Die Diskussion aller Diskussionen auf der Weltklimakonferenz ist die um die Zukunft der fossilen Brennstoffe. Seit Tagen zanken die knapp 200 Staaten in Dubai um eine Formulierung in der Abschlusserklärung. Während viele Beobachterinnen und Beobachter anfangs optimistisch waren, dass es auf der COP 28 endlich ein Bekenntnis zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas geben könnte, findet der fossile Ausstieg im Textentwurf von Montagabend vorerst keine Erwähnung mehr. Das könnte sich in den meist turbulenten finalen Stunden der Klimakonferenz noch ändern.

So gut wie fix ist hingegen, dass der Begriff "unabated fossil fuels" eine mehr oder weniger große Rolle im Abschlusstext der Klimakonferenz spielen wird. Gemeint ist dabei, dass Kohle, Öl und Gas künftig nur mehr verbrannt werden sollen, wenn die dabei entstehenden Treibhausgasemissionen aufgefangen und gespeichert werden.

Im Kohlekraftwerk Taizhou hat China im Juni die nach eigenen Angaben größte Anlage zur CO2-Speicherung Asiens eröffnet.
EPA

Verlängerung für Fossile

Denn während einige Staaten und Staatenbünde, darunter die EU, ein vollständiges Aus von Kohle, Öl und Gas fordern, sehen andere Nationen das Zeitalter der fossilen Brennstoffe noch längst nicht beendet. Auch viele Energiekonzerne propagieren CO2-Abscheidung und -Speicherung als einfache Lösung für die Klimakrise. Denn nicht die fossilen Brennstoffe per se, sondern deren Emissionen sind das Problem, lautet das Mantra, das Staaten wie Saudi-Arabien bei jeder Gelegenheit einbringen. Und wenn man verhindere, dass das CO2 in die Atmosphäre gelangt, gebe es auch eine grüne Zukunft mit Kohle, Öl und Gas. Doch vieles deutet darauf hin, dass es sehr schwierig wird, die Klimaziele mit Carbon Capture and Storage, kurz CSS, zu erreichen.

Das beginnt damit, dass es bisher keine klare Definition gibt, was mit "unabated" eigentlich gemeint ist. Das englische Wort lässt sich am ehesten mit "unvermindert" übersetzen – doch Hinweise, wie die CO2-Emissionen konkret vermindert werden sollen, fehlen in den UN-Texten bisher.

Der Thinktank Zero Carbon Analytics versuchte sich kürzlich an einer Definition, die in die offiziellen Dokumente der Uno eingehen könnte. Damit die Technologie wirklich zur Emissionsminderung beiträgt, müssten einerseits 90 bis 95 Prozent der entstehenden CO2-Emissionen aufgefangen, die Gase für tausende Jahre im Untergrund gespeichert und auch Methanemissionen entlang der Wertschöpfungskette aufgefangen werden. Das alles müsste zudem streng kontrolliert werden.

Carbon Capture and Storage (CCS) wird vor allem von denen vorangetrieben, die derzeit viel Geld mit fossilen Brennstoffen machen.
REUTERS/SONALI PAUL

Weniger gespeichert als versprochen

Doch bei den wenigen CCS-Projekten, die bisher umgesetzt wurden, bleiben diese Kriterien oft unerfüllt. Die tatsächlichen Speicherraten waren häufig geringer als von den Anlagenbetreibern versprochen. In einigen Fällen wurde sogar um die Hälfte weniger CO2 eingespeichert als ursprünglich angekündigt.

Das liegt auch daran, dass die Anlagen oft gar nicht mit dem Ziel gebaut wurden, die Atmosphäre vor Treibhausgasemissionen zu schützen – sondern um noch mehr Öl zu fördern. Mit dem Verfahren Enhanced Oil Recovery (EOR) lässt sich noch Öl aus Vorkommen pumpen, die konventionell nicht mehr ausbeutbar sind – indem CO2 in den Untergrund gepumpt wird.

CO2 oft für Ölförderung verwendet

Von den 41 Standorten weltweit, wo derzeit CO2 abgeschieden wird, wird an 29 das gewonnene Treibhausgas zumindest teilweise wieder zur Ölförderung verwendet. So auch in der Anlage Shute Creek im Westen der USA, die als eines der größten CCS-Projekte der Welt gilt. Eingefangenes CO2, das nicht für die Ölförderung verkauft werden kann, wird dort einfach in die Atmosphäre geblasen, schreibt das Institute for Energy Economics and Financial Analysis in einem Bericht.

Doch selbst wenn die Technologie funktionieren und für den Klimaschutz eingesetzt werden würde, steht sie größenmäßig noch in den Babyschuhen. Derzeit werden jährlich bloß 49 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abgeschieden. Das ist etwas mehr als die Hälfte von dem, was Österreich jährlich an Klimagasen in die Luft entlässt und nur rund 0,13 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Zwar werden schon seit Jahren immer wieder neue CCS-Projekte angekündigt, die dann häufig aber verschoben oder ganz abgesagt werden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2021 sind rund 80 Prozent aller CCS-Projekte in den USA bisher gescheitert – sei es wegen technischer Probleme oder weil sie sich wirtschaftlich nicht lohnen.

Im Idealfall mineralisiert das in den Boden gepumpte CO2 – und bleibt so für Jahrtausende gespeichert.
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CCS-Technik kommt nicht vom Fleck

Denn während die Energiegewinnung aus Wind und vor allem Sonne in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten exponentiell billiger geworden ist, scheint die CCS-Technik nicht von der Stelle zu kommen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Analyse der Oxford University liegen die Kosten für eine Megawattstunde Photovoltaikstrom derzeit bei 44 bis 49 US-Dollar, Kohleenergie mit CO2-Abscheidung und -speicherung kommt mindestens auf das Doppelte. An diesem Verhältnis werde sich auch in den kommenden Jahren wenig ändern.

Selbst wenn alle derzeit geplanten CCS-Anlagen in Betrieb genommen würden, könnten im Jahr 2030 nur weniger als ein Prozent der jährlichen CO2-Emissionen abgeschieden werden, heißt es im Production Gap Report, den das UN-Umweltprogramm und das Stockholm Environment Institute vor der Klimakonferenz veröffentlicht haben. Auch für das Net-Zero-Szenario der Internationalen Energieagentur (IEA), das bis 2050 weltweite Klimaneutralität vorsieht, reicht das aktuelle Tempo beim Anlagenbau bei weitem nicht aus.

Billionen Dollar Zusatzkosten

Unter Fachleuten, etwa im Weltklimarat (IPCC), besteht trotzdem weitgehend Einigkeit, dass die Klimaziele ohne bestimmte Formen der CO2-Speicherung schwierig zu erreichen sind. Vor allem wenn das 1,5-Grad-Ziel wahrscheinlich verfehlt wird – und danach sieht es derzeit aus – müssen der Atmosphäre in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wieder Treibhausgase entzogen werden, um die Temperatur nachträglich wieder zu stabilisieren. Das kann mit CCS passieren, etwa indem der Umgebungsluft direkt Kohlenstoff entzogen wird, durch die Verfeuerung von Biomasse mit anschließener CO2-Abscheidung – oder aber ganz altmodisch durch Wiederaufforstung und die Herstellung von Pflanzenkohle.

Sonst ist CCS dort sinnvoll, wo sich Emissionen besonders schwierig verhindern lassen – etwa in der Stahl-, Zement- oder bestimmten Teilen der Chemieindustrie. Davon ist bei den Verhandlungen auf den Weltklimakonferenzen allerdings keine Rede. CCS wird dort ohne weitere Eingrenzung als Lösung gepriesen – also etwa auch für Sektoren wie Stromerzeugung, wo es längst Alternativen gibt.

Das könnte die Welt noch teuer zu stehen kommen. "Wenn man sich auf die Einführung von CCS im großen Stil verlässt, um eine hohe, kontinuierliche Nutzung fossiler Brennstoffe zu ermöglichen, würde das die Gesellschaft jedes Jahr rund eine Billion Dollar zusätzlich kosten", sagt Rupert Way von der Oxford Smith School. "Das wäre wirtschaftlich äußerst schädlich."

Die Studie, an der Way mitgearbeitet hat, kommt zu dem Ergebnis, dass 2050 bis zu 30 Billionen US-Dollar an Mehrkosten entstehen würden, wenn die Welt die Hälfte der heutigen Emissionen mithilfe von CCS einsparen würde. Günstiger wäre es laut der Studie, stattdessen auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz zu setzen. Auch der Weltklimarat (IPCC), der CO2-Speicherung als fundamental ansieht, kommt zu dem Schluss, dass die größten Hebel zur Einsparung von Emissionen woanders liegen (siehe Grafik).

Die Wette

Ob die Technologie in so großem Stil überhaupt funktioniert, ist eine riesige Wette. Geht sie nicht auf, könnte das zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen von 86 Milliarden Tonnen führen, schätzt der Thinktank Carbon Analytics. Das 1,5-Grad-Ziel wäre damit verfehlt. Jede Tonne, die CCS-Anlagen wider Erwarten nicht aus dem Abgasstrom herausfiltern können, müsste später wieder durch noch aufwendigere und teurere Methoden aus der Atmosphäre entfernt werden.

Viele Umwelt-NGOs glauben aber, dass es den Verfechtern der CO2-Speicherung ohnehin nicht darum geht, Emissionen zu reduzieren, sondern bloß den Ausstieg auf fossilen Energien zu verzögern. Als "trojanisches Pferd", "Scheinlösung" und "Greenwashing" bezeichneten Aktivistinnen und Aktivisten die Technologie im Vorfeld der Klimakonferenz. Sie im Vertragstext zu verankern, würde nur dazu führen, dass im Glauben, die Anlagen später umrüsten zu können, noch mehr Kohle- und Gaskraftwerke gebaut würden.

Zumindest, wenn Staaten die Umsetzung zu lasch kontrollieren. Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Vereinigte Königreich, wo eine strenge CCS-Regulierung die CO2-Speichertechnologie abwürgte – und die konventionelle Kohleverbrennung gleich mit. Dort kündigte die Regierung bereits 2009 an, keine neuen Kohlekraftwerke ohne Kohlenstoffabscheidung und -speicherung mehr zuzulassen. Seitdem wurde im Vereinigten Königreich kein einziges Kohlekraftwerk mehr gebaut – weder mit CCS noch ohne. Im Vergleich zu den Alternativen war die Technik einfach zu teuer. (Philip Pramer, 12.12.2023)