Olfas Töchter This Human World
Eya und Tayssir Chikhaoui sind zwei Töchter von Olfa Hamrouni. InKaouther Ben Hanias "Olfas Töchter" spielen sie sich selbst.

Was wäre Kaouther Ben Hanias Olfas Töchter, eine Studie über Gewalt, Weiblichkeit und Radikalisierung, dieses Jahr für ein Cannes-Gewinner gewesen. Den Mut, der der Jury des Festivals an der französischen Riviera abging, beweist nun glücklicherweise das This Human World Film Festival in Wien, das mit Ben Hanias Film in zehn Festivaltage voller weltbewegender Themen startet.

Sechs Kinos sind heuer Spielstätten. Erstmals dabei sind auch die Breitenseer Lichtspiele, das überaus nette Grätzlkino nahe der U3-Station Hütteldorfer Straße. Grenzgebiete erforschen, in der eigenen Stadt wie in der Welt, Konflikte ins Visier nehmen: Dies alles gehört schließlich zu den ständigen Leitthemen des seit 15 Jahren florierenden Festivals.

The Smell of Money

Das diesjährige Sujet ist dem Wasser gewidmet. Im dazugehörigen Schwerpunktprogramm "Changing Environment" sieht man etwa Aktivismusfilme wie Shawn Browns The Smell of Money, in dem der Kampf gegen die Umweltsünden einer Schweinefleischfabrik in North Carolina dokumentiert wird, neben Kurzfilmen und mythologischen Naturreflexionen wie Edgar Honetschlägers Die Ameisen des Midas.

Ukraine und Afrika

Ein Fokus liegt auf dem Ukraine-Konflikt. Den Wiener Filmpreis-Gewinner Signs of War von Juri Rechinsky kann man so erneut im Kino sehen. Auch afrikanische Kinematografien, die so oft auf Filmfestivals vernachlässigt werden, stehen im Zentrum.

Manthia Diawaras A Letter from Yene, ein Brief an das Publikum, der vom Leben der Filmemacherin in einem Strandhaus im Senegal berichtet, wo das Leben der Fischer und Fischerinnen bedroht ist. Im Anschluss daran gibt es eine Diskussion mit kundigen Persönlichkeiten über mögliche Wege aus der Klimakrise.

We, Students! (Nous, étudiants !)
Berlinale - Berlin International Film Festival

Diskussion und Filmerlebnisse geben sich beim This Human World Filmfestival traditionell die Hand. Ein Film, der Austausch zum eigentlichen Thema macht, ist Rafiki Farialas wunderbare Doku We, Students!, der bereits 2022 auf der Viennale lief. Der junge Filmemacher zeigt darin den Lebensalltag und die Hoffnungen seiner Kommilitonen an einer vollkommen unterfinanzierten Universität in der Zentralafrikanischen Republik.

Der Eröffnungsfilm Olfas Töchter ist ebenfalls Teil des Afrika-Schwerpunkts. Der tunesischen Filmemacherin gelingt es darin kongenial, den dokufiktionalen Gestus des Reenactments, das man aus dem iranischen Kino der 1990er-Jahre gut kennt, mit der Erzählung einer Radikalisierung zu verbinden, die in Tunesien vor einigen Jahren für Schlagzeilen sorgte, als zwei der vier Töchter von Olfa Hamrouni sich dem IS anschlossen. In einem dicht gewebten Familienbild vermittelt die Regisseurin Schuld und Leid einer überforderten Mutter.

Les Filles d'Olfa - Trailer
trigon -film

Das sind indes nur drei Schwerpunkte eines themenreichen Programms, das bis zum 10. Dezember die Leinwände Wiener Kinos bestrahlt und zur Auseinandersetzung mit dem Status quo des Planeten einlädt – und auch wenn es kein Fokus ist: Am gegenwärtigen Israel-Palästina-Konflikt wird man dabei, zumindest in einigen Diskussionen, nicht vorbeikommen. (Valerie Dirk, 29.11.2023)