Die politische Opposition in Russland ist bereits länger mundtot. Nun geht es mit immer neuen Gesetzen gegen Schwule und Lesben, gegen Menschen, die eine andere Sexualität leben als die traditionelle. Was geht den Staat Sexualität an, sofern niemand missbraucht, vergewaltigt oder unterdrückt wird? Nichts, könnte man meinen. Das Gegenteil aber ist der Fall, besonders in Russland. Vor der Präsidentschaftswahl 2024 will Kreml-Chef Wladimir Putin punkten. Die Mehrheit der russischen Gesellschaft ist konservativ, in Teilen auch homophob – und außenpolitisch geißelt man so immer wieder den westlichen Liberalismus.

Homosexuelle Beziehungen haben im Rollenbild einer Art Sowjetunion 2.0 keinen Platz.
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Nach dem Willen des Kreml soll Russland eine Art Sowjetunion 2.0 werden. Der neue russische Mann ist ganz der alte. Stark wie ein Bär verteidigt er seine Familie, sein Vaterland. Und die neue russische Frau ist auch die alte: lieb und Mutter vieler Kinder. Homosexuelle Beziehungen haben in diesem Rollenbild keinen Platz.

Fraglich aber ist, ob dies in der russischen Gesellschaft, die auch eine moderne ist, funktionieren wird. Viele Menschen, auch hochqualifizierte, werden das Land für immer verlassen. Noch funktioniert in der russischen Alltagswelt vieles präzise. Züge sind auf die Minute pünktlich. Über gut funktionierende Apps kann man bequem einkaufen. Erdacht von Spezialisten. Fachkräften, die vielleicht bald anderswo in der Welt arbeiten werden. (Jo Angerer, 3.12.2023)