Das Naheverhältnis zwischen Signa-Gründer René Benko und einem großen Teil der österreichischen Politik ist kein Geheimnis. Bislang nicht bekannt war aber, dass die Signa Holding GmbH, die am Mittwoch Insolvenz beantragte, jahrelang Netzwerkpflege mit Jagdeinladungen betrieben hat. Dem STANDARD und dem Podcast "Die Dunkelkammer" von STANDARD-Autor Michael Nikbakhsh liegen Namenslisten zur Jagd auf "Niederwild" und zum "Entenputzen" vor, etwa aus dem Jahr 2018. Darauf befinden sich auch zahlreiche Personen, die damals Amtsträger waren.

René Benko
Benko soll selbst mehrere Jagdgründe betreiben.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Bei den Listen dürfte es sich um ein internes Brainstorming handeln, welche Persönlichkeiten für Jagdeinladungen der Signa Holding infrage kommen könnten. Ob diese Personen tatsächlich eingeladen oder sogar an der Jagd teilgenommen haben, lässt sich anhand der Liste nicht rekonstruieren.

Mehrere Personen bestätigen dem STANDARD allerdings, dass der Nationalratsabgeordnete Johannes Schmuckenschlager, seit 2018 auch Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, mit der Signa gejagt hat. In der "Orientierungshilfe für MandatarInnen zum Umgang mit Vorteilen" heißt es: "Besondere Vorsicht ist daher angezeigt, wenn MandatarInnen Vorteile angeboten oder gewährt werden", man solle sich "an der Drei-K-Regel (Kaffee, Kalender, Kleinigkeiten)" orientieren. Welchen Wert die Jagdeinladung der Signa hatte, ist nicht bekannt. Schmuckenschlager spricht auf Anfrage davon, dass das "erlegte Wildbret von geringem Wert" sei und man "erlegte Hasen gegen Bezahlung mitnehmen" könne, die Kosten also "sehr gering" seien. Er erinnere sich an zwei Jagden, die schon längere Zeit her seien. "Ich stehe und stand zu diesem Zeitpunkt persönlich und in meinen Funktionen in keinerlei geschäftlicher oder beruflicher Verbindung zu Signa oder den von Ihnen angeführten Personen", sagt Schmuckenschlager auf Anfrage. Er sei "öfter zu Jagden eingeladen", da bekannt sei, dass er Jäger sei, er "achte aber stets auf die Compliance (Thema Kosten)" und habe "an keinen Trophäenjagden teilgenommen".

Mahrer: "Kein Interesse an Teilnahme"

Zumindest eingeladen wurde Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer, der auch Präsident des Generalrats der Oesterreichischen Nationalbank ist. Es habe "Einladungen, aber kein Interesse an einer Teilnahme gegeben", heißt es aus seinem Büro. Josef Plank (ÖVP), damals Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium, kann sich "an eine Jagdeinladung im Burgenland erinnern", er nehme aber "grundsätzlich an keinen Jagden teil".

Die Listen zeigen eine deutliche Affinität zu ÖVP-Politikern oder Personen, die der Volkspartei nahestehen. Auf ihnen finden sich beispielsweise der niederösterreichische Landeshauptfrau-Vize Stephan Pernkopf ("nie teilgenommen und war nie eingeladen"), Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer sowie der heutige ÖVP-Geschäftsführer Alexander Pröll, Sohn des einstigen Vizekanzlers und jetzigen niederösterreichischen Landesjägermeisters Josef Pröll (ÖVP). Pröll junior war als Mitarbeiter der ÖVP-Bundespartei beschäftigt und schließt auf Anfrage aus, an solchen Jagden teilgenommen zu haben. Auch der damalige Direktor der politischen Akademie der ÖVP, Dietmar Halper, steht auf Signa-Listen. Er gibt an, sich "an zwei oder drei Jagden im Revier Nickelsdorf, an denen ich teilgenommen habe", zu erinnern. Es wurde "aus Compliance-Gründen ein Teilnahme-Beitrag eingehoben, den ich selbst bezahlt habe", schreibt Halper, der gemeinsam mit ÖVP-Anwalt Werner Suppan das Buch "Korruption beim Kaffeetrinken? Eine Orientierung zum Korruptionsstrafrecht für politische Amtsträger und Funktionäre" verfasst hat.

Auf der Liste steht auch Michael Esterl, damals Generalsekretär im Digitalisierungsministerium von Margarete Schramböck (ÖVP); sowie der einstige Gemeindebund-Chef Alfred Riedl, der rund um seine Immobiliengeschäfte in Grafenwörth und die dortige Rolle als Bürgermeister in heftige Kritik geriet. Wenn nicht anders ausgeführt, antworteten die Genannten auf Anfragen nicht.

Einladungen an den Chef der Bundesimmobilien

Besonders brisant ist, dass die Signa Holding zumindest überlegte, den Chef der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), Hans-Peter Weiss, zu Jagden einzuladen. Aus der BIG heißt es dazu auf Anfrage: "Wie schon bei früheren Medienanfragen klargestellt, hat Herr Weiss erhaltene Einladungen zu Jagdgesellschaften mit dem Hinweis auf Compliance-Gründe abgesagt – dazu liegen auch schriftliche Absagen vor." Sämtliche wahrgenommenen Termine mit Signa seien "rein geschäftlicher Natur" gewesen. Die Signa reagierte auf eine schriftliche Anfrage nicht.

Die Beziehung zwischen Signa und BIG war immer wieder Thema in den beiden vergangenen U-Ausschüssen, teils auch unter heftiger Kritik von Opposition und Grünen. Da ging es etwa um die Postsparkasse in Wien: Benkos Signa hatte das Gebäude im Jahr 2014 um rund 150 Millionen Euro erworben und im Jahr 2019 einen 99 Jahre langen Baurechtsvertrag mit der BIG abgeschlossen. Daraufhin steigerte sich der Wert des Gebäudes auf 330 Millionen Euro.

Mit der BIG gibt es auch personelle Überschneidungen: Ihr früherer Chef Christoph Stadlhuber war 2011 als Geschäftsführer zur Signa Holding gewechselt. Dessen ehemaliger Schwiegervater ist Ex-Raiffeisen-General Christian Konrad, der dem STANDARD bestätigt, von Stadlhuber vor rund fünf Jahren zu einer Jagd eingeladen worden zu sein und an einer Hasenjagd teilgenommen zu haben.

Jagden spielten in einigen österreichischen Korruptionsskandalen eine Rolle, etwa rund um die Telekom-Affäre. Jener Mitarbeiter der Telekom, der damals Jagdeinladungslisten zusammenstellte, tat dies ab 2018 dann für die Signa, wo er mittlerweile als "Special Projects"-Manager tätig ist.

Korruptionsermittlungen

Abwerben wollte Benko laut Ermittlungsakten der WKStA auch den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid, wie dieser in seinem Geständnis im Sommer 2022 erzählte. Schmid habe das als Bestechungsversuch wahrgenommen; er habe Benko sinngemäß bei dessen Steuerangelegenheiten unterstützen sollen, um im Gegenzug mit einem Posten als "Generalbevollmächtigter" bei der Signa belohnt zu werden. Die WKStA ermittelt deshalb wegen Bestechung, es gilt die Unschuldsvermutung.

Freigesprochen wurde Benko vom Vorwurf, er habe den Ex-Grünen-Politiker Christoph Chorherr mit Spenden an dessen Verein S2Arch bestochen. Der Freispruch für Chorherr, der seine Unschuld betont, ist noch nicht rechtskräftig, jener für Benko schon. Verurteilt wurde der Tiroler Immobilientycoon dagegen im Jahr 2014, als der Oberste Gerichtshof ein mittlerweile getilgtes Urteil wegen "versuchter verbotener Intervention" bestätigte.

Die zumindest angedachten Jagdeinladungen dürften für eine neuerliche Diskussion rund um die politische Landschaftspflege der Signa sorgen; mit Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) hatten sogar zwei Altkanzler geschäftliche Beziehungen zur Signa, die ihnen Honorare in Millionenhöhe verschafften. Ab kommendem Jahr wird sich ja ein von SPÖ und FPÖ eingesetzter U-Ausschuss mit dem Vorwurf einer "Zwei-Klassen-Verwaltung", die ÖVP-nahe Unternehmer bevorzugen soll, auseinandersetzen. Meistgenannte Person im Antrag auf Einsetzung des U-Ausschusses: René Benko.

"Wir werden im COFAG-Untersuchungsausschuss penibel untersuchen, wer eingeladen wurde, welche anderen Versuche von Einflussnahme es von Seiten Benkos gab und wie darauf reagiert wurde", kündigte der rote U-Ausschuss-Fraktionsführer Jan Krainer an. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 30.11.2023)