Weihnachtsbeleuchtung am Kohlmarkt, Wien.
Der Arbeitskampf im Handel soll zwischen 30. November und 3. Dezember stattfinden.
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Wien – Der Handel schließt seine Lohnverhandlungen nicht vor den Metallern ab – so ist es üblich. Kurz hatte es am Dienstagnachmittag so ausgesehen, als würde diese Tradition durchbrochen. Von konstruktiven Gesprächen und möglichen Varianten abseits der von den Arbeitgebervertretern in früheren Verhandlungsrunden ventilierten Einmalzahlungen war in Verhandlerkreisen die Rede. Am späten Abend dann wurde die vierte Runde abgebrochen – ohne Ergebnis. Heute wird deswegen in 300 Betrieben österreichweit die Arbeit niedergelegt. Einige Tausend der insgesamt 430.000 Beschäftigten lassen ihre Arbeit ruhen. Das kann so weit gehen, dass so manche Geschäfte geschlossen sind. Supermarktketten, Modehandel, Buchgeschäfte, Großhandel, Shoppingcenter werden betroffen sein, hat es gestern aus der Gewerkschaft geheißen. Eine Streikfreigabe hat der ÖGB bereits vorsorglich erteilt. Der Warnstreik soll bis 3. Dezember stattfinden. Wann wieder verhandelt wird, ist noch offen.

Video: Handels-KV - Warnstreiks nach gescheiterten Verhandlungen.
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Im niederösterreichischen Amstetten war am Donnerstag in der Früh von einem Streik nichts zu spüren. In den großen wie in den kleinen Supermärkten herrschte reges Treiben, in Gewand- und Einrichtungshäusern starteten die üblichen Vorbereitungen für den Start in den Tag. "Aja, der Streik wär ja heute", sagt eine Passantin. "Ja, passt eh, aber ich hol mir jetzt trotzdem mein Frühstück, offensichtlich streikt jetzt gerade niemand", meint sie lächelnd. Schilder oder Zettel an den Eingangstüren, die über den Streik informieren, hingen nirgendwo. In der Bezirkshauptstadt sieht es also vorerst nach der Ruhe vor keinem Sturm aus. In Wien gab es vereinzelt Warnstreiks. So legten etwa die Handelsangestellten bei Interspar sowie bei Thalia im Wiener Donauzentrum am Donnerstag in der Früh ihre Arbeit für einige Stunden nieder.

Gewerkschaft klagt über Einschüchterungsversuche

Eine Liste der bestreikten Unternehmen will die Gewerkschaft weiterhin nicht veröffentlichen – einerseits wegen des Überraschungseffekts, andererseits weil die Arbeitgeber versuchen würden, Beschäftigte einzuschüchtern und aufzufordern, dass sie sich am Streik nicht beteiligen sollen, sagte GPA-Chefverhandlerin Helga Fichtinger im Ö1-"Morgenjournal". Arbeitgeber-Chefverhandler Rainer Trefelik will das nicht so stehenlassen: "Wenn es ein Fehlverhalten geben sollte, bitte klar sagen: Hier gibt es ein Problem. Aber einen Generalverdacht einfach nur in den Raum stellen nach der Methode, es wird schon etwas hängenbleiben, das ist entschieden zurückzuweisen."

Am Nachmittag berichtete Gewerkschafterin Fichtinger von "massive(n) Einschüchterungsversuche(n) und Drohungen". "Wir sind aktuell mit Hilferufen von Angestellten konfrontiert, die uns per Mail und telefonisch mitteilen, dass sie derzeit massiv eingeschüchtert und sogar mit Kündigungen bedroht werden, wenn sie sich an Streikaktionen beteiligen sollten", so die Chefverhandlerin der GPA laut einer Aussendung.

Angenähert

Die Stimmung zwischen den Verhandlungspartner bleibt frostig. In den Positionen hat man sich zuletzt zumindest angenähert. Gingen die Arbeitgeber ursprünglich mit einem Gehaltsplus von fünf Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro ins Rennen, so besserten sie zuletzt auf sechs Prozent zuzüglich einer steuer- und abgabenfreien Teuerungsprämie von 1.000 Euro auf. Die Rechnung der Arbeitgeberseite geht so: Über alle Gehaltsstufen läge das Plus bei 8,98 Prozent, bei niedrigen Einkommen käme dies einer Bruttoerhöhung von 12,02 Prozent gleich, und bei höheren Einkommen schmilzt der Zuwachs auf 10,05 Prozent ab.

Auch die Gewerkschaft GPA rückte von ihren Forderungen etwas ab – auf zuletzt 9,4 Prozent. Die rote Linie: Das Angebot dürfe nicht unter der Inflationsrate der vorangegangenen zwölf Monate (9,2 Prozent) liegen, bei niedrigeren Einkommen sollten die Gehälter im Gegenzug deutlicher steigen.

Der Ton in der öffentlichen Debatte wird rauer. Während der Corona-Krise seien die Beschäftigten, großteils Frauen, noch als systemrelevant beklatscht worden, echauffierte sich ÖGB-Chef Wolfgang Katzian im Ö1-"Morgenjournal": "Und jetzt behandelt man sie wie einen nassen Fetzen und gibt ihnen in Wirklichkeit nicht einmal ansatzweise die rollierende Inflation. Wie soll sich das denn ausgehen?"

Handelsobmann Rainer Trefelik kontert: Eine Tonalität wie diese "macht es nicht einfacher, aufeinander zuzugehen". So wenig Flexibilität habe er noch nie erlebt, klagt der Arbeitgeberverhandler. (Regina Bruckner, Andreas Danzer, 30.11.2023)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde um 14.30 Uhr aktualisiert.