Dagobert
Dagobert, bittersüß – und schwelgend in großen Gefühlen, auf dem Weg in den Tod und ins Verderben. Am Ende endlich Ruhe: "Ich leg mich hin und lös mich auf in nichts."
Fritz Fechner

Wir müssen reden. Denn Dagobert, der vor allem bei spät aufstehenden und lang wach bleibenden Freunden der finsteren Nacht beliebte Schnulzensänger aus den Schweizer Bergen, hat ein neues Album veröffentlicht. Das ist nicht umsonst Schwarz betitelt. Immerhin geht es neben der üblichen Sache mit dem untherapierbaren Herzschmerz dieses Mal verstärkt um den Tod. Bei aller inhaltlichen Härte, in der es höchstens einmal hell wird, wenn der Morgen an einem vernebelten Tag im November oder Dezember graut, kommen die neuen Lieder doch auch wieder sehr schnulzig daher. Schnulzig im Sinne von Todesschlager.

Die Schnulze, der Schmachtfetzen, der Tränendrücker, das Rührstück gelten in der Welt der Musik als künstlerisch wertlose Gebrauchskunst. Mit sentimentalen, unterstellt schlichten Liedern für schlichte Gemüter kann man vor allem im Schlager den Leuten auch sehr einfach das Geld aus der Tasche ziehen. Wo viel geweint und Trost gebraucht wird, und unter uns Menschen wird sehr viel geweint, gelitten und Trost benötigt, da ist auch viel zu holen. Das Leben sagt bekanntlich öfter Auweh als Schubidu.

Schicksalsschwer und getragen

Nennen wir Dagobert doch freundlicher gestimmt nicht einen Schlagersänger, sondern einen Chansonnier. Das klingt vornehmer, meint aber dasselbe. Chansonnier Dagobert kam 2013 auf dem Buback-Label des deutschen Künstlers Daniel Richter mit ans Gemüt gehenden, zum Weinen schönen Liedern wie Morgens um halb vier in die Welt dieses Kunsthandwerks im Drei- bis Fünfminutenbereich. Das kann sich im Falle Altvorderer wie Christian Anders, Nick Cave, Scott Walker oder von Dagoberts erklärtem Idol Hank Williams als Meister der Einfachheit und Unmittelbarkeit zur großen Kunst aufschwingen.

DAGOBERT

Das Hauptcharakteristikum Dagoberts: sein harter schweizerdeutscher Akzent. Mit dem kann der 1982 im Aargau geborene Wahlberliner heute noch immer Kräuterzuckerl von Ricola so leicht zerbeißen wie ein Baisergebäck namens Luxemburgerli aus der Zürcher Confiserie Sprüngli. Dazu kommt eine sich getragen, pathetisch und schicksalsschwer vor sich hinschleppende Musik, die als zeitgenössische musikalische Untermalung von Horrorklassikern des Stummfilmgenres dienen könnte. Dagobert agiert als großer Fan der frühen Ära der Filmkunst, auch in seinen öffentlichen Auftritten gern als sonnenfernes Mittelding aus Bela Lugosi als Vampir in Dracula oder Max Schreck als Graf Orlok in Nosferatu. Auf seinem letzten Album Welt ohne Zeit kulminiert der Schmerz in der Trauerballade Der Geist: "Dir geh'’s genauso wie mir / Niemand teilt mit dir das Leben / Du bist allein / Und so wird es auch bleiben / Du wirst für immer leiden / Ein Leben voller Einsamkeit liegt vor dir."

Schwarz startet nun mit der Todessehnsucht: "Heute bricht alles über mich herein / Ich bin wie gelähmt und kann nur noch weinen / Denn ich vermisse meine Freunde und dich / Sie sind tot, du bist es nicht." Und weiter: "Das Land, wo meine Freunde auf mich warten, ist nicht bekannt / Doch den Fahrschein dahin hab ich in der Hand / Kann die Zeichen zwar nicht lesen, die da stehen / Doch ich weiss, ein Platz ist für mich vorgesehen / Der Wind des Todes wird mich rüberwehen / Und dann kann ich die Alten wiedersehen."

Totentanz mit Höllenorgel

Mit über den Friedhof wehendem Grenzlandchor, Kirchenorgel, Blockflöte und dem Gezirpe einer Harfe startet eine Reise in die Nacht, aus der es kein Zurück gibt: "Nicht mal mehr Gedanken an den Tod / lindern jetzt noch meine Not." Man hat diesem Mann immer auch einen ironischen Ansatz unterstellt. Seit dem Christentum gilt der Rabe ja im Gegensatz zu den meisten Naturreligionen als Todesbote und Unheilsbringer. Das lässt sich Dagobert in Rabensinfonie nicht entgehen. Er geht in den Keller und trifft dort zum Lachen Nick Cave in dessen bester Phase, zur Zeit von The First Born Is Dead. Ganz so schwarzhumorig kann es Dagobert nicht, aber als Halbwilder mit seinem Zinksarg lädt er da mit Höllenorgel und Dröhngitarre zum Totentanz.

DAGOBERT