Seit einem Jahr führt die FPÖ die Umfragen zur Nationalratswahl an, seither wirkt es immer realistischer, dass Herbert Kickl Bundeskanzler werden könnte. Die Stärke der FPÖ wird zumeist mit der Schwäche der anderen Parteien erklärt. Vermischt mit allgemeiner Unzufriedenheit über gefühlte Dauerkrisen in Europa und auf der Welt, ergibt das eine toxische Mischung, die der FPÖ nützt.

Man kann die ÖVP dafür kritisieren, dass sie nicht in der Lage ist, die Ära Kurz abzustreifen und den Geruch von Machtmissbrauch und Korruption loszuwerden. Man kann sich darüber echauffieren, ob die Grünen das Klimathema "richtig" aufgreifen, ob die SPÖ zu links oder zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und ob die Neos eigentlich wissen, was und wen sie an ihrer Spitze wollen.

FPÖ-Chef Herbert Kickl
Macht aus seinen Absichten keinen Hehl: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
APA/EXPA/DOMINIK ANGERER

Trotz all dem, was Menschen zu Recht ärgert: Es bleibt die Verantwortung erwachsener Menschen für ihr Wahlverhalten. Nicht ohne Grund gibt es ein Mindestalter für das aktive Wahlrecht. Demokratie erfordert von Wählerinnen und Wählern, ihre Entscheidungen reflektiert zu treffen – nicht reflexartig.

Aber warum nicht genauso ausführlich darüber diskutieren, was Herbert Kickl will? Zunächst einmal nennt er sich jetzt schon, absichtsvoll, "Volkskanzler". Kickl setzt diesen Begriff nicht nur ein, um sich von einer vermeintlichen Elite abzusetzen. Er hat auch eine klare Vorstellung davon, wer zu seinem "Volk" gehört – alle anderen werden ausgeschlossen. Man sollte gründlich darüber nachdenken, was und wen Kickl meint, wenn er sagt, für ihn werde "die Bevölkerung an erster Stelle stehen".

Dorn im Auge

Nicht damit gemeint sind jedenfalls "die" Medien, deren kritische Berichterstattung Kickl und Co seit jeher ein Dorn im Auge war. Oberösterreichs Vize-Landeshauptmann und FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner etwa kündigte an, Kickl werde als Kanzler "Journalisten und Islamisten das Benehmen lehren". Dem Kabarettisten und STANDARD-Kolumnisten Florian Scheuba drohte ein blauer Pressesprecher an, er werde, wenn Kickl Kanzler sei, "nur mehr beim AMS auftreten".

Wem das nicht zu denken gibt, möge nach Niederösterreich blicken, wo die FPÖ mitregiert: Wirtshausprämie für regionale Speisen, deutsche Sprache als Muss nicht nur auf dem Pausenhof, sondern auch als Voraussetzung für Wohnbauförderung, Kampf dem Gendern – mehr Rückbesinnung auf die heimattümelnde Scholle geht kaum. Oder Salzburg: Dort kann man miterleben, was blaue Gesellschaftspolitik bedeutet. Die schwarz-blaue Koalition fördert das Daheimbleiben von Müttern – statt Gratiskindergärten.

Und sonst? Die Menschenrechtskonvention stellte Kickl schon als Innenminister infrage, zudem glaubt er fest daran, dass "das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht". Die Klima-Erhitzung zweifelt die FPÖ an, Klimaschützer sind für Kickl "Terroristen". Politische Konkurrenten und auch der Bundespräsident werden herabgewürdigt. Die rechtsradikalen Identitären sind für Kickl eine harmlose "NGO". Als sein Vorbild nennt er Viktor Orbán, und man kann erahnen, wie er Österreich gerne umbauen würde: von den Höchstgerichten bis zu den Universitäten.

Kickl macht kein Hehl aus seinen Absichten. Niemand wird am Ende behaupten können, er oder sie habe nicht gewusst, was die FPÖ vorhat. (Petra Stuiber, 2.12.2023)