Die Forderung hat wenig Aussicht auf Erfolg, doch zur Halbzeit der Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz in Dubai bleibt die EU-Kommission dabei: Der Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Erdgas muss in die gemeinsame Abschlusserklärung der knapp 200 Staaten. "Ich will, dass diese COP den Anfang vom Ende fossiler Brennstoffe einläutet", so der europäische Klimakommissar Wopke Hoekstra bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Außerdem wiederholte er, im Jänner ein neues Klimaziel für 2040 vorschlagen zu wollen, wonach die EU zusammen 90 Prozent ihrer Emissionen reduzieren muss.

Bisher hat die EU keine gemeinsame Klimastrategie für die Landwirtschaft. Dänemark wünscht sich jetzt einen Hebel für den Sektor.
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Ein erstes Land hat der Kommissar bereits für den Vorschlag gewonnen: Dänemark gab am Mittwoch bekannt, dass es sich für das neue Zwischenziel einsetzen wird. "Nur der Klima- und Umweltschutz kann die Wettbewerbsfähigkeit unserer Staaten schützen", erklärt der dänische Klima- und Energieminister Lars Aagard und ergänzt: "Die EU-Staaten sollten endlich weiter als fünf Jahre in die Zukunft denken." Der Preis für erneuerbare Energien verdeutliche dies: Er ist bereits heute viel niedriger als jener für fossile Brennstoffe.

Dänemark selbst hat für 2045 ein Klimaziel von 110 Prozent – es will also nicht nur klimaneutral werden, sondern sogar Treibhausgase aus der Atmosphäre zurückholen. Dazu investierte es unter anderem massiv in die Offshore-Windkraft, so Aagard. Ein neu ausgeschriebenes Projekt soll Strom für 25 Millionen Haushalte liefern können – also weit mehr, als es in Dänemark selbst gibt. Ziel ist, den Strom dann auch in die Nachbarstaaten zu liefern oder grünen Wasserstoff herzustellen. Eine Vereinbarung mit Deutschland zu einer neuen Pipeline gäbe es bereits, so der Minister. Zusätzlich steckt das Land viel Geld in Technologien, um CO2 einzufangen und dieses zu speichern (CCS). "Mit der Dekarbonisierung schaffen wir neue Einnahmequellen für die Bevölkerung. So hoffen wir, ihre Unterstützung zu behalten."

Emissionshandel für die Landwirtschaft

Das Hauptinstrument sieht der dänische Minister allerdings in einem Preis für Treibhausgase. Vor allem der europäische Emissionshandel, kurz ETS, für Energie- und Industrieanlagen zeige einen großen Erfolg. In diesem System müssen Unternehmen für jede Tonne CO2, die ihre Anlagen verursachen, einen Preis bezahlen. Bislang erhielten sie ein relativ großes Gratiskontingent, doch dieses wird nun nach und nach kleiner.

Um Wettbewerbsnachteile gegenüber Lieferanten aus Drittstaaten auszugleichen, einigte sich die EU kürzlich auf eine Art Grenzzoll, den Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM. Wer ab 2027 etwa Stahl, Zement oder Aluminium in der EU verkaufen will, muss an der Grenze für das verursachte CO2 bezahlen – es sei denn, der Herkunftsstaat macht ähnlich ambitionierte Vorgaben zum Klimaschutz wie die EU.

Dänemark will jetzt weitergehen: Ein ähnliches System soll es auch für die Landwirtschaft geben. "Wir streben eine Zukunft an, in der wir Emissionen für alle Sektoren bepreisen", so Aagard. Demnach soll es einen Preis für CO2- sowie Methanemissionen landwirtschaftlicher Betriebe geben – im Gegenzug sollen Betriebe vor der Konkurrenz aus Drittstaaten geschützt werden. Gelingen soll das mit einem ähnlichen Grenzzoll, wie er bald für Industriegüter eingeführt wird. Dann müsste etwa für Rindfleisch, das in die EU eingeführt wird, eine Klimaabgabe gezahlt werden.

"Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir die Landwirtschaft aus unserer Klimapolitik nicht mehr weiter aussparen können", so der dänische Klimaminister. Die Landwirtschaft sorgt für etwa zehn Prozent der gesamtem Treibhausgasemissionen der EU.

Der Leiter der Klimaabteilung der dänischen Landwirtschaftsvereinigung sagte dazu dem STANDARD, es brauche eine einheitliche EU-Regelung. Der Verband habe noch keine finale Position zu dem Vorschlag, doch er scheine "vernünftig" zu sein – vor allem wenn ein Klimazoll eingeführt wird. Allerdings gleiche dieser bloß den Wettbewerb innerhalb Europas aus, relativiert er. Landwirtschaftliche Produkte, die europäische Unternehmen exportieren, wären dadurch nicht geschützt. Dasselbe Problem hat auch der CO2-Zoll für Industriegüter in seiner aktuellen Form.

Streitfall CBAM

Außerhalb der EU stößt jener CO2-Zoll für Stahl, Zement, Aluminium, Eisen und Düngemittel bereits auf harsche Kritik einiger Handelspartner Europas, allen voran China und Indien. Die Staaten wollen die Welthandelsorganisation prüfen lassen, ob das Instrument gegen die internationalen Regeln verstößt.

Die Umstellung auf eine grüne Stahlproduktion ist schwierig und teuer. Der CO2-Zoll soll die Unternehmen im Wettbewerb mit Unternehmen aus Drittstaaten schützen.
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Auch in den Verhandlungen auf dem Klimagipfel spielt der heraufziehende Handelsstreit eine Rolle. So stellten Brasilien, China, Indien und Südafrika vor dem Klimagipfel zusammen einen Antrag, "einseitige Handelsmaßnahmen mit Bezug auf den Klimawandel" als Diskussionspunkt auf die Tagesordnung zu schreiben. Das gelang zwar letztendlich nicht, vom Tisch ist das Thema aber wohl noch lange nicht.

"Der Handel zwischen China und der EU wird substanziell betroffen sein", zitiert dazu das britische Fachmedium "Carbon Brief" einen Vertreter der chinesischen National Energy Group. Die Einführung des europäischen Klimazolls werde Chinas Unternehmen stark beeinträchtigen, meinte dieser. Zu Hause sei der Ton allerdings ein anderer, erklärt Yan Qin, Analystin für CO2-Märkte an der Londoner Börse. "Chinesische Politiker nutzen CBAM, um Druck auf energieintensive Industrien auszuüben, damit sie die Dekarbonisierung beschleunigen", meint sie.

EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra wehrte sich am Mittwoch jedenfalls gegen die Kritik. "Wir sind zuversichtlich, dass die WTO den CBAM als das sieht, was er ist." Das Instrument stelle bloß sicher, dass alle, die ihre Waren in der EU verkaufen, dieselben Chancen hätten. Für Unternehmen mit stringenten Klimaschutzmaßnahmen dürfe im Wettbewerb kein Nachteil entstehen. "Die Zeit für diese Idee ist gekommen, und wir hoffen, dass sich andere Staaten anschließen", warb Hoekstra. (Alicia Prager, 7.12.2023)