Seit einigen Wochen ist klar, dass wir uns in einer neuen, massiven Corona-Welle befinden. Es wird uns aber auf allen Kanälen mitgeteilt, dass das nicht so schlimm sei, denn es drohe keine Überlastung der Spitäler. Sind wir also ohnehin sicher, und ist – wie vielfach gesagt wird – die Pandemie für uns vorbei?

Offenkundig teilen nicht alle Expertinnen und Experten diese Meinung. So hat vor einigen Tagen in der Wiener Ärztekammer eine Runde von Corona-Fachleuten getagt, die sich über nachstehenden besorgniserregenden Befund einig war: Im Gegensatz zur unermüdlich getrommelten Propaganda, Corona wäre eine (mittlerweile) harmlose Atemwegsinfektion, handelt es sich bei Sars-CoV-2 vielmehr um eine systemische Gefäßerkrankung. Was heißt das? Corona kann schwere Entzündungen an den Innenwänden unserer Blutgefäße verursachen. Dadurch kann sich Corona im ganzen Körper manifestieren und alle unsere Organe schädigen.

Maske Corona Erkrankung Covid
Vor allem in den Öffis sieht man wieder viele Menschen mit Maske.
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Eine Infektion kann akut mild verlaufen und doch schlimmste Folgen nach sich ziehen: Herzerkrankungen, Diabetes, Schlaganfälle, Demenz, neurologische Erkrankungen und anderes können noch Monate später als kausale Spätfolge einer Corona-Infektion auftreten. Wer von einer dieser Erkrankungen nach einer vorangegangenen Corona-Infektion betroffen ist, zieht selten den Schluss, dass es hier einen Zusammenhang geben kann. Auch viele behandelnde Ärztinnen und Ärzte verzichten auf entsprechende Untersuchungen und Rückschlüsse.

Schlimme Konsequenzen

Warum werden diese Folgeerkrankungen – obwohl bekannt und medizinisch beschrieben – nicht ausreichend beachtet und in ihren schlimmen Konsequenzen im medizinischen, gesellschaftlichen und politischen Handeln ignoriert? Wollen wir nicht wissen, was uns Corona alles eingebrockt hat?

Selbst jene, die zumindest wissen, dass es Long Covid gibt, klammern sich an die Hoffnung, dass sie selbst es schon nicht ausfassen werden. Dass es einen oder zwei aus zehn Infizierten trifft, das lässt sich vermeintlich aussitzen. Wenn es aber stimmt, dass sich jeder von uns künftig durchschnittlich einmal pro Jahr infizieren wird und das Risiko, Long Covid zu bekommen, bei jeder Neuinfektion nicht kleiner wird, sieht die Rechnung wohl schon anders aus. Was wäre also zu tun?

1. Breite Aufklärung der Bevölkerung über die möglichen Spätfolgen der Corona-Infektion.

2. Wirksamer Schutz vor Ansteckung durch eine Reihe von Maßnahmen, die uns allen zumutbar sind. Covid wird durch Aerosole übertragen, daher muss die Bevölkerung endlich darüber aufgeklärt werden, wie man sich effektiv davor schützt. Die vielerorts bemühte Handhygiene ist nicht ausreichend.

3. Die Verwendung von CO2-Messgeräten in Innenräumen wäre ein wichtiger Schritt. Denn sie helfen herauszufinden, ob die Luftqualität angemessen ist.

4. Sicherstellung von sauberer Luft in allen pädagogischen Einrichtungen zum Schutz der Kinder. Sie können sich nicht selbst schützen, und die Mär, dass Kinder nicht erkranken, ist widerlegt. Eltern, die in Eigeninitiative Luftfilter in Klassen aufstellen wollen, scheitern im Regelfall an der Schulbürokratie. Es wäre Aufgabe des Bildungsministers und der Schulbehörden, hier im Kinderinteresse aktiv zu werden.

5. Saubere Luft ist auch unverzichtbar in Spitälern, Ordinationen und anderen Gesundheitseinrichtungen. Die notwendigen baulichen Maßnahmen wie Abluftsysteme und Hepa-Filter in öffentlichen Einrichtungen müssten durch die öffentliche Hand finanziert werden.

6. Außerdem braucht es eine Maskenpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Wie kommen eine Gebärende und ihr Baby dazu, sich im Kreißzimmer vom Personal mit Corona anstecken zu lassen? Wieso soll eine krebskranke Person ihren Spitalsaufenthalt mit einer Infektion durch den Besuch des Bettnachbarn abschließen?

7. Wichtig sind auch die Wiederaufnahme von PCR-Tests in Spitälern, ein niedrigschwelliges Testangebot für die breite Bevölkerung und repräsentative Sequenzierungen.

8. Es fehlen große Impfkampagnen zur dringend gebotenen Erhöhung der Durchimpfungsrate.

Alle diese Maßnahmen sollen helfen, die Bevölkerung zu schützen und den R-Faktor unter eins zu drücken, damit Covid zurückgedrängt wird. Außerdem tut eine Fortbildung aller Gesundheitsberufe hinsichtlich des Schutzes vor und der Behandlung von Corona-Erkrankungen ebenfalls dringend not. Und es sind Kompetenzzentren zur Behandlung von Post und Long Covid in allen Bundesländern erforderlich, um die Versorgungsengpässe für Patientinnen und Patienten auszuräumen. Ich bin sehr beeindruckt, dass sich die Wiener Ärztekammer entschlossen hat, am Totschweigen des Themas durch Politik und Gesundheitsverwaltung nicht weiter mitzumachen und die Langzeitgefahren von Covid gezielt anzusprechen. Hoffentlich werden im eigenen Verantwortungsbereich auch die notwendigen Schritte gesetzt.

Es ist aber zu befürchten, dass die Warnungen der Wissenschaft, von engagierten Ärztinnen und Bürgern weiterhin ungehört verhallen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns diesfalls in einigen Jahren für diese Ignoranz rechtfertigen müssen werden. (Sigrid Pilz, 30.11.2023)