Eine Frau putzt einen Backofen
Vermittlungsplattformen bergen das Risiko, Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften in Haushalten sogar noch zu verschlechtern, resümiert das Forschungsprojekt Gig-Clean.
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Die Reinigungsbranche gilt als wachsender Arbeitsmarkt. Dass mit den Reinigungskräften dabei häufig nicht fair – man könnte auch sagen: nicht sauber – umgegangen wird, ist eine österreichische Realität, über die wenig gesprochen wird. Die heimische Reinigungsbranche zählt formell 158.000 Beschäftigte. Die Zahl der informell tätigen Reinigungskräfte sei weit höher, erklärt die Soziologin Laura Wiesböck, die am Mittwoch am Institut für Höhere Studien (IHS) die Ergebnisse eines Forschungsprojekts vorstellte.

Die weit verbreitete Schwarzarbeit in der Welt des Saubermachens hat laut Wiesböck schwerwiegende Folgen für die Beschäftigten, die meisten davon Frauen mit Migrationshintergrund in Ost- und Südosteuropa. Die Arbeit im rechtsfreien Raum führe dazu, dass Frauen zum Beispiel auf ihren Kosten sitzen bleiben, wenn etwas beim Reinigen kaputtgeht, aber auch zu sexueller Belästigung.

Plattformen zementieren Machtgefälle

Das IHS-Forschungsprojekt hat sich nun angesehen, wie Plattformen der sogenannten Gig-Economy die Arbeit von Reinigungskräften verändern können. Gig-Economy bezeichnet das Prinzip, dass Selbstständige ihre Dienste über eine Plattform anbieten. Diese vermittelt zwischen dem Dienstleister und dem Kunden und verdient dabei mit – bekannte Beispiele sind Uber und MyHammer*. In der Reinigungsbranche sind Anbieter wie Haushaltshilfe24.at und Extrasauber.at auf den Plan getreten. Das IHS-Forschungsteam hat Interviews mit 15 Frauen geführt, die als Gig-Work-Reinigungskräfte arbeiten, und konkret die Plattform Betreut.at analysiert.

"Es gibt Plattformen der Gig-Economy, die die Arbeitsbedingungen von Reinigungskräften noch zusätzlich erschweren können", bilanziert Wiesböck im Gespräch mit dem STANDARD. "Diese Plattformen schaffen neue Arbeitsrealitäten." Die Reinigungskräfte müssten damit leben, dass etwa auch das Tempo ihrer Antworten auf Anfragen online bewertet wird. "Das Berufsprofil von Haushaltsreinigungskräften auf dem Schwarzmarkt erweitert sich", kritisiert Wiesböck. Sie müssten nun auch "ein digitales unternehmerisches Selbst" pflegen.

Bei Firmen wie Uber können die Fahrer und Kunden einander bewerten, bei Betreut.at und Haushaltshilfe24.at sei das etwa nicht der Fall, erzählt Wiesböck. Sie konstatiert auf einigen Plattformen auch einen "Fokus auf die Fotos der Arbeiterinnen". Man könne "zum Teil auch eine Strafregisterbescheinigung von Arbeiterinnen anfragen, nicht jedoch von Kunden".

Die Plattformen finanzieren sich unterschiedlich – so gibt es Modelle mit Provisionen je Auftrag, andere bieten kostenlose und zahlungspflichtige Mitgliedschaften, wie Betreut.at und Haushaltshilfe24.at. "Aus unserer Perspektive bergen Mitgliedschaftsmodelle für Frauen mehr Sicherheitsrisiken, da es keine Aufzeichnungen darüber gibt, welche Aufträge zustande gekommen sind", sagt Wiesböck.

Rufe nach einem #MeToo

Generell sagt die Forscherin: "Es braucht ein #MeToo in der Reinigungsbranche", also eine Bewegung, die auf sexuelle Belästigung und sexuelle Übergriffe aufmerksam macht. In ihren Interviews hätten Reinigungskräfte den Forscherinnen von belästigenden Anfragen männlicher Kunden berichtet – nach nacktem Putzen, Massagen, getragener Unterwäsche und sogar nach Muttermilch.

Reinigungskräfte haben häufig keine rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen Missstände zu wehren
Das IHS-Forschungsprojekt Gig-Clean hat eine neue Website in 16 Sprachen ins Netz gestellt, um insbesondere Reinigungskräften ohne Sozialversicherung in prekären Situationen weiterzuhelfen.
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Was helfen würde, wäre eine rechtliche Absicherung und Formalisierung der Arbeitsverhältnisse. Als vier Möglichkeiten nennt das IHS-Projekt eine Anstellung bei einer Reinigungsfirma, eine Anstellung bei einem Haushalt, eine offizielle Selbstständigkeit oder Bezahlung mit dem Dienstleistungsscheck. Letzterer sei von den Befragten aber als "bürokratisch umständlich" bezeichnet worden – es dauere länger, bis man sein Geld hat.

16-sprachige Website

Das IHS-Projekt will betroffenen Arbeiterinnen konkrete Hilfe mit einer Website namens Gigclean.net anbieten. "Unser Forschungsprojekt hat von Anfang an auch das Ziel gehabt, der Gruppe Informationen für Problemstellungen zu geben." Die neue Website stellt Infos in 16 Sprachen bereit – zu Arbeitsrecht, beruflichem Umstieg und auch zu möglichen Schritten nach sexueller Belästigung. (Lukas Kapeller, 29.11.2023)