Zwei Wachen am abgesperrten Roten Platz in Moskau
Am Roten Platz ist der Ex-Leiter des OMV-Büros in Moskau, Andreas Böldt, oft vorbeigekommen. Nun klagt er gegen seine Entlassung.
REUTERS/MAXIM SHEMETOV

Die OMV kommt wegen Russland nicht zur Ruhe. Der Öl-, Gas- und Chemiekonzern hat nach dem Überfall von Putins Truppen auf die Ukraine zwar seine Aktivitäten im hohen Norden deutlich reduziert; engagiert bleibt Österreichs größter Industriekonzern in Russland aber immer noch, nicht zuletzt wegen der Gasbezüge, die vertraglich bis 2040 fixiert sind. Im vorliegenden Fall geht es um einen ehemaligen Mitarbeiter ebendort, der fristlos entlassen wurde und nun vor Gericht geht.

Es ist kein gewöhnlicher Mitarbeiter, dem die Fristlose widerfahren ist. Andreas Böldt hat seit April 2017 das Büro der OMV in Moskau geleitet. Geholt hat ihn Rainer Seele, von Juli 2015 bis August 2021 Generaldirektor der OMV. Beide kannten einander.

Seele war vor seinem Wechsel zur OMV Vorstandschef der BASF-Tochter Wintershall; Böldt war für Wintershall, einen auf die Produktion von Öl und Gas spezialisierten deutschen Konzern, in Moskau tätig. Unter dem jetzigen OMV-Chef Alfred Stern wurde Böldt Anfang 2023 zusätzlich zur Leitung der Moskau-Repräsentanz noch mit der Leitung der OMV-Zweigstelle in Sankt Petersburg betraut. Ein Zeichen von Wertschätzung, möchte man meinen. Im April hat dann alles eine andere Wendung genommen, und das radikal schnell.

Nach Wien beordert

"Ich wurde nach Wien beordert, wo mir die fristlose Entlassung mitgeteilt wurde. Das Entlassungsschreiben habe ich am 18. April erhalten", sagt Böldt im Gespräch mit dem STANDARD. Als Grund sei die mangelnde Vertrauenswürdigkeit seiner Person ins Treffen geführt worden.

Die Geschichte geht, kurz erzählt, so: Er, Böldt, habe anlässlich des Beitritts der OMV Russia Upstream GmbH, einer Tochter der OMV Exploration & Production GmbH mit Sitz in Wien, zur Deutsch-Russischen Außenhandelskammer (AHK) im internen Newsletter der AHK vom 14. April 2023 eine Aussage getätigt, die nicht mit der Kommunikationsabteilung des Konzerns abgestimmt gewesen sei.

Nicht abgestimmt

Böldt bestreitet das nicht. Den Newsletter mit seinen Antworten auf drei gestellte Fragen gebe es. Der sei nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt gewesen, sondern für den vergleichsweise engen Kreis der AHK-Mitglieder.

Was ist nun so verfänglich, dass sich die OMV genötigt sah, die Fristlose auszusprechen? Das geht nicht so ohne weiteres, dafür muss ein schwerwiegender Grund vorliegen.

Auf die Frage, was ihn, Böldt, mit Russland verbinde, antwortete dieser im Newsletter: "Russland bin ich seit vielen Jahren eng verbunden, beginnend mit dem Studium in Moskau und später durch die Arbeit. Mittlerweile lebe und arbeite ich seit mehr als zehn Jahren in Russland, seit 2017 für die OMV. Russland bietet ein enormes Potenzial in jeglicher Hinsicht. Persönlich schätze ich sehr die vielfältigen kulturellen Angebote, die Kreativität und Aufgeschlossenheit der Menschen sowie die unterschiedlichen Landschaften und Naturregionen." Die zwei anderen Fragen waren, was die OMV generell mache und was der Grund für den Beitritt zur AHK sei.

Streitwert: 350.000 Euro

Inhaltlich seien das völlig harmlose Aussagen, sie entsprächen auch der Erwartung an die Funktion eines Leiters von einem Repräsentanzbüro und einer Zweigniederlassung in Russland. Es gehöre zum Job, vor allem innerhalb von Russland ein positives Bild der OMV und ihrer Mitarbeiter zu zeichnen.

Böldt hält den Vorwurf, nicht vertrauenswürdig zu sein, für konstruiert, er geht nun gerichtlich gegen die fristlose Entlassung vor. Kommenden Mittwoch wird die Causa vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien verhandelt. Es geht um rund 350.000 Euro. Der Entsendevertrag von Böldt nach Russland wäre noch bis 2025 gelaufen, mit der OMV hatte der gebürtige Deutsche einen unbefristeten Vertrag.

Gutachten

Stützen will sich Böldt vor Gericht auch auf ein Gutachten. Der Sachverständige kommt darin zum Ergebnis, dass der Kläger, also Böldt, auch bei intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von zwölf Monaten ab Wirksamwerden der Entlassung zum 18. April 2023 kein annähernd vergleichbares Dienstverhältnis wird erlangen können und dass er, Jahrgang 1964, somit dem Kreis der langzeitarbeitslosen Personen zuzurechnen sein wird.

Bei der OMV hieß es auf Anfrage des STANDARD, dass man ein laufendes Verfahren nicht kommentiere. Ob die Moskau-Repräsentanz der OMV sowie die Zweigstelle in St. Petersburg inzwischen geschlossen worden seien? "Kein Kommentar", lautete die Antwort am Donnerstag. (Günther Strobl, 1.12.2023)