Die Auftragsvergabe im Bereich Medizintechnik sowie Beratung durch die Wiener Gemeindespitäler wird von den Prüfern des Bundesrechnungshofs zerpflückt. Kritisiert wird etwa eine intransparente Vorgangsweise mit wenig Wettbewerb sowie eine mangelnde Dokumentation.
Andy Urban

Der Bundesrechnungshof (RH) hat die Vergabepraxis im Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) im Bereich Medizintechnik und Beratung unter die Lupe genommen – und hat zahlreiche Versäumnisse beim städtischen Spitalsträger aufgedeckt. Aus dem am Freitag veröffentlichten Prüfbericht geht hervor, dass in gleich 48 von 66 überprüften Fällen Mängel bei der Dokumentation der Auftragsvergabe festgestellt wurden. Bei fünf Vergabefällen wurden nach Ansicht der Prüferinnen und Prüfer "unzulässige Vergabeverfahren" gewählt. Generell war "die notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit insgesamt nicht gewährleistet", wie im Bericht festgehalten wurde.

Im überprüften Zeitraum zwischen 2010 und März 2021 führte der Wigev insgesamt 1.456 Beschaffungen im Bereich Medizintechnik mit Summen von mehr als 50.000 Euro durch. Diese machten 484,70 Millionen Euro aus. Kontrolliert wurden auch 44 Zukäufe von Beratungsleistungen mit einer Vergabesumme von jeweils mehr als 190.000 Euro, insgesamt ging es hier um 145,44 Millionen Euro: In keinem Fall soll hier vorab geprüft worden sein, ob diese Leistungen auch von eigenen Wigev-Bediensteten hätten erbracht werden können.

Die Prüfer bemängelten auch, dass einheitliche Vorgaben für die Abwicklung der Verfahren fehlten und ein reduzierter Wettbewerb stattfand: So wurden rund zwei Drittel der Vergaben über 50.000 Euro im Bereich Medizintechnik durchgeführt, ohne dass das Verfahren vorher bekanntgemacht wurde. Der Bieterkreis wurde damit eingeschränkt, gingen die Prüfer mit dem Verhalten des Wigev hart ins Gericht. Es gab "eine hohe Konzentration auf wenige Auftragnehmer": An die jeweils zehn größten Auftragnehmer wurden mehr als die Hälfte des Auftragsvolumens beziehungsweise mehr als ein Drittel der Aufträge vergeben. Der Wigev konnte zu 1.198 Vergabeverfahren Angaben zur Anzahl der Bieter machen: In knapp 60 Prozent der Fälle legte nur ein Bieter ein Angebot vor. In nur rund acht Prozent der Fälle gab es mehr als drei Bieter. Der RH empfahl dem Spitalsverbund, den Wettbewerb im Rahmen seiner Möglichkeiten zu stärken: So sollten verpflichtend mehrere Angebote eingeholt werden, falls Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden.

Laut Rechnungshof hat der Wigev erst im Jahr 2017 begonnen, ein Compliance-Management-System aufzubauen. Die seither eingeleiteten Maßnahmen wurden weitgehend positiv beurteilt: So seien Führungskräfte mit Compliance-Verantwortung betraut worden, es sei ein Verhaltenskodex erlassen und eine Whistleblower-Plattform eingerichtet wurden. Zudem wurde ein Chief Compliance Officer installiert: Dieser soll nach Ansicht der Prüfer aber weisungsfrei gestellt werden. Als weitere Verbesserung wurde angemerkt, unabhängige Compliance-Beauftragte dezentral einzurichten.

FPÖ fordert Rücktritt von Hacker

Der Rechnungshof-Bericht sorgte für heftige politische Reaktionen. Die Freiheitlichen sprachen von einem "echten Kriminalfall im tiefroten System der Ludwig-SPÖ". Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte den Rücktritt von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sowie des Wigev-Direktoriums. Laut den Freiheitlichen bestehe auch der Verdacht, dass der Wigev bewusst die Vergabesummen auf unter 100.000 Euro gedrückt hat, "um Direktvergaben zu ermöglichen und damit das Bundesvergabegesetz zu umgehen". Die FPÖ vermutet "Korruption".

Die ÖVP sowie die Grünen, die die Prüfung gemeinsam beantragt hatten, sprachen von einem "Vergabeskandal". "Der Rechnungshof hat nun offiziell eine dubiose Vergabepraxis im Wigev festgestellt“, sagte der türkise Klubchef Markus Wölbitsch. Der größte Auftragnehmer soll allein insgesamt 19 Prozent am Auftragsvolumen erhalten haben und damit mehr als der zweit-, dritt- und viertgrößte Auftragnehmer gemeinsam. Der grüne Klubchef David Ellensohn verwies auf die 44 Beratungsleistungen, die um knapp 150 Millionen Euro in Auftrag gegeben worden waren. Er kritisierte, dass in keinem einzigen Fall geprüft wurde, ob diese Expertise auch intern einzuholen gewesen wäre. "Das ist nicht nur betriebswirtschaftlich verantwortungslos, sondern eine Geringschätzung des eigenen Personals, die mich fassungslos macht", sagte Ellensohn. Seitens der Stadt und des Wigev seien bisher keine Maßnahmen zur Verbesserung bei Beschaffungen von medizinischen Großgeräten gesetzt worden, hielten ÖVP und Grüne gemeinsam fest.

Anlass der Sonderprüfung war auch ein Urteil des Landesverwaltungsgerichts Wien von 2021: Das Gericht kippte damals eine Auftragsvergabe für Computertomografen. Der Vorwurf des unterlegenen Bieters Canon lautete, dass die Auftragsvergabe für die CT-Geräte auf Siemens zugeschnitten war – und nur dieser Anbieter aufgrund der in der Ausschreibung angegebenen Spezifikationen gewinnen konnte. (krud, 1.12.2023)