Vor kurzem wurde der alljährliche sogenannte Integrationsmonitor der Stadt Wien veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass 44 Prozent der Wiener Bevölkerung eine ausländische Herkunft haben. Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos hatte diesen Bericht präsentiert und dazu nur wenige Medien eingeladen. Die Zahlen waren ihm wohl peinlich, vermutete die Kronen Zeitung.

Ist fast jeder zweite Wiener peinlich? Dieser Meinung neigte wohl auch der burgenländische Landesrat Johann Tschürtz zu, als er die fremdländischen Namen von Kindern aus einer Wiener Neustädter Volksschule vorlas. So viele Ahmeds und Fatimas in österreichischen Schulen – so weit ist es mit uns schon gekommen, lautete offenbar die Botschaft.

Reumannplatz
44 Prozent der Wiener Bevölkerung hat eine ausländische Herkunft.
Regine Hendrich

Dass es in Österreich immer mehr Zuwanderer, darunter viele Muslime, gibt, ist für Rechtsradikale eine Katastrophe und für Gemäßigte eine Peinlichkeit, über die man lieber nicht zu viel spricht.

Es ginge auch anders. Man könnte die unabänderliche Tatsache, dass die österreichische Gesellschaft bunter geworden ist, offen aussprechen und bestmöglich damit umgehen. Der Islam gehört zu Deutschland, heißt es in unserem Nachbarland.

In Wien haben in vier Bezirken Nicht-Österreicher die Mehrheit, viele von ihnen muslimischen Glaubens. Muss es sein, dass es dort nirgends eine sichtbare Moschee gibt? Bei den Bauarbeitern sind achtzig Prozent Migranten. Schlägt sich das in den Führungsgremien der Gewerkschaft nieder? Und wo sind die Politiker, Fernsehmoderatoren, Spitzenfunktionäre mit offensichtlichem Migrationshintergrund? Dass es da genügend begabte Leute gäbe, zeigt sich nicht zuletzt in der Kunst-, Musik- und Literaturwelt. Dort sind Menschen fremder Herkunft stark vertreten.

Kein vernünftiger Mensch leugnet, dass die Massenzuwanderung – von manchen FPÖlern "Umvolkung" genannt – eine Herausforderung ist und Probleme mit sich bringt. Und auch Terrorismus und importierten Antisemitismus gibt es. Aber es ist auch wahr, dass nur eine kleinste Minderheit von Zuwanderern gewaltbereit ist und viel mehr antisemitische Zwischenfälle auf das Konto von "autochthonen" Judenhassern gehen als auf das Konto von Migranten.

Das Bild, das die Politik mit ihrem Fokus auf "Kampf dem (politischen) Islam" bietet, ist verzerrt.

Die Zivilgesellschaft ist weiter. Typisch war die Reaktion von Wiener Arbeitern, die erklärten, "in unsere Partie kommt jedenfalls kein Ausländer herein", aber auf den Hinweis, dass einer von ihnen eine dunkle Hautfarbe hat, empört meinten: Der? Das ist doch kein Ausländer! Das ist der Mustafa! Ähnlich geht es Lehrern in den sogenannten Brennpunktschulen. Die Ahmeds und Fatimas dort werden als "unsere Kinder" gesehen. Und bei der Ehrengarde, die bei Staatsbesuchen aufmarschiert, sind 75 Prozent Migranten. "Stolze Gardisten" nannte sie kürzlich ein führender Militär.

Der klassische österreichische Wein, sagte jüngst der Wiener Journalist Georg Hoffmann-Ostenhof, ist der Gemischte Satz. Verschiedene Reben, ein Weingarten. Zeit, dass wir uns damit anfreunden, dass auch die österreichische Gesellschaft ein "gemischter Satz" ist. Und deshalb nicht weniger österreichisch. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 30.11.2023)