Video: Die kriselnde Signa Holding des österreichischen Unternehmers René Benko ist zahlungsunfähig. Das Unternehmen will beim Handelsgericht Wien einen Insolvenzantrag stellen.
DER STANDARD

Tagelang war nichts zu hören. Je wilder die Turbulenzen rund um die von René Benko gegründete Signa Holding wurden, desto schweigsamer wurden deren Verantwortliche. Dass sich allerdings eine Insolvenz ankündigt, das war schon Ende vergangener Woche durchgedrungen.

Mittwoch, 11.02 Uhr, war es mit der Funkstille dann vorbei. Ein Sprecher der Signa Holding verschickte die Aussendung, wonach das Unternehmen den Weg zum Insolvenzgericht antritt. Die Signa Holding GmbH stelle "einen Antrag auf Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung". Ziel sei die Fortführung des Geschäftsbetriebs. In einem derartigen Sanierungsverfahren müssen die Gläubiger mindestens 30 Prozent ihrer Forderungen innerhalb von zwei Jahren erfüllt bekommen. Als Grund für den Schritt nannte die Signa, dass "der Retailbereich – vor allem der stationäre Einzelhandel – in den letzten Jahren aufgrund externer Faktoren in Europa wirtschaftlich stark unter Druck geraten ist". Die Investitionen in diesem Bereich hätten "nicht den erwarteten Erfolg gebracht".

Auch im Immobilienbereich konnte "die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden", hieß es weiter. Bis kurz davor waren die Verantwortlichkeiten rund um Benko auf der hektischen Suche nach Geldgebern gewesen. Aufstellen ließen sie sich dann aber nicht.

Rekordinsolvenz

Seit Mittwochnachmittag ist klar: Die Signa-Pleite mit rund fünf Milliarden Euro an Gesamtverbindlichkeiten bei 273 Gläubigern ist die bisher größte Pleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte und überholt damit die Insolvenzen des Baukonzerns Alpine (3,2 Milliarden Euro; vor zehn Jahren eröffnet) und des Konsum Österreich mit 1,9 Milliarden Euro im Jahr 1995, rechnete der Kreditschutzverband KSV 1870 vor. Von den Verbindlichkeiten seien laut Signa circa 252 Millionen Euro besichert, die Aktiva seien mit rund 2,8 Milliarden zu Buchwerten angegeben worden, zu Liquidationswerten mit rund 314 Millionen Euro. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten wurde mit 42 angegeben.

"Herkulesaufgabe"

Betroffen von dieser Pleite ist ausschließlich die Signa Holding, die Dachgesellschaft des Konzerns. Die darunterliegenden wichtigen Immobilientöchter Signa Prime Selection AG und Signa Development AG sind vom Insolvenzantrag nicht umfasst, ebenso wenig wie die Handelssparte Signa Retail. Bis STANDARD-Redaktionsschluss war es nicht klar, wie es mit den wichtigen Töchtern weitergeht. Die Geschäftsführer aller Gesellschaften müssen nun selbst entscheiden, ob sie allenfalls eigene Insolvenzanträge einbringen.

Benkos Signa hat schon bessere Zeiten erlebt
Benkos Signa hat schon bessere Zeiten erlebt.
Collage: derStandard/Friesenbichler; Fotos: APA, Imago (3)

Was die Sache so kompliziert macht: Der Signa-Konzern besteht insgesamt aus rund tausend Gesellschaften in mehreren Ländern; zur Signa Holding gehören in Österreich laut Kreditschutzverband 1870 nur rund 36 davon. Wegen der verworrenen Konzernstruktur und wechselseitiger Beteiligungen stehe dem Insolvenzverwalter eine "Herkulesaufgabe" bevor, schreiben die Kreditschützer.

90 Tage Zeit

90 Tage haben die Signa-Leute nun Zeit, um einen Sanierungsplan zu erarbeiten, dann entscheiden die Gläubigerinnen und Gläubiger, ob sie den Plan annehmen. Welche Rolle Benko dabei spielen wird? Schlicht gar keine, ist aus der Signa dazu zu hören. Benko hatte sich ja schon 2013 aus dem operativen Geschäft in den Beirat verabschiedet, dessen Aufgabe strategische Beratung ist und der gesellschaftsrechtlich keine Rolle spielt.

Anfang November haben Benkos Mitinvestoren rund um Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner bekanntlich Benko zum Rückzug von der Beiratsspitze gedrängt, zugunsten des deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz. So rund lief die Sache dann aber nicht. Dem Vernehmen nach hat sich Benko quergelegt und "alles blockiert", wie ein mit der Sache Vertrauter erzählt.

"Alles blockiert"

Weiterer Streit war die Folge – nun allerdings dürfte Klarheit bestehen, dass Benko, der über mehrere Gesellschaften die Mehrheit an der Signa Holding hält, wirklich raus ist. Seitens der Signa Holding sollen die zwei bisherigen Geschäftsführer, Christoph Stadlhuber und Marcus Mühlberger, im Amt bleiben. Geiwitz soll bei all dem eine beratende Rolle spielen. Die Investoren rund um Haselsteiner unterstützten den Insolvenzplan und seien eingebunden, heißt es von Insidern.

Auch wenn vieles noch unklar ist – vor allem die Zukunft der gewichtigen Signa-Tochtergesellschaften –, wird die Signa-Pleite einige Akteure hart treffen. Am meisten werden die Investoren verlieren, die wie Haselsteiner Millionen Euro in der Signa stecken haben.

2,2 Milliarden offen

Des weiteren waren da beispielsweise die Banken. Allein österreichischen Instituten schuldet der Signa-Konzern dem Vernehmen nach rund 2,2 Milliarden Euro. Davon entfällt der größten Anteil auf den Raiffeisensektor: rund 750 Millionen auf die Raiffeisen Bank International (RBI), rund 280 Millionen auf die Raiffeisenlandesbank NÖ Wien und weitere 150 Millionen auf die RLB OÖ. 600 bis 700 Millionen sollen es darüber hinaus bei der Bank Austria sein. Zu hören ist, dass es bei den Kreditgebern Überlegungen gebe, ob ihnen bei Kreditanträgen der Signa Informationen vorenthalten worden seien.

Existenzgefährdend werde sich dieses Engagement der Banken bei der Signa zwar nicht auswirken, glauben Insider. Aber es werde in jedem Fall zu beträchtlichen Korrekturen kommen müssen. Immobilien stünden generell noch immer überbewertet in den Büchern, sowohl bei deren Eigentümern als auch bei den Finanzinstituten, wenn ihnen die Objekte als Sicherheiten für Kredite dienen.

Auch Steuerzahler betroffen

Abseits der Banken und Investoren kommen auch Anleihegläubiger zum Handkuss. Schon am Donnerstag etwa ist die Rückzahlung einer Anleihe in der Höhe von 200 Millionen Euro fällig. Nicht zuletzt könnten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Kasse gebeten werden – sollten offene Steuerforderungen bestehen. Eine dieser Forderungen steht bereits fest: Die Signa hat sich im Rahmen der Kika/Leiner-Pleite verpflichtet, 20 Millionen Euro einzuzahlen. Fünf Millionen davon flossen bereits, weitere 15 fehlen aber noch. Sie müssen nun im Signa-Insolvenzverfahren als Forderung angemeldet werden.

Was Arbeitsplätze betrifft, dürfte sich die Pleite nicht allzu stark auswirken – zumindest in Österreich, wo nur einige hundert Personen im Immobilienbereich beschäftigt sind. Anders vielleicht in Deutschland: Dort arbeiten bei der Signa-Warenhauskette Galerie Kaufhof tausende Beschäftigte. Die deutsche Regierung prüft "mögliche Auswirkungen" der Pleite, hieß es aus dem Berliner Finanzministerium – dabei geht es unter anderem um Corona-Hilfen, die der deutsche Staat Kaufhof gewährt hat. In Österreich hingegen sieht Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) "kein Politikum, sondern einen Fall des Insolvenzrechts", sagte er nach dem Ministerrat.

Am Mittwochnachmittag war es dann offiziell: Das Wiener Handelsgericht gab bekannt, dass die Insolvenz eröffnet sei. Laut Alpenländischem Kreditorenverband (AKV) sind 42 Dienstnehmer und 273 Gläubiger betroffen; die Gesamtverbindlichkeiten liegen demnach bei fünf Milliarden Euro. Als Masseverwalter wurde der Wiener Rechtsanwalt Christof Stapf bestellt; Michael Neuhauser von derselben Kanzlei ist sein Stellvertreter.

Die Liste der Gläubiger ist aufschlussreich. Unter ihnen befinden sich laut STANDARD-Informationen – neben der Benko-Privatstiftung – unter anderem die Gebühren-Inkasso-Service (GIS) des ORF, der Hubschrauberbetreiber Helicopter Air Transport und Alfred Gusenbauer. Der Ex-Kanzler (SPÖ) steht als Person auf der Gläubigerliste als auch dessen Firma Gusenbauer Projektentwicklung und Beteiligung. Am 12. Februar 2024, 13 Uhr, wird über den Sanierungsplan abgestimmt. Die erste Gläubigerversammlung findet am 19. Dezember statt. (Renate Graber, Joseph Gepp, Luise Ungerboeck, 29.11.2023)