Der Interspar im Einkaufszentrum The Mall bei Wien Mitte ist aktuell wegen einer "unvorhersehbaren Schädlingsbekämpfung" geschlossen, wie es auf Aushängen heißt. Die Schaufenster des Supermarktes wurden weitgehend abgeklebt. Wer trotzdem hereinspechtelt, sieht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Regale reinigen. Draußen steht die eine oder andere verdutzte Seniorin mit ihrem Wagerl, die hier ihre Einkäufe erledigen wollte.

Video: Es hat wieder einen Spar erwischt. Seit Dienstag ist die Filiale in einem Einkaufszentrum in Wien Mitte wegen Schädlingsbefalls geschlossen. Einige Kundinnen und Kunden sind geschockt, andere haben Mitleid mit den Mäusen.
DER STANDARD

Der Grund für die Schließung der Filiale, die dem Vernehmen nach nach einem Besuch des Marktamtes am Dienstag erfolgte: Mäuse. Derzeit wird das Geschäft einer Grundreinigung unterzogen. Wann es wieder öffnet, ist derzeit laut einem Konzernsprecher noch unklar.

Schädlingsbekämpfer sind ob ihrer Profession schon nicht besonders schreckhaft – und auch Mäuse im Supermarkt sorgen bei ihnen für keine Schnappatmung. Sie sind Schlimmeres gewöhnt. Vor einigen Jahren sorgte in Wien eine Maus für Aufsehen, die in einem Imbiss auf der Pizza saß. Es gab aber auch bereits lahmgelegte Supermärkte, weil die Mäuse die Kassenkabeln angeknabbert hatten.

Schwieriger Spagat

Eine Ratte oder eine Maus, die am helllichten Tag zwischen den Regalreihen für Angst und Schrecken sorgt, ist ein Worst-Case-Szenario für Supermärkte.
Eine Ratte oder eine Maus, die am helllichten Tag zwischen den Regalreihen für Angst und Schrecken sorgt, ist ein Worst-Case-Szenario für Supermärkte.
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Kakerlaken, Mäuse und Ratten sind in vielen Supermärkten Thema. Der Nagerbefall liegt laut dem Schädlingsbekämpfer Rainer Barath von Anticimex oft an der Bauweise, die das Eindringen der Schädlinge begünstigt. "Es gibt Supermärkte in maroden Gebäuden, bei denen die Ratte sogar unter der Tür durchpasst", sagt er.

Auch blockierte Notausgangstüren – etwa für Rauchpausen von Mitarbeitern – sind Eintrittspforten für Mäuse und Ratten, die Krankheiten übertragen können. "Aber ein wesentlicher Teil wird über Paletten und Warenlieferungen eingeschleppt", sagt er. Das könne grundsätzlich jedem Unternehmen passieren und habe nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, stellt er klar. "Aber die Frage ist, wie dann damit umgegangen wird."

Barath sieht im Lebensmittelhandel einen schwierigen Spagat zwischen der Einhaltung von Lebensmittelstandards und dem tobenden Preiskampf in den Supermarktregalen. Aus Kostengründen würden viele Supermärkte bei Schädlingsbekämpfern einsparen und auf wichtige Nachkontrollen verzichten – oder überhaupt erst einmal versuchen, selbst des Problems Herr zu werden. Ein Problem sind laut Barath auch die hohe Fluktuation und der Personalmangel im Einzelhandel, weshalb das Problem oft viel zu spät entdeckt werde. "Und meistens wird der Befall dann auch noch unterschätzt", sagt der Profi.

Die einschlägigen Hygieneleitlinien geben im Einzelhandel mindestens vier Kontrollen im Jahr vor. "Das ist natürlich viel zu wenig", sagt Barath, denn eine neue Generation an Mäusen gibt es innerhalb weniger Wochen, bei Kakerlaken geht es noch einmal schneller. Und wenn sich die Nager mitsamt ihrer Großfamilie erst einmal eingenistet haben, sind sie schwer wieder loszuwerden, denn: "So ein Supermarkt ist ein Eldorado für Mäuse."

Inkognito unterwegs

Schließungen oder Teilschließungen gebe es deswegen immer wieder, weil die Akutbekämpfung bei laufendem Betrieb schwierig sei: "Untertags müssen wir inkognito auftreten, da können wir nicht unserem gesamten Arsenal durch die Filiale rennen", sagt Barath. Und auf der Suche nach dem Nest müssen immer wieder auch ganze Regalreihen auseinandergebaut werden.

Noch einmal anstrengender wird es, wenn es sich um Ratten handelt, weil diese gefinkelt sind: "Manchmal sucht ein ganzes Team nach einer Ratte", sagt Barath. Immer wieder kämen dafür auch Hunde zum Einsatz. Er kennt sogar den Fall einer Ratte, die sich ausschließlich von Melonen ernährte und die einen Supermarkt ein halbes Jahr lang in Atem hielt.

Bei CC Real, dem Center-Management von The Mall bei Wien Mitte, ist man über das Interesse an der temporären Spar-Schließung überrascht. Es handle sich um ein innerstädtisches Einkaufszentrum in der Nähe des Donaukanals und des Wienflusses und über einem Bahnhof – ein gutes Umfeld also für Nagetiere. Im gesamten Einkaufszentrum laufe ein permanentes Schädlingsmonitoring mit Fallen, zweimal im Monat halten Profis Nachschau, erklärt Center-Manager Florian Richter.

Wie genau die Bekämpfung von Mäusen funktioniert, sei situationsabhängig, sagt Rainer Barath. Am wichtigsten sei aber immer, die Nester zu finden. Weil Giftköder im Lebensmittelhandel nicht immer möglich sind, werde häufig mit Schlagfallen oder elektrischen Systemen gearbeitet. Die schicken Updates, wenn es wieder eine Maus erwischt hat. (Franziska Zoidl, 6.12.2023)