Sie werden nicht leiser, die Rufe nach einer Abschaffung der sogenannten KIM-VO, die seit August 2022 die Vergabe von Wohnkrediten massiv erschwert. Erst am Montag forderten der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB) sowie die FPÖ neuerlich eine "Evaluierung" samt Entschärfung beziehungsweise eine ersatzlose Streichung der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung. Am Dienstag waren die Gemeinnützigen dran, die etwa im Fall der Salzburg Wohnbau "seit Juli keine Wohnung mehr verkauft haben", wie Geschäftsführer Christian Struber sagte. Schuld daran seien in erster Linie die strengen Kreditvergaberegeln.

Zwei Personen an einem Schreibtisch, eine Hand hält ein kleines Häuschen in die Höhe.
Die Wohnkreditvergabe wurde mit der KIM-Verordnung im August 2022 enorm eingeschränkt, das wirkt sich nun massiv aus. Das - und die hohen Zinsen.
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Und im Oktober sprachen sich praktisch alle Wohnbaulandesräte der Bundesländer auf ihrer jährlichen Konferenz für eine sofortige Abschaffung der KIM-VO aus – vor allem aus Sorge um die Bauwirtschaft. "Wir müssen darauf achten, dass das Bauen nicht ins Stocken gerät. Jede Wohnung, die nicht gebaut wird, geht am Markt ab", sagte Oberösterreichs Wohnbaureferent Manfred Haimbuchner (FPÖ). Die KIM-VO sei eine "Eigentumsfinanzierungsverhinderungs-Verordnung", ärgerte sich der blaue Landesrat.

Letzte Sitzung im heurigen Jahr

Die nächste Möglichkeit für die Abschaffung oder zumindest um Änderungen bei der KIM-VO in die Wege zu leiten gibt es am 11. Dezember. An diesem Tag wird das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) seine nächste Sitzung abhalten, es wird die bereits fünfte im heurigen Jahr sein.

Vor rund einem Jahr, im Dezember 2022, hatte das Gremium, dem Vertreterinnen und Vertreter des Finanzministeriums, der Nationalbank (OeNB), der Finanzmarktaufsicht (FMA) und des Fiskalrats angehören, in seiner letzten Sitzung des abgelaufenen Jahres durchaus für einen Lichtblick am Horizont gesorgt. Damals wurde nämlich unter anderem eine kleine Erleichterung für Zwischenfinanzierungen empfohlen. Außerdem wurden mit der anschließenden kleinen Novelle der Verordnung per April 2022 nicht-rückzahlbare Zuschüsse von Gebietskörperschaften als Eigenmittel anerkannt.

Und nun könnte es in der letzten Sitzung des FMSG im Jahr 2023 dem Vernehmen nach wieder zu der einen oder anderen Erleichterung kommen. In Überlegung sind offenbar Änderungen bei den Ausnahmekontingenten und bei den Ausnahmeregelungen generell. In welche Richtung das gehen könnte, ist aber noch ungewiss. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hatte vorgeschlagen, dass anstatt etwa bei der Schuldendienstquote eine bestimmte Prozentschwelle festzuschreiben, auf fixe Beträge umgestellt werden könnte. Das würde Menschen, die gut verdienen, aber mit der Kreditrate trotzdem über die festgelegte 40-Prozent-Schwelle des Einkommens geraten ("Schuldendienstquote"), einen Kredit erleichtern.

"Negative Entwicklung wird noch befeuert"

In diese Richtung sollte es auch aus Sicht von Martin Prunbauer gehen, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbunds (ÖHGB). Er macht seit Wochen Stimmung gegen die KIM-VO. Aber warum eigentlich, als Präsident derer, die eh schon eine Immobilie besitzen? "Es ist uns eben ein großes Anliegen, dass sich noch mehr Menschen Eigentum leisten können", sagt er dem STANDARD. "Wir sind pro Eigentum, denn es schafft Unabhängigkeit und ist die beste Altersvorsorge." Dem Finanzmarktstabilitätsgremium und der FMA, die letztlich für die Verordnung verantwortlich ist, möchte er ausrichten, dass es "ein Fehler wäre, wenn man eine Entwicklung, die negativ ist, sogar noch befeuert".

Denn genau das tut die KIM-VO mittlerweile aus seiner Sicht: "Die Verordnung sollte eigentlich eine Überhitzung des Immobilienmarktes verhindern, doch mittlerweile verfehlen die Maßnahmen ihr Ziel. Der Immobilienmarkt hat sich seitdem gravierend geändert. Die Kreditzinsen sind hoch, und die Vergabe von Wohnbaudarlehen ist massiv eingebrochen."

Hier trifft sich die Meinung Prunbauers mit jener von Christian Struber, dem Bundesobmann der Arge Eigenheim, der die ÖVP-nahen gemeinnützigen Bauvereinigungen angehören. Struber geht sogar so weit, zu behaupten, dass die "systemischen Risiken", die die FMA und das FMSG eigentlich zu verhindern trachten, "gerade durch die KIM-VO aufgetreten sind". Baumeister und Fertighaushersteller hätten mittlerweile "existenzielle Probleme".

Es wird ernst vor dem VfGH

In der Arge hofft man deshalb, dass der Individualantrag gegen die KIM-VO, der beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) liegt, von Erfolg gekrönt sein wird. Just in der Woche der FMSG-Sitzung ab 11. Dezember könnte es dort diesbezüglich spannend werden.

Wie berichtet, bekämpft ein Vorarlberger dort Teile der Verordnung und will erreichen, dass sie als gesetzeswidrig erkannt und aufgehoben wird. Der Antragsteller wollte eine Eigentumswohnung um 190.000 Euro zuzüglich Nebenkosten kaufen. Weil die Wohnung saniert werden müsste, hat er zusätzlich ein Sanierungsdarlehen in Höhe von 11.000 Euro in den Kreditantrag integriert. An Eigenmitteln waren 30.000 Euro vorhanden, rund 180.000 Euro wären zu finanzieren gewesen. Die monatliche Rate für einen Euro-Annuitätenkredit auf 30 Jahre mit einem Fixzinssatz auf zehn Jahre wäre bei rund 900 Euro gelegen.

Gemäß Haushaltsrechnung wäre die Schuldendienstquote dadurch bei rund 50 Prozent des Einkommens gelegen. Laut der KIM-VO darf bei privaten Wohnkrediten die Schuldendienstquote aber nicht mehr als 40 Prozent betragen. Außerdem würde der Kredit für den Vorarlberger die höchstmögliche Beleihungsquote von 90 Prozent überschreiten. Und weil das Ausnahmekontingent der finanzierenden Bank bereits ausgeschöpft war, konnte die gewünschte Finanzierung nicht gewährt werden.

Der Antragsteller bringt vor, dass diese Beschränkungen gegen das Bankwesengesetz (BWG) verstoßen. Nach dem BWG dürfen derartige Beschränkungen nämlich nur dann erlassen werden, wenn systemische Risiken aus Fremdkapitalfinanzierungen von Immobilien mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Finanzmarktstabilität vorliegen. Diese Voraussetzung sei, so der Antragsteller, schon bei der Erlassung der Verordnung nicht vorgelegen: Die Vergabe von Wohnraumfinanzierungen sei nämlich seit mehreren Jahren – als direkte Folge der Immobilien- und Finanzkrise 2008 – anderen strikten Regelungen unterworfen.

Nach wie vor viele variable Kredite

Wie die Sache vor dem VfGH ausgehen wird, ist völlig offen. Abseits davon haben aber auch die Stimmen für eine weiterhin strenge KIM-VO kürzlich neue Argumente bekommen. In der Nationalbank sieht man Anzeichen für einen Anstieg der Kreditausfälle im Immobiliensektor – vor allem im Bereich der Gewerbeimmobilien, aber auch im Wohnbereich. Dort habe es über viele Jahre hinweg nur sinkende Ausfallquoten gegeben, nun werde wieder ein leichter Anstieg sichtbar. "Wir haben zusätzliche Ausfälle gehabt in einer Größenordnung von ungefähr 100 Millionen Euro", sagte der OeNB-Direktor Markus Schwaiger.

Bei den Wohnkrediten sei das Neuvergabevolumen deutlich zurückgegangen. Auch der Zinssatz für Kredite habe sich reduziert, da fix verzinste Kredite derzeit günstiger seien als variabel verzinste. Nach wie vor würden viele Kredite mit einem variablen Zinssatz vergeben. "Jeder zweite neu vergebene Kredit ist variabel verzinst, in der Eurozone sind es nur 20 Prozent", so Schwaiger.

Nichtsdestotrotz hätten sich die Vergabestandards bei Wohnkrediten aber stark verbessert. Bemerkenswert sei auch, dass die Banken die Ausnahmekontingente, die in der Verordnung festgelegt seinen, bei weitem nicht ausnützen würden. Im ersten Halbjahr 2023 hätten 50 Prozent der Banken weniger als die Hälfte der Ausnahmekontingente ausgenutzt. Für OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber ist dies ein Hinweis darauf, dass die KIM-VO nicht dazu führt, dass im Sektor weniger Potenzial für die Kreditvergabe zur Verfügung stehe. Der Rückgang beim Kreditwachstum sei zinsgetrieben und komme nicht von der im Vorjahr beschlossenen Verordnung. (Martin Putschögl, 1.12.2023)