos vorbei an einem Industrieland wie Deutschland." Und da seien auch noch die Milliarden des Staates für Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, wo so viele Menschen von dem Katastrophen-Hochwasser des Sommers 2021 betroffen waren.

Um das alles zu stemmen und auch die bereits ausbezahlten Energiehilfen von 2023 auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen, hat die Regierung bereits einen Nachtragshaushalt beschlossen und legt diesen dem Bundestag vor.

Doch Scholz versucht auch, mit Blick auf die marode Finanzlage, zu beruhigen: "Der Staat wird seinen Aufgaben weiterhin gerecht." Er wendet sich direkt an die Bürgerinnen und Bürger: "In Ihrem Alltag ändert sich durch das Urteil nichts, egal ob Sie Wohngeld bekommen, Kindergeld oder Bafög (Förderung für Studierende, Anm.)." Wenn es notwendig werde, könne der Staat "jederzeit" die zum Jahresende auslaufenden Gas- und Strompreisbremsen wieder aktivieren.

Scholz: "You‘ll never walk alone"
Video: "You‘ll never walk alone, dabei bleibt es", verspricht Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag - und erntet dafür Gelächter.
AFP

"You'll never walk alone"

Scholz sagt auch: "Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, dass wir niemanden allein lassen – you'll never walk alone, das habe ich versprochen, und dabei bleibt es." Wieder gibt es großes Gelächter, Scholz wendet sich an CDU/CSU. "Ich weiß nicht, was Sie da lachen, aber Sie meinen wohl 'you'll never walk with the christian democratic union'."

Es gehe jetzt um die Frage: "Steht jeder für sich alleine, wenn es schwierig wird, oder haken wir uns unter?" Für den Kanzler ist klar: "Wir kommen besser zurecht, wenn wir niemanden zurücklassen." Er verspricht auch noch, die Modernisierung des Landes weiterhin voranzutreiben, und bekommt aus den Ampelreihen dann auch Applaus.

Hart hingegen geht Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) mit Scholz ins Gericht: "Die Schuhe, in denen Sie stehen, sind Ihnen mindestens zwei Nummern zu groß", sagt er, nennt Scholz einen "Klempner der Macht" und kündigt an: "Wenn Sie mit Ihrer Regierung so weitermachen wie bisher, und das legt Ihre Regierungserklärung nahe, dann werden wir alles dafür tun, dass der Spuk mit Ihrer Bundesregierung so schnell wie möglich beendet wird." (Birgit Baumann aus Berlin, 28.11.2023)