Der Palazzo, in dem das Hotel Bauer in Venedig untergebracht ist
Auch das Hotel Bauer in Venedig gehört der Signa.
Imago/Juan Antonio Alonso

So hat sich das René Benko sicher nicht vorgestellt. Im Frühjahr hat die Signa einen Hälfteanteil am Berliner Kaufhaus des Westens (KaDeWe) verkauft – um 300 Millionen Euro, wie die Financial Times berichtete. Allerdings: In Unterlagen für ihre Gläubiger­banken bewertet Signa die Gesamtimmobilie mit 1,5 Milliarden Euro, was also mehr als dem Doppelten entspricht. Ob Berliner Kaufhaus, Wiener Innenstadt-Prachtbauten oder das Hotel Bauer im venezianischen Palazzo: Sie alle machen das Vermögen der Signa aus, und genau das steht jetzt auf dem Prüfstand. Die Frage, die man sich gemeinhin stellt, ist, ob das vom 46-jährigen Tiroler gegründete Unternehmens­imperium vor allem aus Luftschlössern bestand, also viel zu hoch bewerteten Immobilien und Beteiligungen.

Anhaltspunkte für diese These geben die vielen Zahlen, die seit vergangener Woche, als die Signa Holding ihre Insolvenzanmeldung abgegeben hat, kursieren. In der Bilanz 2022 bewertete diese Dachgesellschaft ihr Vermögen mit 5,28 Milliarden Euro. Im Insolvenzantrag ist allerdings nur noch von rund 2,8 Milliarden Euro die Rede. Abgestellt wird da auf Buchwerte per Ende September 2023. Und sollte die Gesellschaft, die indirekt in Benkos Mehrheitseigentum steht, zerschlagen werden müssen, wären es überhaupt nur noch 314 Millionen Euro (geschätzter Liquidationswert).

Video: Vergangenen Mittwoch reichte die Signa Holding Insolvenzantrag am Handelsgericht Wien ein.
APA

Im schlimmsten Fall 90 Prozent Wertverlust

Die Filetstücke der Signa, die Signa Prima würde diesfalls um 90 Prozent auf 153 Millionen Euro abgewertet, ­die Signa Development von 240 Millionen auf 24 Millionen, die Retail-Sparte von 127 Millionen auf null gesetzt werden. Das wäre eine Art Worst-Case-Szenario, wenn also die Signa alles, inklusive halbfertiger Gebäude und Baustellen, sofort auf den Markt werfen müsste. In solche Szenarien werden auch Kosten für rechtliche Folgen eingebucht.

Insgesamt haben die Beteiligungen der Holding per Ende September laut Insolvenzantrag gerade noch 2,5 Milliarden Euro ausgemacht, im Liquidationsfall wären es nur noch rund 295 Millionen.

Wie kann es sein, dass Vermögen mit einer derartigen Geschwindigkeit dahinschmilzt? Die Antwort liegt in der Art und Weise, wie Immobilien und Unternehmensbeteiligungen bewertet werden. Dazugesagt werden muss, dass die Signa Holding gar keine Immobilien hält, sondern sie an 53 Gesellschaften direkt beteiligt ist und an mehreren Hundert Gesellschaften mittelbar, also über zwischengeschaltete Gesellschaften. Diesen gehören dann die Kaufhäuser, Luxusimmobilien und Co. Wichtigste Gesellschaften der Signa Holding sind Signa Development AG, Signa Prime Selection und Signa Retail GmbH, sie alle haben wieder eigene Töchter.

Bewertungen mit Bandbreiten

Wie kommt es nun zu den Bewertungen all dieser Gesellschaften und ihrer Immobilien? Basis dafür sind Gutachten von Immobiliensachverständigen, die letztlich in die Jahresabschlüsse der Gesellschaften Eingang finden. Gemäß Bilanzierungsregeln (IFRS) werden Immobilien jährlich einer Marktbewertung unterzogen. Dabei wird einerseits auf die Substanz der Immobilie abgestellt, also die Lage eines Grundstückes und die Qualität von Gebäuden. Andererseits stellen die Bewertungen auf den Ertrag ab. Bei vermieteten Gebäuden sind das auf die Zukunft hochgerechnete Mieteinnahmen. Eine exakte Wissenschaft ist das nicht, es gibt eine große Bandbreite je nach getroffenen Annahmen. Ein Beispiel: Die Zinshöhe, die für die nächsten Jahrzehnte erwartet wird, beeinflusst wesentlich mit, welche Bewertung für eine Immobilie herausschaut. In den Gutachten werden auch Annahmen zum erwarteten Leerstand getroffen, auch das kann den Wert einer Immobilie mindern oder erhöhen.

Die Gesellschaften der Signa Holding sind also umso wertvoller, je wertvoller die Immobilien sind, die ihnen gehören. Das Interesse der Signa, wie jeder Immobilienholding, war natürlich, möglichst hohe Bewertungen in den Büchern zu haben. Je höher das Vermögen, desto leichter ist es, an Investoren und Kredite zu kommen. Im Fall von Si­gna hat es zuletzt immer wieder skeptische Berichte über allfällig zu hohe Bewertungen gegeben. Noch größer als bei Immobilien ist der Spielraum laut Experten bei der Bewertung von Handelsbeteiligungen. Und die sind der Signa bekanntermaßen zum Verhängnis geworden.

Erster Dienstnehmer: René Benko

Zu spät oder nicht: Jetzt wurden die Beteiligungen mit einem Wumms nach unten korrigiert, auf die erwähnten rund 2,5 Milliarden.

Nun gilt es für die Signa, den Finanzplan abzuarbeiten, der auch Sparmaßnahmen vorsieht. Die Gesellschaft geht davon aus, den Großteil ihrer 42 Mitarbeiter zu kündigen. Das treffe "alle nicht erforderlichen" Bereiche, teilte der Insolvenzverwalter am Dienstag mit – und meinte damit etwa Jagden, Flüge und Eventmanagement. Auf der am Insolvenzgericht eingebrachten Signa-Dienstnehmerliste findet sich an erster Stelle René Benko.

Der Pachtaufwand für das Palais Harrach, den Firmensitz in der Wiener City, bleibt laut Finanzplan bis auf weiteres unverändert: Er beträgt 425.115 Euro. (Renate Graber, András Szigetvari, 6.12.2023)