Laut Innenministerium können die Länder die Vorschläge, etwa eine Reduktion des Taschengelds, eigenständig umsetzen.
APA/BARBARA GINDL

Brenner / Innsbruck / Gries am Brenner – Das Innenministerium hat neue Vorstellungen zur Ausdehnung des Einsatzes von Asylwerbern bei gemeinnütziger Arbeit. Das Modell sieht auch eine Kürzung von Geld- und Sachleistungen vor, sollten die Betroffenen keine Dienste leisten wollen. Vorgelegt wurde der Vorschlag den Landesflüchtlingsreferenten bei einer Sitzung am Donnerstag jedoch nicht, wie aus dem der APA vorliegenden Protokoll der Unterredung hervorgeht.

Nach der Besprechung in Wien hieß es aus dem Ministerium, die Länder könnten die Vorschläge eigenständig umsetzen, es sei keine Anpassung der bestehenden 15a-Vereinbarung erforderlich. In einigen Bundesländern reagierte man betont verärgert. Von einer "Dunstblase" sprach etwa Wiens zuständiger Stadtrat Peter Hacker (SPÖ). In der Sitzung sei außerdem einzig die Möglichkeit der Kürzung des Taschengelds angesprochen worden, und die gebe es schon seit vielen Jahren – wobei Hacker eine Reduktion des Betrags von 40 Euro monatlich ohnehin ablehnt.

Seine Kärntner Amtskollegin Sandra Schaar (SPÖ) legte per Aussendung nach. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe in seinen Ausführungen zum Bericht an die Konferenzteilnehmenden von einem Arbeitsmodell gesprochen, ohne jedoch auf konkrete Inhalte einzugehen.

Laut Auskunft der Salzburger Vertreter wurde die Frage der Arbeitsverpflichtung bei der Konferenz zwar besprochen, aber nicht formal behandelt. FPÖ-Regierungskoordinator Dom Kamper erklärte dazu, grundsätzlich stehe man voll hinter der Idee und werde das "in Salzburg auf jeden Fall voll ausschöpfen".

Hacker ortet Verstoß gegen Menschenrechte

Anders die Töne aus Wien. Eine Verpflichtung zur Arbeit für Flüchtlinge würde jedenfalls gegen die Menschenrechte verstoßen und sei daher nicht möglich, betonte Stadtrat Hacker. Auch sei es undenkbar, dass mit Flüchtlingen Lohndumping betrieben werde. Wenn diese als Straßenkehrer und Pfleger von Grünflächen dienen müssten, würden die derzeitigen Arbeitskräfte ihren Job verlieren. Gleichzeitig unterstrich Hacker, dass natürlich auch Flüchtlinge ihre Arbeitskraft einbringen müssten. Dafür wäre es jedoch hilfreich, wenn ihnen beispielsweise ihre Zeugnisse nicht erst nach Monaten ausgestellt würden, sieht er den Integrationsfonds gefordert.

Hocherfreut zeigte sich hingegen der Vorarlberger Sicherheitslandesrat Christian Gantner (ÖVP): "Bei der heutigen Konferenz der Landesflüchtlingsreferent:innen wurde grünes Licht für die als 'Vorarlberg-Kodex' bekannt gewordene Vereinbarung, die Asylwerbende nach ihrer Ankunft unterschreiben sollen, gegeben", hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Die Prüfung der rechtlichen Umsetzbarkeit sei positiv ausgefallen. Innenminister Karner habe berichtet, dass das Ministerium der Ansicht sei, "dass es Möglichkeiten gibt, beispielsweise das Taschengeld oder auch Sachleistungen zu kürzen". Nun solle die Umsetzung "rasch" erfolgen, so der Landesrat – schon im ersten Quartal 2024 sollen ankommende Asylwerbende den "Kodex" unterschreiben.

Aus dem Innenministerium hieß es wiederum zur APA, dass Fachexperten des Ressorts der Ansicht seien, dass die Länder selbstständig etwa die vorgeschlagene Reduktion des Taschengelds realisieren könnten. "Ob landesgesetzliche Bestimmungen betroffen sind, muss jedes Bundesland selbst bewerten."

Konsequenzen bei Verweigerung

Die Flüchtlingsreferenten der Länder haben sich bereits im September für eine Ausdehnung der Pflicht zur gemeinnützigen Arbeit ausgesprochen und das Innenministerium um ein Modell gebeten. Ob es das Konzept nun tatsächlich schon konkret gibt, ist offenbar unklar.

Die derzeitige Regelung sieht gemeinnützige Arbeit im Quartier oder im Auftrag von Ländern und Gemeinden vor. Vorgeschlagen wurde etwa eine Ausdehnung auf gemeinnützige Organisationen. Außerdem beinhaltet das Innenministeriumsmodell Konsequenzen bei Verweigerung: Neben der Reduktion des Taschengelds – laut Ö1 um die Hälfte – sieht der Vorschlag, der auch der APA vorliegt, die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen in den Bundesländern vor (wie es bereits in der Grundversorgung des Bundes üblich ist, etwa in Form von Essensgutscheinen). Auch der volle Erhalt dieser Sachleistungen soll nur möglich sein, wenn Arbeitswilligkeit vorliegt.

"Vorarlberg-Kodex"

Die Debatte schwelt schon länger, die Vorarlberger ÖVP hat etwa Anfang November einen "Vorarlberg-Kodex" angekündigt, den Asylwerber unterschreiben sollen und der sie zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) zeigte sich in der Folge im November offen für diesen Vorschlag, während Tirols Landeshauptmann-Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) das Ansinnen als nicht zielführend und als "reinen Theaterdonner" der ÖVP vor den Wahlen im Jahr 2024 bezeichnete – am Donnerstag wollte er sich dazu nicht äußern. Hacker wiederum zeigte sich nun erstaunt, dass die Länder am Donnerstag nicht einmal einen entsprechenden Vorschlag diesbezüglich vorgebracht hätten.

Kritik kam von Wolfgang Salm von der Plattform Gemeinsam für Kinderrechte: Der Vorschlag sei nur ein weiterer Versuch, "politisches Kleingeld" auf dem Rücken Schutzbedürftiger zu schlagen, sagte er am Rande einer Pressekonferenz. Das Taschengeld betrage 40 Euro im Monat und sei seit 20 Jahren nicht valorisiert worden. Dass man Leute nun zu "Zwangsmaßnahmen" verpflichte, um sie zu beschäftigen, sehe er nicht ein. Ohnehin sei der Vorschlag aber wohl schwer umsetzbar, so Salm.

Für den Direktor der Volkshilfe Österreich, Erich Fenninger, "ist es angesichts der großen Nachfrage am Arbeitsmarkt nicht nachvollziehbar, warum es nicht generell einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für schutzsuchende Menschen gibt". Einen Arbeitszwang, sogar verbunden mit Sanktionen, lehnt die Volkshilfe grundsätzlich ab: "Es gibt auch schlicht zu wenige solcher Jobs in den Gemeinden." (APA, 7.12.2023)