Während die Metaller bereits streiken und im Handel die Fronten verhärtet sind, kam es in der Nacht auf Dienstag in der dritten Verhandlungsrunde zu einer Einigung für einen neuen Kollektivvertrag in der Sozialwirtschaft. Es war ein verhandlungstechnischer Kraftakt, 16 Stunden dauerte es, bis Gewerkschaft und Arbeitgeberverband Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) übereinkamen.

Das Ergebnis: Löhne und Gehälter wie auch Zulagen und Zuschläge werden um 9,2 Prozent erhöht. Der neue Mindestlohn liegt bei 2.067,40 Euro. Die Erhöhung gilt für Ist-Einkommen und für Mindesteinkommen gleichermaßen. Für rund 130.000 Menschen im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich greift dieser Abschluss und tritt am 1. Jänner 2024 in Kraft.

Höherer Zuschlag fürs Einspringen

Neben dem monetären Abschluss wurden auch Verbesserungen im Rahmenrecht vereinbart. So wird die Bezahlung während der Nachtbereitschaft angehoben, Teilzeitbeschäftigte erhalten früher einen Zuschlag für Mehrarbeit, der Zuschlag für Einspringen wird um 15 Prozent erhöht und die Anerkennung von Vordienstzeiten und ausländischen Ausbildungen verbessert.

Eine Pflegerin hilft einem alten Mann, der am Stock geht.
Pflegepersonal, Altenbetreuer oder Pädagoginnen und Pädagogen, alle beklagen seit Jahren den akuten Personalmangel in der Branche. Das hat freilich auch mit der Bezahlung zu tun.
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Streik abgewendet

Streikandrohungen standen im Raum, bei der Betriebsrätekonferenz der Gewerkschaften GPA und Vida wurden vorsorglich die entsprechenden Streikbeschlüsse gefasst. Doch so weit wollte man es offensichtlich nicht kommen lassen. Dabei lagen Arbeitnehmerforderung und Arbeitgeberangebot zu Beginn sehr weit auseinander.

Wie bereits im Jahr 2022 forderte die Gewerkschaften eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 15 Prozent, doch dieses Mal mindestens 400 Euro mehr und nicht mehr 350 Euro. Dem gegenüber stand das Offert von 8,8 Prozent – das entspricht minimal mehr als der rollierenden Inflation, also vom vergangenen November bis Oktober. Doch man fand zueinander.

Beide Seiten zufrieden

Eva Scherz, Verhandlerin für die Gewerkschaft GPA, zeigte sich entsprechend erfreut: "Mit dem vorliegenden Abschluss werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanziell entlastet. Eine Sozialarbeiterin mit zehn Dienstjahren verdient nun monatlich bei Vollzeit beispielsweise über 300 Euro mehr. Gerade im Vergleich mit anderen Branchen zeigt sich, dass eine Erhöhung über der Inflationsrate von 8,7 Prozent alles andere als selbstverständlich ist."

Auch die Arbeitgeberseite ist zufrieden. "Mit diesem Abschluss konnten wir ein starkes Zeichen für die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich setzen, die im letzten Jahr mit hohen Kosten aufgrund der Teuerung belastet wurden", sagte der SWÖ-Verhandlungsführer Walter Marschitz in einer Aussendung. Zur Entlastung der Teilzeitbeschäftigten sei eine Senkung der sogenannten Pufferstunden bei Teilzeitmehrarbeitsstunden vereinbart worden. Marschitz: "Wir haben eine Senkung von 16 auf acht Stunden vereinbart, damit erreichen wir den Großteil der Beschäftigten."

Auch die Bezahlung während der Nachtbereitschaft wird angehoben, der Zuschlag für Einspringen wird um 15 Prozent erhöht (Symbolbild).
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Angebot und Nachfrage

Weiterhin brisant bleibt das Problem des Fachkräftemangels. Pflegepersonal, Altenbetreuer oder Pädagoginnen und Pädagogen – sie und viele weitere beklagen bereits seit Jahren die Arbeitsbedingungen in ihren Jobs. Zu wenig Personal, zu wenig Geld. Dementsprechend hatten sich Expertinnen und Experten im Vorfeld nicht über die hohe Forderung der Gewerkschaft gewundert.

Aufgrund der demografischen Entwicklung im Land wird die Nachfrage in der Sozialwirtschaft zunehmen. Und wenn mehr Nachfrage auf zu wenig Angebot trifft, lässt das in der Regel die Löhne steigen."Um die Qualität in Pflege und Betreuung gerade für eine alternde Bevölkerung weiterhin zu sichern, müssen die Löhne deutlich steigen“, forderte Katharina Mader, Chefökonomin am gewerkschaftsnahen Momentum-Institut, bereits im Vorfeld der aktuellen Verhandlungsrunde.

Sie kritisierte, dass Stundenlöhne im technischen Bereich der Daseinsvorsorge wesentlich höher seien. Sowohl Beschäftigten in der Informations- und Kommunikationstechnologie als auch im Energiebereich erhalten durchschnittlich mehr als 26 Euro brutto pro Stunde, heißt es beim Momentum-Institut. In der Pflege seien es bisher im Schnitt 17,83 Euro brutto Stunde, in der Betreuung 16,27 Euro gewesen.

Besondere Bedingungen

Die KV-Verhandlungen in der Sozialwirtschaft laufen unter etwas anderen Bedingungen als im Gros der restlichen Branchen. Auch wenn die Einigung formell privates Pflegepersonal und Freizeitbetreuerinnen betrifft, kommen deren Gehälter doch großteils von der öffentlichen Hand. Zu den größten Arbeitgebern zählen Hilfswerk, Volkshilfe und Caritas Socialis. Und dementsprechend können Arbeitgeber nicht frei nach privatwirtschaftlichen Interessen entscheiden. Werden Förderungen nicht bewilligt, können keine Löhne ausbezahlt werden. Letzten Endes liegt es also beim Staat.

Auch die Beschäftigungsquote gestaltet sich in der Sozialwirtschaft anders. Vom Kollektivvertrag sind rund 130.000 Menschen erfasst, darunter mehr als 70 Prozent Frauen, die Mehrheit arbeitet in Teilzeit.

Bisherige Einigungen

Nicht überall wurde so lange verhandelt, auch wenn der Staat involviert war. So gab es in der Vorwoche eine Einigung bei den Beamten, die im Schnitt 9,15 Prozent mehr bekommen, bereits im September wurden die Pensionen für 2024 um 9,7 Prozent aufgestockt. Ebenfalls einig wurde man sich bei den Bäckern (plus 9,71 Prozent) und den Beschäftigten der Privatforste (plus 8,8 Prozent). Schuhmacher und Textilreiniger bekommen ab kommendem Jahr ebenfalls um bis zu neun Prozent mehr. Einmalzahlungen, ein großes Streitthema bei den Metallern, gab es in diesen Branchen nicht. (Andreas Danzer, 28.11.2023)