"Scoop" nennt man es im Journalismus, wenn eine Zeitung exklusive, vorher unbekannte Nachrichten über ein wichtiges Thema veröffentlicht. Einen solchen Scoop hat das Nachrichtenmagazin News kürzlich mit den Enthüllungen über zwei Altkanzler, Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP), gelandet.

Beide ehemaligen Spitzenpolitiker haben im Dienste des inzwischen insolvent gewordenen Immobilienspekulanten René Benko Millionen verdient. Gusenbauers Engagement in der Signa Holding war bekannt gewesen, und "nur" seine mehr als sieben Millionen Euro betragenen Honorare sorgten für Aufsehen und Kommentare. Nicht nur SPÖ-Chef Andreas Babler fand sie "moralisch nicht in Ordnung".

René Benko und Sebastian Kurz
René Benko (rechts) ließ sich vom ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz (links) beraten.
APA/HANS KLAUS TECHT

Die wirkliche Überraschung war aber, dass die junge Firma des jüngsten Altkanzlers, SK Management GmbH, an ein Benko-Unternehmen im September 2023 Rechnungen über knapp drei Millionen Eurounter anderem für Kontakte zu potenziellen Investoren in Europa, im Nahen Osten und in Asien im ersten halben Jahr 2023 gelegt hat. Etwas spät, weil der Großteil der Honorare, so ein Kurz-Sprecher, nicht beglichen worden sei.

Angesichts der glänzenden Businesskarriere Gusenbauers in den 15 Jahren seit seinem Rücktritt dürften die Details seiner so erträglichen Zusammenarbeit mit Benko kaum eine große Überraschung sein.

Schattenkanzler

Die Verstrickung von Kurz in die zwielichtigen Geschäftspraktiken "des meistgefeierten Unternehmers" mit der größten Pleite in der Geschichte in der Zweiten Republik und sein reichlich dokumentierter innenpolitischer und internationaler Beitrag noch als Bundeskanzler zu Benkos Aufstieg erinnern an die Diagnose von Karel Schwarzenberg in seinen letzten Interviews: "Die ganze Partei ist ihm anheimgefallen. Ein Schwindler. Das war er von Anfang an. Was er gesagt und was er getan hat, war ein einziger Widerspruch. (...) Ich habe schon damals gesagt: Wenn Sebastian Kurz so endet, wie ich erwarte, kann das auch das Ende der ÖVP sein." (Kleine Zeitung, Die Presse)

Die politischen Auftritte und Interviews von Sebastian Kurz auch in Ungarn und Deutschland bestätigten den Eindruck, dass aus dem "internationalen Wunderkind" als weltweit jüngster Regierungschef der jüngste Schattenkanzler geworden ist, der nach Gutdünken das politische Schicksal seines jeweiligen Nachfolgers bestimmen kann.

Im Lichte der jüngsten Enthüllungen sollten zumindest die zwei Jubelfilme über den Menschenfreund Kurz neu geschnitten werden. Die politischen Folgen der Benko-Pleiten könnten auch einen endgültigen Strich durch die Rechnung jener ÖVP-Strategen machen, die in ihren Planspielen die Rückkehr des Schattenkanzlers an die Parteispitze noch vor den Nationalratswahlen oder nach der Niederlage und dem Sturz von Karl Nehammer in einer Staatskrise erzwingen möchten.

Wie dem auch sei, beweist die auch finanziell so glanzvolle Laufbahn des noch immer nur 37-jährigen "Altkanzlers" Sebastian Kurz, dass der Spruch aus den "unfrisierten Gedanken" des großartigen polnischen Lyrikers und Aphoristikers Stanisław Jerzy Lec (1909–1966) zeitlos gültig bleibt: "Man kann auch ein Virtuose des falschen Spiels sein." (Paul Lendvai, 5.12.2023)