Schnitzerin Lisa Hirschbichler setzt mit den weiblichen Krampusmasken neue Akzente in der männerdominierten Tradition.
Stefanie Ruep

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wo gesägt und geschnitzt wird, wirbeln sie durch die Luft. Ein paar dieser Späne landen auf den langen Dreadlocks von Lisa Hirschbichler. Die 31-Jährige ist Maskenschnitzerin in Saalfelden und werkt an ganz besonderen Larven. Denn ihre Krampusmasken haben ein weibliches Antlitz.

Antilopenhörner, lange weiße Haare, spitze Ohren, und die Haut ist von tiefen Furchen durchzogen. Die Weibsteufelmaske, aus deren Mund mit faulen Zähnen eine lange rote Zunge ragt, wird noch heuer ausgeliefert. Die Trägerin wird mit den bösen Augen, die aus dunkel geschminkten Lidern blicken, wohl einige Menschen beim Krampuslauf erschrecken. Geschnitzt hat die Maske aus Zirbenholz die Schoatnhex. Die Schoatn, also die Hobelspäne, in den Haaren haben Hirschbichler auch ihren Künstlernamen eingebracht. Ihr Freund Erwin Herzog, der ebenfalls Motorsägenkünstler ist, nannte sie so scherzhaft, als sie wieder mal mit Spänen übersät war. Hirschbichler machte den Namen zur Marke.

Fliegende Holzspäne werden im Pinzgau Schoatn genannt. Sie wurden für die Schnitzerin Schoatnhex namensgebend.
Edith Danzer

2015 hat die Pinzgauerin begonnen zu schnitzen, zuerst als Hobby neben ihrem Beruf als Masseurin und Fitnesstrainerin. Die Motorsäge ließ sie zu Beginn noch links liegen. "Das war mit am Anfang zu wax (arg, Anm.)", erklärt die 31-Jährige beim Besuch in ihrer Werkstatt. Sie habe zunächst nur mit Schnitzeisen gearbeitet. Das sei aber vor allem beim Zuschneiden der Grundform für den Krampusschädel sehr zeitaufwendig. Als dann immer mehr Aufträge reinkamen, sei sie über ihren Schatten gesprungen und griff schließlich zur Motorsäge. "Es macht Spaß, und es geht schnell was voran", sagt Hirschbischler. Die Motorsäge ist nun auch Bestandteil ihres Logos, auf dem eine Hexe auf einem Besenstiel reitet – mit einer Motorsäge in der Hand.

Nach drei Jahren machte Lisa Hirschbichler ihr Hobby schließlich zum Beruf und ist seit 2018 als Maskenschnitzerin selbstständig. Rund 30 Masken schnitzt die Künstlerin pro Jahr, zwei Drittel davon seien Weibsteufel. Neben den Krampusmasken arbeitet Hirschbichler auch an anderen Holzskulpturen und Tierfiguren. Die meisten Aufträge kommen über ihre Social-Media-Accounts auf Instagram und Facebook herein. Bestellungen kommen vor allem aus Österreich, heuer viele aus Ober- und Niederösterreich, aber auch nach England und in die USA habe sie bereits weibliche Krampusmasken verschickt.

Die Kundinnen und Kunden haben oft bereits sehr genaue Vorstellungen, wie die Maske später aussehen soll. Bei einzelnen Frauenmasken wollen manche auch die Gesichtszüge der Schnitzerin erkennen. Das liege wohl daran, dass sie immer in den Spiegel schaue, um die richtige Mimik ins Holz zu bekommen, mutmaßt Hirschbichler.

Videoreportage: Was der Krampus mit Toxic Masculinity zu tun hat
DER STANDARD

Tendenz zum Weglaufen

"Die Gesichtszüge sind etwas feiner ausgearbeitet", erklärt die Künstlerin den Unterschied zu männlichen Krampusmasken. Die meisten hätten auch Augen-Make-up und falsche Wimpern. "Ein kleines Detail, das viel ausmacht", sagt Hirschbichler. Wichtig sei es, die Loavn trotzdem schiach, gruselig und schaurig zu machen. Das sei gar nicht so einfach. Mit ihrer alten Maske sei sie häufiger um ein Selfie gefragt worden. "Das ist nicht der Effekt, den ich erzielen wollte", betont die Schnitzerin. "Die Leute sollen schon die Tendenz zum Weglaufen haben, nicht zum Fotomachen."

Nach der Corona-Pandemie habe die Tradition der Krampusläufe einen neuen Aufwind bekommen. Das beobachtet auch Lisa Hirschbichler. "Ich und meine Schnitzerkollegen sind ausgebucht", sagt die Pinzgauerin. Es gebe auch viel mehr Veranstaltungen mit mehr Besucherinnen und Besuchern und auch viele neue Krampuspasse, die meist in Vereinen organisiert sind. "Vielleicht haben die Leute Angst, dass der Brauch ausstirbt", sagt die Schnitzerin. Da in den Corona-Jahren die meisten Läufe abgesagt wurden, wüssten es nun wieder alle mehr zu schätzen. Hirschbichlers Ziel war es, im Pinzgau auch eine rein weibliche Krampuspass zu etablieren. Bisher seien sie aber nur zu viert und suchen noch nach begeisterten Frauen. In Kärnten gibt es bereits eine weibliche Pass, auch wenn die Teilnehmerinnen mit männlichen Masken laufen.

Langer Bart und spitze Ohren – auch männliche Masken werden in der Werkstatt in Saalfelden gefertigt.
Stefanie Ruep

Dass die schaurig-schönen Begleiter des Nikolaus immer öfter Frauen sind, sei eine Weiterentwicklung des Brauchtums. Der Krampus per se sei nicht explizit männlich, meint Hirschbichler. Früher sei die Frau nur das Opfer gewesen, das mit der Rute geschlagen werde. "Nun schlüpft sie aus der Opferrolle heraus und rein unter die Maske", sagt die Künstlerin. Auch die Masken hätten sich verändert, viele es gebe Einflüsse aus der Popkultur oder aus Filmen. "Die Masken entwickeln sich mit der Gesellschaft."

Heuer macht die vielbeschäftigte Schnitzerin erstmals eine Pause und läuft selbst bei keinem Krampuslauf mit. Stattdessen arbeitet sie noch an Weihnachtsbestellungen und ist auf einem Adventmarkt zum Schauschnitzen. Doch für nächstes Jahr will sich Hirschbichler eine neue furchteinflößende Weibsteufelmaske schnitzen, mit der sie Angst und Schrecken verbreitet will. Da werden die Schoatn wieder fliegen. (Stefanie Ruep, 5.12.2023)