Man solle Kunden "zuvorkommend aus Leidenschaft" behandeln, dabei aber weder Vorteile annehmen noch sich solche versprechen lassen: Das ist im Verhaltens- und Ethikkodex der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, zu lesen. "Jeder Einzelne zählt. Sie sind das Gesicht der BIG nach außen und tragen so wesentlich zur positiven Wahrnehmung unseres Unternehmens bei", heißt es im Vorwort, unterschrieben von den beiden BIG-Chefs Wolfgang Gleissner und Hans-Peter Weiss.

Doch Letzterer wird sich nun wohl selbst kritischen Fragen nach seinem Umgang mit einem der wichtigsten Geschäftspartner der BIG stellen müssen: der Signa Holding, gegründet von René Benko.

Rene Benko
Benko im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss.
APA/HELMUT FOHRINGER

STANDARD, ORF und dem Podcast "Die Dunkelkammer" liegen interne Unterlagen vor, die zeigen, dass Weiss und Benko im vergangenen Jahrzehnt ein Verhältnis zueinander aufgebaut haben, das sich nicht im Du-Wort allein erschöpfte.

Visite auf der Yacht Roma

Wie bereits berichtet, findet sich der Name Hans-Peter Weiss ab 2018 auf Jagdeinladungslisten der Signa Holding – Weiss ließ dazu auf Anfrage ausrichten, er habe Einladungen zu Jagdgesellschaften aus Compliance-Gründen stets ausgeschlagen.

Daneben war der Manager des staatlichen Immobilienkonzerns zumindest zweimal auf Benkos Yacht Roma eingeladen – als diese anlässlich der jährlichen Immobilienmesse Mipim im südfranzösischen Cannes ankerte.

Aus der BIG heißt es dazu auf neuerliche Anfrage, Weiss nehme als Geschäftsführer der BIG und ihrer Tochtergesellschaft ARE regelmäßig an der Mipim teil und habe 2013 und 2016 "Termine am Messestand von Signa wahrgenommen": "Dieser befand sich auf einem Schiff des Unternehmens, was bei dieser Messe auch bei anderen Unternehmen ein gängiges Setting ist. René Benko war bei keinem dieser beiden Termine anwesend."

Im Jänner 2020 sollte Weiss gemeinsam mit René Benko in Berlin einen Termin bei Rainer Michael Müller wahrnehmen, damals Regierender Bürgermeister Berlins. Das Gespräch kam allerdings wegen einer Terminkollision des Bürgermeisters nicht zustande. Aber warum wollte Weiss mit Benko überhaupt nach Berlin? "Hans-Peter Weiss wurde von Signa kontaktiert, weil die Stadt Berlin darum gebeten habe, in dieser Konstellation über das Thema Wohnbau zu sprechen", schreibt die Bundesimmobiliengesellschaft auf Anfrage. Signa habe einen gemeinsamen Termin koordinieren wollen, der jedoch nie stattgefunden habe.

Jobintervention beim Park Hyatt

Ein halbes später, im Juli 2020, versuchte sich Hans-Peter Weiss als Jobvermittler für einen jungen Koch aus seinem Bekanntenkreis.

Den Unterlagen zufolge ließ Weiss eine Job-Bewerbung des Kochs an den Signa-Manager Christoph Stadlhuber schicken, der übrigens vor Weiss Chef der BIG war.

Stadlhuber leitete die Bewerbung an die damalige Direktorin des Wiener Park-Hyatt-Hotels (eine Signa-Immobilie) weiter und schrieb: "Die Intervention kommt über einen Geschäftspartner, mit dem René und ich eine große Verbundenheit haben."

Der Koch stammt, genau wie Weiss, aus einer kleinen Marktgemeinde im Burgenland. Auf Anfrage räumt die BIG ein, Weiss habe "einen Lehrling aus seinem Bekanntenkreis bei der Suche nach einer Lehrstelle unterstützen" wollen: "Er hat sich dabei auch an Signa gewandt und darum ersucht, den Lebenslauf an das Hotel Park Hyatt weiterzugeben", schreibt eine Sprecherin der BIG. "Da eine Lehrstelle nicht möglich war, hatte sich das Thema für Herrn Weiss erledigt."

Die nunmehrige Park-Hyatt-Direktorin Barbara Göttling hält auf Anfrage fest, dass man "zu einzelnen Mitarbeitern/Bewerbern keine Auskunft gibt".

Hans-Peter Weiss 
BIG-Chef Hans-Peter Weiss im Jahr 2020.
HANS PUNZ / APA / picturedesk.co

Deals in der Kritik

Die Beziehung zwischen BIG und Signa ist vor allem deshalb relevant, weil die BIG als hundertprozentige Tochter der Staatsholding Öbag im Namen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler agiert.

Deals zwischen Signa, BIG und deren Tochter Austrian Real Estate (ARE) waren bereits Thema im sogenannten ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Damals gab Weiss an, er kenne Benko, "wie man sich von Geschäftstätigkeiten kennt". Besonders in den Fokus rückten die Parlamentarier den 99-jährigen Baurechtsvertrag, den Signa und BIG rund um das Postsparkassengebäude Ende 2019 abgeschlossen hatten. Dieser ungewöhnlich lange Vertrag hatte eine erhebliche Wertsteigerung der Immobilie zur Folge. Laut Weiss habe die BIG da "gut verhandelt" und zu günstigen Konditionen Flächen für die Universität für angewandte Kunst besorgen können. Verkaufen wollen habe Signa das Gebäude nicht.

Mieter der Signa ist auch der Verfassungsgerichtshof im sogenannten Kunstforum-Gebäude auf der Wiener Freyung: 2012 schloss der VfGH einen Mietvertrag über Büroflächen mit einer Laufzeit von 50 Jahren ab. 2020/2021 verhandelte die BIG mit Signa die Anmietung zusätzlicher Flächen für den VfGH, zu einem Abschluss kam es nicht.

Seit 2019 errichten Signa und die BIG-Tochter ARE gemeinsam ein neues Quartier in der Wiener-Donaustadt: "Vienna Twenty-Two", ein aus sechs Bauteilen bestehender Büro- und Wohnungskomplex rund um zwei Türme, geplante Gesamtfertigstellung 2025.

Im U-Ausschuss fragten die Abgeordneten wie Nina Tomaselli (Grüne) unter anderem, ob die BIG auf Drängen des Finanzministeriums oder, später, der Staatsholding Öbag die Signa bei Immobiliengeschäften bevorzugte – was Weiss verneinte.

Generalsekretär im Finanzministerium bis 2019 und Öbag-Chef bis 2021 war Thomas Schmid, der mittlerweile Kronzeuge werden will. Schmid gab in seinem Geständnis an, Benko habe ihn mit der Position als Generalbevollmächtigter bei der Signa bestechen wollen, um Hilfe bei einer Steuerprüfung zu bekommen. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 5.12.2023)