Der Entwurf sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und könne sich auch noch ändern, versucht das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu beschwichtigen. Der Grund für die Aufregung: Das in die Jahre gekommene Bundeswaldgesetz, das den Zugang und die Nutzung von Waldflächen in Deutschland regelt, soll reformiert werden. Die derzeit geltende Fassung stammt aus dem Jahre 1975 – aufmerksamen Leserinnen und Lesern dieser Kolumne mag hier schon etwas dämmern. Mehr dazu im letzten Absatz.

Eine Tafel an einer Forststraße, die das Radfahren und Reiten verbietet.
Kommt in Deutschland das neue Forstgesetz entsprechend dem eben erst durchgesickerten Entwurf, drohen auch dort für Mountainbiker Zustände wie in Österreich.
APA/BARBARA GINDL

Zurück zur Aufregung über die geplante Reform in Deutschland. Die beruht nämlich auf einem vor kurzem an die Öffentlichkeit gelangten, sogenannten Referentenentwurf zur geplanten Neufassung des Bundeswaldgesetzes. Vor wenigen Wochen tauchte das 58 Seiten umfassende Schriftstück auf der Homepage forstpraxis.de des deutschen Landwirtschaftsverlages auf und versetzte die Mountainbikeszene im Nachbarland in Aufruhr. "Österreichische Zustände" drohen, warnt etwa mtb-news.de.

Willkürliche Fahrverbote

Es sind gleich mehrere Inhalte, die bei Radlern – aber ebenso bei Wanderern, Reitern und anderen erholungssuchenden Waldnutzern – für Schnappatmung sorgen. Denn offenbar konnten sich die Forst- und Jagdlobby mit einigen ihrer Forderungen nach restriktiverem Zugang zum Wald durchsetzen. So sieht etwa Paragraf 29 im Entwurf vor, dass die Länder das Betreten wie auch Befahren des Waldes "aus wichtigem Grund" weitreichend einschränken können. Damit werde der Willkür Tür und Tor geöffnet, befürchtet die Mountainbikeszene. Dass diese Sorgen nicht von ungefähr kommen, zeigt sich bei der Definition dieser "wichtigen Gründe". Sie reichen von der "Wald- oder Wildbewirtschaftung" bis hin zur "Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Waldbesitzenden". Darunter kann man nun verstehen, was man je nach Perspektive verstehen will.

Eine weitere schwammige und deshalb heftig kritisierte Passage im Referentenentwurf ist jene, die den Ländern künftig die Möglichkeit einräumen soll, das Radfahren nur noch auf "geeigneten Wegen" zu gestatten. Heiko Mittelstädt von der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB) erklärte die Bedenken hinsichtlich dieser Formulierung gegenüber der Plattform mtb-news.de so: "Die Formulierung 'Eignung von Wegen' kam ursprünglich aus dem bayerischen Naturschutzgesetz. Der Hintergrund der Formulierung war, dass ein Radfahrer keinen Anspruch darauf hat, dass ein Weg zum Radfahren entsprechend vom Waldbesitzer hergerichtet werden muss. Der Radfahrer muss den Weg so hinnehmen, wie er ihn vorfindet, und selbst entscheiden, ob er darauf mit dem Rad fahren möchte oder besser schiebt."

Welcher Weg ist zum Radfahren "geeignet"?

Im vorliegenden Entwurf werde die Formulierung aber zum Nachteil der Radfahrer umgedeutet, wie Mittelstädt erklärt: "Leider wird aktuell versucht, mit dieser Formulierung der 'Eignung' eines Weges Befahrungsverbote zu begründen, indem nicht mehr der Radfahrer selbst entscheidet, ob er fährt oder schiebt, sondern indem Dritte wie Behörden, Naturschutz oder Waldbesitzer von außen pauschal festlegen, ob sich Wege zum Radfahren eignen. Diese Auslegung des Gesetzes halten wir für falsch, weil dies willkürlich festgelegte Kriterien ermöglicht."

Bisher hieß es im Bundeswaldgesetz, dass das Radfahren auf "Straßen und Wegen" gestattet sei, womit ausreichend Lenkungswirkung gegenüber Fußgängern, die auch abseits aller Wege gehen dürfen, gegeben sei, wie Mittelstädt sagt. Was diese Formulierung mit sich bringen könnte, zeigt sich bei der Aufzählung, welche Wege sich zum Radfahren eignen und welche eben nicht. "Feinerschließungslinien wie Rückegassen, Zugänge zu forstlichen und jagdlichen Infrastrukturen, Wildwechsel und Pirschpfade" zählen laut Entwurf zu den "ungeeigneten". Damit könne man aber jeden Forstweg sperren, der zu einem Hochsitz oder Holzstapel führe, gibt Mittelstädt zu bedenken.

Der ominöse "Komoot-Paragraf"

Für viel Gesprächsstoff sorgt der sogenannte Komoot-Paragraf, benannt nach einer beliebten Navigations-App für Outdoorfans. Dieser Paragraf 33 besagt nämlich, dass das digitale Aufzeichnen von neuen Routen mit solchen Outdoor-Apps nur mehr mit ausdrücklicher Zustimmung des Waldbesitzers erlaubt ist. Darüber hinaus muss die Aufzeichnung von der zuständigen Forstbehörde genehmigt werden. Und auch das Teilen solcher Routen oder auch nur eines Fotos inklusive GPS-Metadaten stellt bereits einen Verstoß dar. Das gehe zu weit, sagt Mittelstädt und gibt zu bedenken, dass dies auch auf Wanderer zutreffe.

Für die Mountainbikeszene im Nachbarland stehen die Zeichen auf Sturm. Man fühlt sich übergangenen, nachdem man zwar jahrelang in den Gesetzwerdungsprozess vermeintlich eingebunden wurde, nun aber so ein Entwurf an die Öffentlichkeit dringe. DIMB-Experte Mittelstädt zeichnet im Gespräch mit dem Schweizer Magazin "Ride" schon ein düsteres Zukunftsszenario: "Im Extremfall führt das wie in Österreich dazu, dass Radfahren im Wald verboten wird, außer auf einzelnen dafür ausgewiesenen Wegen."

Aus dem feudalen Zeitgeist gefallen

Die DIMB wird sich als Lobby weiter für die Interessen der Mountainbikerinnen und Mountainbiker in Deutschland einsetzen. Man werde versuchen, am Gesetzgebungsprozess mitzuwirken, wie es nach den demokratischen Spielregeln vorgesehen sei. Dass nun ein Entwurf, offenbar bewusst, an die Öffentlichkeit gelangt ist, der diesen Prozess torpedieren soll, indem diese Gesprächsbasis gestört wird, zeugt von der Brisanz, die das Thema hat. Hoffentlich bleiben den deutschen Kolleginnen und Kollegen "österreichische Zustände" erspart.

Aber der politische Ansatz, ein verstaubtes und aus dem Zeitgeist des Feudalismus gefallenes Forstgesetz zu reformieren, wäre für Österreich ein riesiger Fortschritt in Richtung 21. Jahrhundert. Hierzulande gilt nämlich ebenfalls ein Forstgesetz aus dem Jahre 1975. Damals wurde es als großer Wurf gefeiert, dass Nichtwaldbesitzenden das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken erlaubt wurde. Mountainbikes existierten 1975 noch nicht, als man das "Befahren des Waldes" generell verboten hat. Wie in der parlamentarischen Diskussion zum Gesetz nachzulesen ist, galt dieser Passus allein Motorrädern und Autos. Heute dient diese Formulierung dazu, Mountainbiken in Österreichs Wäldern generell zu verbieten. (Steffen Kanduth, 5.12.2023)