Es hat fast zwei Monate gedauert, bis UN-Generalsekretär António Guterres endlich einmal unzweideutige Worte zum Massaker der Hamas in Südisrael gefunden hat: "Es gibt zahlreiche Berichte über sexuelle Gewalt während der abscheulichen Terrorakte der Hamas am 7. Oktober, die energisch untersucht und strafrechtlich verfolgt werden müssen", postete er diese Woche auf X (vormals Twitter).

Das wurde auch Zeit. Die israelischen Behörden untersuchen das und noch mehr bereits seit dem Tag des Überfalls.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres
Machte irritierende Aussagen zu Israel: UN-Generalsekretär António Guterres.
AFP/ANDREA RENAULT

Dass die Hamas kein legitimer Vertreter der Palästinenser, sondern eine Terrororganisation ist, die vor ein internationales Strafgericht gehört, weil sie Israel als Staat auslöschen will und keinerlei Rücksicht auf Völkerrecht nimmt, dazu hat Guterres bisher geschwiegen. Seine Erklärungen zum Krieg sind meist abstrakt, betonen, dass Gewalt "auf beiden Seiten" zu verurteilen und zu beenden sei. Das ist irritierend und klingt so, als sei die israelische Armee, also die eines demokratischen Staats, mit der Hamas gleichwertig auf eine Stufe zu stellen.

Wie absurd solche moralische Relativierung ist, lässt sich rund um die Freilassung der israelischen Geiseln beobachten. Die Hamas zieht das als schauriges Propagandaspektakel durch. Vermummte Kämpfer führen die Geiseln – Frauen und kleine Kinder – einzeln bei der Übergabe an Vertreter des Rotes Kreuzes vor, begleitet von einem drohenden Mob hunderter palästinensischer Männer.

Wenn Israel palästinensische Häftlinge – Straftäter und Verdächtige – an die Hamas übergibt, geht das dort einher mit triumphalen Demonstrationen, dass der Kampf zur Vernichtung Israels weitergehe. Aus Gaza werden Raketen abgefeuert.

Die Uno und Guterres schauen dem schweigend zu. Der Krieg zeigt, dass die Uno, die nach 1945 zur Bewahrung des Weltfriedens gegründet wurde, sich als zahnlos erweist, gelähmt von Mitgliedsstaaten und den Vetos im Sicherheitsrat.

Aber das kann für Guterres keine Ausrede fürs Nichtstun sein. Wo war seine Initiative zur Geiselbefreiung, anstatt das einigen Vermittlerstaaten zu überlassen? Wieso hat die Uno nicht sofort nach dem 7. Oktober begonnen, eine große Hilfsaktion in Gaza zu organisieren? Oder noch ärger: Eine befreite Geisel erzählte, dass sie in Gaza im Haus eines Lehrers in Diensten der UN-Behörde UNWRA untergebracht gewesen war. Uno-Mitarbeiter als Kollaborateure der Hamas? Fatal. Auch das sollte "energisch untersucht und strafrechtlich verfolgt werden". (Thomas Mayer, 1.12.2023)